Schloss Sondershausen

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Schloss Sondershausen

Beitrag von Johanna »

wir wünschten uns mehr Besucher

Sonntag morgen – wir haben einen Superstellplatz – vollkommen ruhig. Die Falken, die wir gestern gegen Abend beobachten konnten sind schon wieder kreisend auf Futtersuche – Vögel zwitschern – Ruhe und Natur, einfach nur schön!
Gegen 11 Uhr fahren wir nach Sondershausen. Man kann fast bis zum Schloss hoch fahren – der Parkplatz ist fast leer – dabei herrscht wunderbares warmes Frühlingswetter. Das zum Schloss gehörende Parkgelände ist sehr gross. Wir schauen uns um – es gibt einen Marstall – geschlossen – ein grosses Hofkaffee ist zwar ausgeschrieben – aber es existiert nicht mehr. Wie wir später erfahren hat sich der Betrieb wegen mangelnder Besucherzahlen nicht mehr rentiert. Wir betreten den Eingang durch ein grosses Tor – der Gang und der Hof ist Katzenkopfpflaster. Kaum betreten wir die mit einem roten Teppich ausgelegte breite Treppe, die uns in den ersten Stock bringen soll, gehen die Lampen an – hochherrschaftliche Beleuchtung – nur für uns? Im ersten Stock der Empfang – keine Besucher – wir sind die einzigen die sich hier Karten für den Besuch des Museums kaufen und sich für eine Führung interessieren. Um 14:00 Uhr soll eine Führung stattfinden. Also gehen wir erst hinauf in den zweiten Stock. Das Schlossmuseum interessiert uns.
Exquisite Möbel, herrliche Tapisserien bis zu einer vollständigen Einrichtung einer alten Drogerie, die erst im letzten Jahrhundert vor der Zerstörung durch einen Abrissbagger gerettet wurde. Man sieht eine Sammlung von Schmetterlingen, Grabungsfunde - Körperschmuck und sieht in diversen Schaukästen Tiere der heimischen Welt. Unter den Waffen sind Teile aus merowingischer Zeit zu bewundern – ausserdem gibt es auch hier Daumenschrauben und andere Gegenstände die zu Strafen genutzt wurden. Kopfsteine, die um den Hals mit schweren Eisenringen getragen werden mussten usw.
Die Ausstellungsstücke sind zeitlich geordnet von der Frühgeschichte bis hin zu der Zeit des zweiten Weltkrieges. Im Mittelpunkt steht aber immer die Residenzstadt und das Territorium der Schwarzburg-Sondershäuser. Die Musikabteilung hat von grossen Flöten über ein Harfenklavier bis zu Flügel und Cembalo fast alles was ein Musikerherz erfreut. Geigen sind ausgestellt – man kann über Kopfhörer Klassik geniessen. Dirigenten des neunzehnten Jahrhunderts sind aufgelistet. Historische Musikinstrumente aus der fürstlichen Hofkapelle und auch handschriftliche Kompositionen für verschiedene Anlässe. Im übrigen gibt es einige Exponate in altdeutscher Schrift, die gerade die ältere Generation zum lesen animieren sollte. Nach dem Besuch des Museums, welches wir wiederum ganz allein mit einem ehrenamtlichen Führer geniessen konnten, gingen wir in das Erdgeschoss – in die Remise.
Hier steht die goldene Kutsche. Eine repräsentative Kutsche, die nur zu grossen Anlässen und keinesfalls zum reisen benutzt wurde. Wir lernten dass die Anzahl der Gespanne den Stand der Besitzer anzeigte.
Wer das Märchen Cinderella kennt der hat eine ziemlich genaue Vorstellung von diesem edlen Gefährt. Die Kutsche selbst ist goldbeschlagen, sie hängt frei und benötigte 3 Personen zur Bedienung. Eine Person, die das vordere 5. Pferd dieser Staatskarosse reitet, eine weitere Person die auf dem Kutschbock sitzt und die Zügel in der Hand hält. Die letzte Person, die hinten auf dem Gestell hinter der Kutsche steht um die Bewegungen, das Gewicht auszugleichen. Die Kutsche wiegt einige Tonnen – die Anzahl der Pferde bedeutete, dass hier ein Fürst die Berechtigung für das führen von 6 Pferden hatte. Die Kutsche eines Königs hatte 8 und Kaiser 10 Pferde vorgespannt – Geringere Adlige mussten sich mit weniger Pferden zufrieden geben.
Von diesen Kutschen gibt es auf der Welt nur noch weitere 3 Stück – und zwar in Stockholm, Lissabon und St. Petersburg. Ich finde ein absolut sehenswertes Stück! Leider wird dafür viel zu wenig Werbung gemacht – aber Werbung kostet Geld und das ist gerade bei Museen und Schlössern Mangelware…..
Nach dem Besuch des Museums fuhren wir in das Städtchen um einen Kaffee zu trinken, fanden aber nur eine geöffnete Pizzeria am Marktplatz mit einem unmöglich unhöflichen Ober. Uwe bestellte im Gastraum eine Tasse Kaffee und eine Limonade und erbot sich dies mit nach draussen an unseren Tisch zu nehmen. Denn der Ober polierte Gläser und meinte er wäre allein – ausserdem würde er die Bestellung draussen aufnehmen und wenn es uns zu lange dauern würde könnten wir ja gehen. Das ist ein Verhalten, welches nicht gerade kundenorientiert ist und nicht zu einem weiteren Besuch einlädt.
Als er dann noch mit einem sehr mürrischen Gesicht die Getränke brachte haben wir auch keinen Cent Trinkgeld gegeben. Obwohl wir sonst in dieser Beziehung eigentlich immer sehr großzügig sind.
Pünktlich um 14 Uhr waren wir wieder im Schloss – ein junger Mann stand auf, stellte sich vor und wir bekamen unsere „Privat“führung. Traurig wenn solche Kunstschätze so wenig geschätzt werden. Viele Gebäudeteile sind sehr baufällig und hätten dringende Erhaltungsmaßnahmen bzw. Restaurierung bitter nötig. Aber wo keine Gäste, keine Eintrittsgelder fliessen ist auch für Werbung nichts vorhanden – und keine Werbung bringt auch keine Gäste - so beisst sich die Katze in den Schwanz. Als wir bereits einige Räume durchschritten hatten kam noch ein Ehepaar zu der Führung dazu – wir waren also 4 Personen, eine sehr kleine Gruppe. Zwischenfragen waren erwünscht und wurden auch gestellt.
Wir erfuhren die Geschichte der Grafen von Schwarzburg – Tradition war der ständig gleiche Vorname und das Vererben jeweils an den Erstgeborenen, damit das Gebiet nicht zersplittert wurde.
Erst 1599 spaltete sich die Linie auf und es gab dann die Schwarzburg–Rudolstädter und Schwarzburg-Sondershausener. Die Geschichte der Familie war durch grosse Porträts in den einzelnen Räumen untermauert. Wir erfuhren von der letzten Fürstin die durch Intervention der Bevölkerung bis zu ihrem Tod im Schloss leben durfte, obwohl die Besatzer nach dem zweiten Weltkrieg das untersagten. Die einzelnen Räume waren mit wunderschönen Mosaikböden ausgelegt. Jeder Raum hatte ein anderes Muster. Die Stuckarbeiten in dem grossen blauen Saal der auch als „Trausaal“ genutzt wird waren vom feinsten. Von Max Reger dem Komponisten, Organist, Pianist und Dirigenten ist eine Büste in diesem Saal. Hier werden auch Konzerte und andere Aufführungen veranstaltet. Und weil wir eine kleine Besuchergruppe waren wurde uns noch ein weiterer Saal gezeigt, der eigentlich nicht für Führungen/Besichtigungen geöffnet wird. Wenn man diesen Saal betritt, dann sieht man wunderschöne Deckengemälde, grosse Götterskulpturen an den Wänden neben den hohen Fenstern. Herrliche Stuckarbeiten von Engeln, Putten usw. die den Raum aufs trefflichste verzierten. Der Herrscher hatte sich hier einen Thron gegenüber der Eingangstür errichten lassen und sich mit den Göttern umgeben, so fühlte er sich göttergleich! Die schmalen Wände waren mit Spiegeln versehen – die aber nicht mehr vorhanden waren.
Eine Besichtigung die sich wirklich gelohnt hat und der minimale Betrag für die Führung war wirklich sehr gut angelegt! Wir haben diesen Besuch keine Sekunde bereut.
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