Wer zu langsam ist....

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Wer zu langsam ist....

Beitrag von Johanna »

.... den bestraft das Leben…

das nehme ich einfach mal so in Anlehnung an Gorbis Worte

Gestern abend holte ich beim Bauern Milch und fuhr anschliessend zu Uwe. Geplant war nichts, doch als ich ankam wartete Uwe mit einem Vorschlag auf mich.
„In Erfurt sind die Domstufen-Festspiele. Wir könnten dort hinfahren und uns am Rand in ein Cafe setzen. Da hören wir die Musik auch, hast Du Lust? Oder vielleicht können wir uns auch eine Karte kaufen“. Ich hatte Lust, aber trotzdem sorgte ich erst fürs leibliche Wohl, dann holten wir noch eine Jacke für mich – am Abend wird es doch schon kühl. Erfurt ist nicht unbedingt um die Ecke – lt. Entfernungsangaben sind es ungefähr 113 km – also ungefähr eine und eine halbe Stunde Fahrt. Wir starteten gegen 18 Uhr und kamen ungefähr um halb acht in Erfurt an. Das Parkhaus am Dom – ein Schild besagte, dass das Parkhaus um 22 Uhr schliesst. Wenn wir uns die Vorführung anhören oder sogar anschauen wollen, dann kommen wir nicht mehr an unser Auto – also ist frei parken dringend erforderlich. Uwe lässt mich beim Dom aussteigen und sucht Strassenaufwärts einen freien Platz. Viele Autobesitzer hatten wohl den gleichen Gedanken, denn die Strasse ist beiderseits fast zugeparkt. Ich stehe auf dem Platz neben dem Parkhauseingang und beobachte das Treiben. Sehr viele Menschen sind unterwegs – die Tribüne ist vor dem Dom aufgebaut – sehr hoch, sehr breit. Von dem Platz auf dem gespielt wird ist nichts zu sehen, alles ist mit Planen ringsherum abgedeckt. Nur vereinzelt sieht man freie Stellen. Uwe kommt mit Sturmschritt angelaufen und wir erfragen den Weg zur Kasse – weil wir uns doch für Karten entschieden haben. Die nette Dame am Schalter meinte auf unsere Frage, sie hätte zwar noch ein paar Karten: „aber der Herr dort“ – und sie zeigte in die Richtung - „der mit dem grünen Sakko hat bestimmt bessere Plätze zu verkaufen“. Uwe läuft los – ich tapse hinterher – sehe den Mann mit den Karten in der Hand, davor ein junges Ehepaar. Der junge Mann überlegt noch, will wahrscheinlich den Preis drücken…..Uwe schaut den Mann mit dem grünen Sakko an und sagt: „Ich nehm sie“ zückt sein Portemonnaie und zahlt. Wir haben bombige Karten erwischt!
Die junge Frau macht ein böses Gesicht, schaut ihren Mann an und macht ihm bestimmt eine kleine Szene, weil er so lange gezögert hatte. Naja wer zu lange überlegt…..
Wir sitzen sehr weit vorne, der Herr der uns die Karten zu einem günstigen Preis abgab, sitzt mit seiner Frau neben uns. Wir erfahren dass sein Freund aus Köln diese Karten bestellte und leider nicht kommen konnte. Uwe meint leise zu mir, nachdem er sieht wie sich alle Reihen und Plätze füllten, wir haben bestimmt die preiswertesten Karten hier von allen in diesem Abschnitt. Ich lache, denn ich habe den aufgedruckten Preis gesehen – weiss was an der Kasse verlangt wird und habe gesehen, was Uwe bezahlte. Es gibt Carmen – nun kenne ich Carmen und die Melodien und weiss dass es ein „richtiges Zigeunermärchen“ mit den entsprechenden Kostümen ist. Auf den Dom-Stufen und dem ersten grossen Absatz sah man zuerst nur Gitter, die mit Vorhängen bestückt waren, so daß eine freie Sicht nicht möglich war. Die bittere Seite des Lebens gibt es damals wie heute – nur vor über 150 Jahren sah eben alles ein wenig anders aus. Da gab es keine Autos, keine Handys, PC oder Smartphone – da gab es nur brutale Realität des Überlebens. Früher zog das fahrende Volk mit Pferdewagen durch die Lande, sie legten Karten, weissagten die Zukunft, betrogen Leute, schmuggelten und handelten mit Teppichen und derlei Sachen. Sie waren Kesselflicker, Scherenschleifer, Holzschnitzer oder Korbflechter, liessen Bären tanzen. Dieses Bild der einfachen Menschen die in einem chancenlosen Milieu geboren wurden oder an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden hat sich im Laufe der Jahre sehr gewandelt. Diesmal aber ist das äussere Bild etwas anders, denn Carmen ist in die Neuzeit versetzt. Auf den höheren Stufen konnte man trotz der verhüllenden Vorhänge Autos sehen – alte Autos, schrottreife – ineinander geschachtelte Vehikel und ab und zu gab der Wind den Vorhängen einen kleinen „Drive“, so dass man auch Wohnwagen erkennen konnte. Auf die üblichen Spanienklischees und Zigeunerromantik wurde bei der Inszenierung vollkommen verzichtet. Der Schrottplatz zeigt auch so sehr deutlich den Aufenthalt der Menschen die am Rand der Gesellschaft leben. Am Ende der Vorstellung habe ich die Darsteller – Hauptakteure und Komparsen flüchtig gezählt und kam bei 100 Personen an – dazu das Orchester.
Anstelle von Pferdewagen flitzten Autos auch ein paar Treppen hoch – der Torero als Nebenbuhler des Soldaten lieferte sich einen (Stier)Kampf in einer Manege. Selbst die Balustrade von der einen Kirche wurde in die Inszenierung mit einbezogen. Rechts und links von der grossen Freitreppe war die Übersetzung der Texte zu lesen, da alles in italienischer? Sprache gesungen wurde.
Dazwischen gab es eine Pause in der man sich die Beine vertreten oder sich ein Getränk holen konnte.
Nach Beendigung der Vorstellung liefen wir zum Auto und machten an einer Autobahnraststätte Pause – der Magen meldete Ansprüche an…..Nachts gegen ein Uhr waren wir dann erst zu Hause.
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