Ich habe gerade die jährliche qualvolle und demütigende Wallfahrt hinter mir --- den Badeanzugkauf.
In meiner Kindheit in den 50 zigern waren Badeanzüge für Frauen mit reifer Figur auch für Frauen mit reifer Figur gemacht – mit Fischbein gestützt und verstärkt, also mehr konstruiert als genäht.
Sie waren gemacht zum Zurückhalten und Anheben und waren verdammt gut.
Die heutigen Stretchgewebe sind etwas für vorpupertäre Mädchen mit einer Figur wie aus Marmor gehauen.
Die reife Frau hat die Wahl – sie kann entweder in der Umstandskleiderabteilung einen blumigen Anzug mit Röckchen probieren, in dem sie aussieht wie ein Nilpferd, das aus Disney’s Fantasieland entkommen ist – oder sie kann den ganzen Textilladen absuchen und sich bemühen, eine vernünftige Wahl zu treffen, aus dem Designerangebot von neonfarbigen Gummibändern.
Welche Wahl hatte ich also?
Ich schlenderte herum, traf meine vernünftige Wahl und betrat das Horrorkabinett genannt Anprobekabine.
Das erste was mir auffiel, war die aussergewöhnliche Festigkeit des Stretchmaterials. Ich glaube, das Lycra der Badeanzüge muss die NASA entwickelt habe, um damit kleine Raketen mit Schleudern abzuschiessen, was den zusätzlichen Vorteil hat, dass du, wenn du es geschafft hast, dich in ein solches Teil zu zwängen, auch vor Haiangriffen geschützt bist. Wenn nämlich der Hai beim Vorbeischwimmen nach deiner Taille schnappt, erleidet er sofort einen Peitschenschlag.
Ich kämpfte mich in den Badeanzug, aber als ich den Träger zurechtrückte, schnappte ich entsetzt nach Luft – mein Busen war verschwunden.
Endlich fand ich ihn unter meiner linken Achsel. Es dauerte einige Zeit, bis ich den zweiten fand. Schliesslich entdeckte ich ihn platt gedrückt neben meiner 7. Rippe.
Das Problem ist, dass moderne Badeanzüge keine BH Körbchen haben.
Die reife Frau soll wohl ihren Busen über ihrem Brustkorb ausgebreitet tragen, wie einen Stossdämpfer.
Ich richtete meinen Stossdämpfer und taumelte in Richtung Spiegel, um eine Ganzkörperansicht zu bekommen.
Der Badeanzug sass tadellos, aber nur an den Teilen von mir, die gewillt waren, drin zu bleiben. Der Rest von mir quoll rebellisch oben, unten und an der Seite heraus. Ich sah aus, wie ein Klumpen Knetmasse, in einem zu kleinen Stück Verpackungsfolie.
Als ich gerade herausfinden wollte, wo all diese Extrateile herkommen, steckte die pubertäre Verkäuferin ihren Kopf durch den Vorhang. „Ohh Sie sind’s!“ sagte sie und bewunderte den Anzug.
Ich erwiderte, dass ich nicht so sicher bin und fragte sie, was sie mir noch zeigen könne. Ich probierte noch so ein cremfarbiges knitteriges Stück an, in dem ich aussah wie ein Knäuel Abdeckfolie und einen geblümten Zweiteiler, der an eine überdimensionale Serviette mit Serviettenring erinnerte. Ich kämpfte mich in eine Leopardenhaut mit fransigen Rüschen und sah aus wie Tarzans Jane an einem schlechten Tag. Dann probierte ich noch ein schwarzes Modell, da sah ich wie eine trauernde Qualle aus. Dann probierte ich noch ein glänzendes Teil in Pink mit so hohen Beinausschnitten, dass ich dachte, ich müsste mir die Augenbrauen rasieren, wenn ich das tragen wollte.
Schliesslich fand ich doch noch einen passenden Anzug.
Einen Zweiteiler mit Hosen wie Shorts und einem Haltertop (?) Oberteil. Er war preiswert, bequem und rundungsfreundlich, also kaufte ich ihn.
Zu Hause las ich das Etikett:
Das Material kann im Wasser durchsichtig werden – ich werde ihn aber trotzdem tragen.
Ich muss nur noch Brustschwimmen im Sand lernen.
