Zug und Ballenberg

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Zug und Ballenberg

Beitrag von Johanna »

Geburtstagsfahrt 21.-23.4.18

Der Geburtstag der Tochter fiel auf einen Dienstag – eine Unmöglichkeit für dienstbare Geister sich in der Woche frei zu nehmen. Also beschlossen wir das Wochenende zu nutzen, unseren Geburtstagsgruß persönlich zu überbringen. Wir – Uwe und ich – fuhren am Sonnabend sehr zeitig los, waren am frühen Nachmittag in der Schweiz. Nach einer Pause in der mit einer leckeren kalten Platte unser Hunger gestillt wurde, fuhren wir nach Zug. Das Wetter spielte mit, Petrus hatte ein Einsehen und schickte uns strahlenden Sonnenschein, warme sommerliche Temperaturen. Wir durchstreiften die Zuger Altstadt, bestaunten die alten Häuser mit schönem Fachwerk, faszinierenden Malereien, wunderschönen schmiedeeisernen Gittern vor Türen und Fenstern. Ein Haus sah besonders lustig aus – das „Unterteil war so schief, krumm, rundlich gebaut, dass man den Eindruck hatte, das Haus würde einen Bauch vor sich herschieben. Schwangerschaft lässt grüssen, vielleicht war es auf Zuwachs ausgerichtet? Wir sahen viele Türme als wir über der Stadt bei einem Minigolfplatz eine Rast einlegten. Der Zuger See war gut besucht – Segelschiffe waren unterwegs und am Ufer flanierten die Menschen und genossen die wärmenden Sonnenstrahlen. Die grossen Blumenrabatten an der Uferpromenade verströmten durch die vielen Hyazinthen einen betörenden Duft, Kaiserkronen, tränendes Herz, Tulpen, Vergißmeinnicht – es war eine Pracht alles in voller Blüte zu sehen. Eine grosse Vogelvoliere – unterteilt in mehrere Abteilungen beinhaltete die unterschiedlichsten Vogelarten. An jedem Käfig waren Schilder mit Abbildungen und Erklärungen der Vogelarten. Kleine Kästen für Futterspenden waren in Abständen an den Gittern befestigt. Am Ufer ein kleiner Bau – hier führte eine Treppe hinunter bis unter die Wasseroberfläche. Unten waren die Wände aus Glas und man sollte eigentlich Fische und/oder andere Wassertiere im Zuger See beobachten können. Wir stiegen auch diese Treppe hinunter und sahen erst einmal:….. nichts….alles, das ganze Wasser im Randbereich des Sees war grün. Wahrscheinlich von Grünalgen die sich bei den sommerlichen Temperaturen explosionsartig vermehrt hatten.
Am Sonntag machten wir dann einen Ausflug nach Ballenberg
Ballenberg ist ein grosses Museumsareal, auf welchem von der gesamten Schweiz alte Häuser aufgebaut sind. Erklärungen wer die Häuser baute, wo sie zu finden waren, wann sie errichtet wurden und vor allen Dingen in welchem Kanton sie einmal standen. Vor jedem Haus war ein Ständer mit diesen Tafeln in den verschiedenen Sprachen aufgestellt, sodass man sich gut über das jeweilige Haus informieren konnte.
Dieses Freilichtmuseum feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen und bietet deshalb diverse kulturelle Veranstaltungen an. In manchen Häusern konnte man den Spezialisten beim Ausüben von alten handwerklichen Fähigkeiten zusehen. Weben, spinnen, schmieden die Produkte konnte man kaufen. Es gab ein Kleinbauernhaus mit einer Töpferei – hier konnte man Schalen, Tassen, Blumentöpfe erwerben – alles Handarbeit. Man konnte in anderen Häusern Käsespezialitäten oder Holzschnitzereien erwerben. In der Käserei probierten wir eingedickte Milch, die später zu Käse verarbeitet wurde. In der alten Drogerie gab es Tee, verschiedene Honigsorten, Salben und hausgefertigte Artikel. Für Kinder waren Spielplätze angelegt, ein Karussell – ein Kinderlabyrinth und was Kinder immer wieder fasziniert: Haustiere – Tiergarten - Tiere streicheln. Holztiere basteln war ebenso im Angebot. Es waren sehr viele Familien mit kleinen Kindern – auch mit Kinderwagen unterwegs.
Im Haus des Frisörs sah man in einem Zimmer die Haarmode des vorigen Jahrhunderts. Perücken mit den diversen Frisuren – Schmalzlocke der Elviszeit, Bubikopf aus den zwanziger Jahren, Flechtfrisuren usw. Zusätzlich war in diesem Haus der Zahnarzt untergebracht. Alte „Folterinstrumente“ die damals zum reparieren, ziehen oder bohren bei den verschiedenen Zahnbeschwerden benutzt wurden konnte man betrachten und sich vorstellen, wie schrecklich die Schmerzen gewesen sein mussten, die durch so eine Behandlung zusätzlich auszuhalten waren. In einem Haus war ein Totenzimmer eingerichtet. Ein Raum in welchem der/die Verblichene aufgebahrt war – es war Tradition Alte und Kranke in der Familie zu pflegen bis zu ihrem Ableben, sie dann aufzubahren um im Haus von ihm/ihr Abschied zu nehmen.
Die Pflanzen, Blumen in den diversen Gärten waren weit aufgeblüht – schossen durch die Wärme förmlich aus dem Boden. Tränendes Herz – auch hier schon in voller Blüte – kleine Felder mit Weizen, Urkorn oder Hafer, Abhänge mit einem Teil Weinreben um die mühsame Arbeit am Weinberg zu verdeutlichen. Obstbäume spaliermässig an Hauswänden hochgezogen waren ein herrlicher Blickfang.
Großmutters Waschzuber, Waschkessel, Waschbrett erinnerte mich an meine Zeit als junge Frau, weil ich diese Dinge auch noch benutzt habe. Genauso wie die Einweckgläser, die im Sommer mit Gemüse und Obst gefüllt und im Winter verbraucht wurden. Apfelhorden, Kartoffelkisten – alles Gegenstände, die auch ich noch viele Jahre im Gebrauch hatte.
Die Sicht auf die Berge, Gleitschirmflieger die am Himmel ihre Kreise zogen, die Stille trotz der vielen Besucher – es waren sehr friedliche Stunden.
Für Fußmüde Besucher stand eine Pferdekutsche zur Verfügung. Überall luden in Abständen Bänke zum Verweilen ein. Auch Grillplätze gab es in ausreichender Anzahl. Was mich am meisten faszinierte, war die Sauberkeit – es lagen keine Zigarettenkippen oder sonstiger Unrat auf den Wegen. Trotz der vielen Menschen die auch mit Hunden unterwegs waren, es gab keine „Bomben“. Die Hinterlassenschaften wurden von den Hundebesitzern mit Tüten aufgesammelt und in den entsprechenden Behältern entsorgt. Vorbildlich!
Wir durchstreiften vom Jura über das Zentrale Mittelland, das Berner Mittelland – die Westschweiz oder das östliche Mittelland bis zur Zentralschweiz alle möglichen Regionen. Die Häuser sahen sich sehr ähnlich, nur an kleinen Dingen bemerkte man Unterschiede. Und mir fiel auf, dass nicht in jeder Bauernstube oder jedem Schlafgemach eine Wiege stand. Ausserdem müssen die Menschen nicht sehr gross gewesen sein, was man an den kleinen, schmalen Alkovenbetten deutlich sehen konnte.
Kachelöfen mit Sitzbank verbreiteten Gemütlichkeit. Auch in den Küchen war alles vorhanden, was man zum Leben brauchte. Praktisch, nützlich ohne viel Technik war trotzdem die Einrichtung dem damaligen Leben angepasst und könnte auch heutzutage noch benutzt werden. Brandöfen für Köhler – Holzkohle, Harzbrennofen - es gab Anschauungsmaterial für die hölzernen Dachschindeln. Wir machten während der Besichtigung eine Pause in einem Gasthaus. Am Ein- bzw. Ausgang Ost stand eine kleine Kapelle. In dieser Kapelle war kein Kruzifix, sondern eine Marienstatue aus dem 18. Jahrhundert. Ein sehr interessantes Freilichtmuseum. Am späten Nachmittag kehrten wir nach Hause zurück und beschlossen den Tag mit einem hervorragenden Essen in einem Lokal.
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