Jetzt hab ich aber die Schnauze voll.....

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
Antworten
Benutzeravatar
Johanna
Beiträge: 4343
Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
Wohnort: Nordhessen

Jetzt hab ich aber die Schnauze voll.....

Beitrag von Johanna »

Freitag abend…..in der Zeitung stand ein Artikel über eine Vernissage. Veranstaltet wurde sie vom Kunstverein Eschwege – der Künstler, Gerd Dengler sagte mir nichts. Aber egal – man kann es sich ja mal ansehen und vor allen Dingen – der Künstler sollte lt. Zeitung anwesend sein.

Wir kamen am Hochzeitshaus an – hier war im Innenhof helle Beleuchtung und einige Personen standen herum, erzählten, begrüssten sich. Sie waren elegant gekleidet und ich kam mir gleich wieder underdressed vor. Der Künstler selbst hatte als einziger einen schwarzen Hut auf dem Kopf – wahrscheinlich auch eine Repliq von Beuys.

An den Wänden hingen grosse Bilder – wie wir dann erfuhren: nicht gemalt, sondern mit einer anderen Technik hergestellt. Es waren Drucke hinter Glas auf besonderem Papier. Die Motive – für mich einfach nur naive Malerei und Uwe meinte: „so etwas kann ich mir auch aufhängen und dann behaupten es wäre von mir – mit der Technik der Ravensburger: Malen nach Zahlen“.
Mein Lachen wurde sicherlich nicht gerade wohlwollend von anderen Besuchern aufgenommen. Die Meisten waren ein wenig ernst, taten wichtig – begrüssten sich mit Handschlag und Umarmung.

Uwe meinte noch dass dies bestimmt die Unternehmer der Stadt Eschwege wären – da wurde er schon von einem Mitglied des Kunstvereins angesprochen:“Du hier? Das hätte ich jetzt aber nicht vermutet“. Die Neugier stand in seinen Augen als er mich musterte – aber ich befriedigte seinen Wissensdurst nicht. Dieses Mitglied stellte sich auch als Künstler dar, hatte auch schon in Eschwege Ausstellungen mit Gemälden.

Uwe und ich entschieden uns, sämtliche Bilder genau in Augenschein zu nehmen. Nicht nur im Erdgeschoss – auch auf der Empore hingen kleinere Bilder, die wir uns genauestens ansahen. Drucke - wie bereits gesagt und jedes Bild war einem anderen grossen Künstler gewidmet. Für das Bild in dem eine kleine Sonnenblume maßgebend war wurde der Gruß für Vincent darunter gesetzt. Andere Bilder wurden anderen grossen Kollegen „gewidmet“. Magritte z.B. bekam eine „Pfeife“ die dieser einst selbst einmal malte. - Nein, für mich waren das keine grossen Kunstwerke, keine eigene Ideen etwas künstlerisch umzusetzen – aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.

In einer Ecke stand ein Keyboard ein zweiter Mann spielte Saxophon und ein anderer stand vor dem Mikrofon und sang. Die Musik war schmissig und beim hochschauen zur Balustrade sah ich einen Künstlertypen mit langem zotteligen Haar, der im Takt von einem Bild zum anderen tänzelte und diese betrachtete. Ein anderes älteres Paar stand nach dem Rundgang oben an der Balustrade und schaute sich alles von oben an. Der Mann hatte einen Vollbart wie ein Weihnachtsmann und hielt auch einen kleinen Beutel wie einen Sack voller Geschenke in der Hand. Die Mütze tat ein übriges um diesen Eindruck noch zu verstärken. Dies waren bestimmt auch keine geladenen Gäste.


Jedes Bild wurde von einem Strahler hell beleuchtet. An einer Wand, hing kein Bild obwohl die Wand hier auch beleuchtet wurde – Uwe meinte, er würde dort gerne das Wörtchen „verkauft“ auf die Wand schreiben – dann wäre die Lücke wenigstens sinnvoll gefüllt. Wir nahmen in der letzten Reihe Platz - direkt neben dem Künstlerkollegen der sich gewundert hatte, dass Uwe ebenfalls unter den Gästen war, denn es waren in der Hauptsache nur geladene Gäste vertreten. Und dann blickten wir nach oben zu den kleineren Bildern und sahen ein Bild welches total gewellt hinter Glas eingespannt war – kein schöner Anblick.
Gerd Dengler hatte an diesem Tag seinen 79. Geburtstag. Die Reden die dann zu Ehren des geladenen Künstler gehalten wurden waren zuerst ziemlich kurz und ihm wurde ein Eschweger Präsentkorb (natürlich mit „Ahler Wurscht“) überreicht.

Dann trat ein Professor an das Rednerpult und fing mit seiner Hommage auf den Künstler und seine Bilder an. Verhaspelte sich des öfteren, wusste manchmal nicht wo das von ihm besprochene Bild im Katalog zu finden war usw. Am Anfang kam des öfteren das französische Wort „Santé“ und später wurden dann die Augenmerke auf die Worte:„Rose, Rose, Rose“ gelegt. Wie wir zum Schluss in einem der Kataloge nachlesen konnten nahm hier der Redner Bezug auf die unterschiedlichen Schaffensperioden des Künstlers. Die Rede wurde kompliziert, lang und länger. Die Stimme monoton. Ich beobachtete die Leute auf der anderen Seite und sah Verschiedene, die gelangweilt zu Boden blickten – nicht nur ein Besucher schien zu dösen.
Uwes Nachbar, der Künstlerkollege stupste auf einmal Uwe an und meinte ziemlich laut: „Jetzt hab ich aber die Schnauze voll, ich gehe jetzt“. Stand auf und verliess den Innenhof. Als die Aussentür hinter ihm ziemlich laut ins Schloss fiel, sah ich zufällig wie auf der anderen Seite der Stuhlreihen ein Herr förmlich hoch schreckte – er wurde wohl aus seinem „dösen“ in die Wirklichkeit zurück gerissen. Einige Personen drehten sich um – nun ja gutes Benehmen sieht anders aus, bzw. hört sich anders an.

Nachdem die lobenden Worte des Redners geendet hatten wurde geklatscht – die Höflichkeit erfordert das in meinen Augen – obwohl ich bemerkte, dass einige es damit wirklich ehrlich meinten. Wir gingen nach vorne und sahen auf einem kleinen Tisch 2 dünne Kataloge liegen. Wir nahmen sie auf blätterten darin und dann sah ich wie einer der Besucher sich ein Blatt von einem Stapel nahm auf welchem die ausgestellten Bilder aufgelistet waren. Ich griff auch hier zu. Am Ende standen dann die Preise – für mich utopisch: pro grosses Bild 4.500,-€ meiner Meinung nach absolut zu viel. Und als ich später diese Liste noch einmal zu Hause in die Hand nahm und genauer studierte sah ich dass jeder kleine Katalog mit Kosten von 20,- € angegeben war.
Nunja man wird mich deswegen auch nicht gleich verhaften, weil ich mir diese Kataloge kostenlos aneignete……

Auf dem zweiten kleinen Tisch hatte der Kunstverein Sekt und Gläser, Knabberzeug aufgebaut – aber da wir beide, Uwe und ich, sowieso keine Sekttrinker sind haben wir uns dezent verabschiedet, schlenderten noch über den Stad, den Marktplatz und bedauerten die Geschäftsinhaber, die sich solche Mühe gaben an diesem verkaufsoffenen Freitag ihre Geschäfte und Waren zu präsentieren.
Kaum ein Besucher der Innenstadt war in den Läden zu sehen – kriegen die Eschweger hier kein Bein auf den Boden oder ist ihnen das Latschenkino wichtiger wie in der Innenstadt einmal am Abend „eine Runde“ zu drehen?

Am Stad standen Schotten in ihrer Tracht und spielten ihre Musik – gegenüber vom Rathaus eine Gruppe junger Leute – wahrscheinlich von der Musikschule die ihre Instrumente gekonnt präsentierten – schmissige Musik, wunderschön dargeboten. Aber bereits in der Höhe vom Rathaus war gar nichts mehr los – kein Besucher, Niemand der sich Auslagen anschaute oder Interesse bezeugte. Und wir fragten uns während wir zum Auto zurück gingen ob der Händler mit dem grossen Süßigkeitenstand an diesem Abend wohl auf seine Kosten gekommen ist. Ein Bratwurststand hatte bereits geschlossen – so wenig war in der Innenstadt los…...
Antworten

Zurück zu „ReiseBerichte“