Zwei Gegensätze

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Zwei Gegensätze

Beitrag von Johanna »

die Grimmwelt – eine Enttäuschung

ein klotziges Gebäude – so der erste Eindruck. Glas – Beton – futuristisch – eine Aussentreppe die auf eine Aussichtsplattform führt. Der Eingang – die Eingangshalle, man meint in einem Flughafengebäude in der Wartehalle zu sein. Kalt und unpersönlich. Wir erstehen eine Eintrittskarte und erhalten einen Flyer mit Hinweisen für einen Museumsrundgang.
Der Beginn bei dem Buchstaben Z wie Zettelwirtschaft. An der Wand neben dem Museumseingang Zettel aufgespiesst – dicht an dicht. Eine Sammlung von Ideen, Notizen, Gedankensplitter, alles fein säuberlich auf Zetteln festgehalten.
Als nächstes der Raum mit dem Buchstaben F
Grund: dieser Buchstabe war der letzte, den Jacob Grimm vor seinem Tod für das Wörterbuch bearbeitete. Auch die weiteren Abteilungen sind jeweils mit Buchstaben ausgewiesen.
Im Allgemeinen sind die Gebrüder Grimm für die Sammlung von Märchen – Hausmärchen – bekannt. Deswegen stellt man sich die Grimmwelt auch als kleine Puppenstube vor – so auch ich. Doch weit gefehlt. In diesem Museum haben die Wörterbücher und Wortsammlungen der Gebrüder Grimm ein weit wesentlich grösseres Gewicht.
Die diversen Druckausführungen sind ausgestellt – nicht nur von den Hausmärchen, auch von den Wörterbüchern.
Eine Abteilung zeigt Alltagsgegenstände aus dem Hause Grimm. Schrank, Bett, Kinderbettchen und kleinere Haushaltsgegenstände oder Gebrauchsgegenstände.
Die Märchenabteilung zeigt u.a. einen Dornenwald. Dieser Dornenwald besteht aus senkrecht stehenden Rollen, die mit grünem borstenähnlichem Material ummantelt sind. Gleich den Waschbürsten in einer Autowaschanlage. Hier sind runde rote Lautsprecher in unterschiedlichen Höhen angebracht. Tritt man näher und lauscht, hört man die verschiedenen Märchen, wie Rapunzel, Dornröschen, Schneewittchen und andere.

Jacob und Wilhelm Grimm liessen sich öfters porträtieren, so dass sie gewiss sein konnten, der Nachwelt erhalten zu bleiben.

Oben auf dem Gebäude ist über die ganze Länge und Breite eine Dachterrasse angelegt. Man hat von dort oben eine sehr schöne Sicht auf die Stadt Kassel. Aber im Sommer möchte ich gar nicht auf diese Terrasse steigen. Keine einzige Pflanze im Kübel, kein Baum – keine Vorrichtung als Halterung für Sonnenschirme. Hier knallt die Sonne an schönen Sommertagen unbarmherzig auf die Besucher nieder. Die Mauern – die Steinplatten speichern die Hitze und geben sie auch wieder ab.
Alles in allem war dieses Museum für mich eine Enttäuschung und ich überlege wie viel dieser Bau wohl gekostet haben mag. Groß pompös und kalt – sehr modern …. zu modern.


Die Gemäldegalerie ein Augenschmaus

Dafür war die Gemäldegalerie Alte Meister auf Schloss Wilhelmshöhe ganz nach meinem Geschmack.

Wir fingen mit der Besichtigung im dritten Stock an – flämische und holländische Meister wie Rubens, van Dyck oder aber Brueghel und als bekanntesten Rembrand van Rijn.
Rubens mit seinen voluminösen Frauenfiguren – das Porträt der Saskia von Rembrandt mit Licht und Schattenspiel – sein unnachahmlicher Malstil und fast so bekannt wie der goldene Helm.
Brueghel mit Landschaftsbildern – wunderschön und kostbar. Welche Werte werden hier gezeigt – und so wenig Besucher!

In der zweiten Etage altniederländische, flämische und holländische Meister.
Jan Steens Bild „das Fest des Bohnenkönigs“ lässt sich bis 1736 zurück verfolgen. Der Privatsammler Röver hinterliess seiner Witwe beachtliches. 64 Gemälde fanden so den Weg in die Kassler Sammlung. Darunter waren 8 Rembrandts, drei von Paulus Potter und sechs von Wouwermann. Von dieser Sammlung sind heute nur noch 37 Gemälde vorhanden.

In der ersten Etage sind Altdeutsche, italienische französische und spanische Meister ausgestellt.
Eine Sonderausstellung in der ersten Etage zeigte Bilder von Tischbein. Sein bekanntestes Gemälde ist Goethe in der Campagna, welches hier aber leider nicht ausgestellt werden konnte. Das Porträt seiner Tochter Wilhelmine welches über den Sammler Fiorino den Weg in die Gemäldegalerie fand.

Wir unterhielten uns mit zwei Damen des Aufsichtspersonals. Alle ausgestellten Bilder, die bei der Beschreibung daneben Originalität aufweisen, sind geprüft und echte Meisterwerke. Leider können aus Mangel an Platz nicht alle Schätze des Museums gezeigt werden. Die Kosten der Erhaltung sind immens.
Tintoretto als bekanntester Maler, neben Bassano der mit einem Bildnis eines venezianischen Senators ausgestellt ist sind noch andere, unbekanntere Meister in Kassel zu bewundern. Von adligen Herrschaften waren grosse Porträts – die sicher in Schlössern die Wände in früheren Zeiten zierten. Und dann gab es das berühmte Lutherbild zu sehen nebst der Dame, die man früher sehr oft in Händen hatte – auf einem 20,- DM-Schein. (A. v. Droste-Hülshoff)
Zum Abschluss setzten wir uns in die Museumscafeteria und genehmigten uns ein Stück Schokoladentorte nebst Kaffee.
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Ivi
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Re: Zwei Gegensätze

Beitrag von Ivi »

Liebe Johanna, auch wenn ich nicht jeden Erlebnisbericht kommentiere (und zugegeben auch nicht immer dazu komme jeden (gleich) zu lesen), möchte ich dir doch einmal ganz herzlichen Dank für deine Berichte sagen. Sie lesen sich immer sehr erfrischend und sind sehr kurzweilig. :127:
Vor dem Wunder steht der Glaube!
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Johanna
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Re: Zwei Gegensätze

Beitrag von Johanna »

Liebe Ivi, lies wann Du zeit hast - und immer kommentieren musst Du auch nicht. Ich freue mich sehr wenn es Dir gefällt!
Bei diesen beiden berichten ist mir das Schreiben sehr schwer gefallen - weil die Grimmwelt wirklich sehr enttäuschend für mich war.
Und mein Unfall mit dem grossen Zeh auf dem Barfußpfad wartet auch noch auf die Beschreibung ....*lol*
Humpeljohanna lässt grüssen!
Stierfrau
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Re: Zwei Gegensätze

Beitrag von Stierfrau »

Auch ich habe Deinen Bericht gelesen und bin beigeistert. Ich war vor vielen Jahren im Alten Grimm-Haus und das war es gemütlich und hat mir sehr gefallen. Nun scheint das Moderne gewollt zu sein, was für mich auch enttäuschend wäre.

Sollte ich einmal nach Kassel kommen, werde ich sofort in die Gemäldegalerie gehen. Danke für Deinen Bericht!!!!
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