die Frau mit dem Besen weiss das.....

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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die Frau mit dem Besen weiss das.....

Beitrag von Johanna »

und das Durchstreifen von „Jochens Ex-revier“

Sonntag nachmittag – wir hatten etwas Zeit bis zum abendlichen grillen. Der Bibelgarten St. Crucis wird im Kurtheater vor jedem Film beworben. Den suchen wir. Aber erst stöbern wir in „Jochens“ ehemaligem Revier herum. Hier soll ein jüdischer Friedhof sein – wie ich darauf kam so etwas zu suchen? Ich weiss es nicht, irgendein nichtiger Anlass wird es wohl gewesen sein. Dieser jüdische Friedhof soll irgendwo am Waldesrand ganz versteckt liegen, aber Uwe kennt den Weg und ich bin sehr neugierig. In Kattowitz habe ich vor vielen Jahren während einer Reise ins dortige Kohlenbergbaugebiet einen jüdischen Friedhof besucht. Die Gräber waren sehr gepflegt, obwohl keine Angehörigen mehr lebten. Die Stadt fühlte sich verpflichtet dafür zu sorgen dieses Andenken zu bewahren. Diese Auskunft erhielt ich auf meine damaligen Fragen.
Auch hier ist das Gelände sehr gepflegt – das Gras gemäht – ein ziemlich grosses Stück mitten im Wald. Abgesperrt durch einen Zaun, am hölzernen Tor welches man über ein paar Treppenstufen erreicht zwei Schilder. Feiertage im jüdischen Leben und der Hinweis auf Öffnungszeiten und wo man den Schlüssel für das Türchen bekommt. Auf dem Gelände stehen nur noch die Steine mit den manchmal noch schwer lesbaren hebräischen Inschriften. In mehr oder weniger grossem Abstand zueinander. Friedlich ist es hier – Stille, kein Lärm, nichts ist zu hören und auch die Hitze hindert die Vögel daran zu zwitschern oder ihre Rufe laut erklingen zu lassen.
Wir fahren weiter. Bad Sooden-Allendorf ist das Ziel. Mein Smartphone kann mir nichts anzeigen – wir sind in einem Funkloch. Also bleibt uns nichts anderes übrig als die dortigen Kirchen anzufahren. In Bad Sooden fährt Uwe zuerst zur dortigen Kirche – kein Garten – kleine Gassen – keine Möglichkeit zu parken und auch kein Garten in Sicht. Also weiter durch das Kur- und Hotelviertel der Stadt. An einem Grundstück kehrt eine Frau, bewaffnet mit Schaufel und Besen das Begrenzungsmäuerchen ihres Grundstücks. Uwe meinte, dass es früher ja schon mal geklappt hat, Bewohner die einen Besen in der Hand halten nach dem Weg zu fragen. So hält er das Auto an und fragt:“ Wie kommen wir hier zum Bibelgarten?“ Die Frau dreht sich um, überlegt kurz und erklärt uns wohin wir fahren müssen. Allendorf – der Marktplatz- daran vorbei und gerade aus weiter. Man fährt direkt darauf zu. Was ist los in Allendorf? Jede Strasse zugeparkt – voll mit Autos, Geschäfte teilweise geöffnet – die Stühle der Kaffes und vor den Restaurants sind gut besetzt. Nur alles wegen Sonntag und Sonnenschein? Wir erreichen die Kirche und belegen gleich einen Parkplatz direkt davor im abgeteilten Kirchenareal. Ein Schild weist nach rechts zum Bibelgarten aber zuerst betreten wir die Kirche. Im Vorraum eine alte, reicht geschnitzte und stabile Treppe die nach oben führt. Eine Glocke hängt an der gegenüberliegenden Seite herab – Ein Tischchen belegt mit Prospekten und einem Gästebuch ist vorhanden – ebenso ein Schrankregal. Wir treten durch die nächste Tür und man sieht einen weiteren kurzen Gang von dem Türen rechts und links abgehen. An der gegenüberliegenden Seite eine offene Glastür – dahinter ein Café.
Kirche und Café? Tolle Idee um ein Gotteshaus zu füllen. Denn dieses Café ist von der Kirche durch Glaswände und eine Tür abgeteilt. Der Kirchenraum ist dadurch immer noch gross genug. Das Kirchencafé Himmelspforte ist neben dem Bibelgarten der ideale Platz um Ruhe zu finden, ein Buch zu lesen, die Düfte der Pflanzen zu erschnuppern oder auch die Gedanken schweifen zu lassen. Wir starten einen kurzen Rundgang durch den Garten. Diese Vielfalt an Pflanzen, alles ausführlich beschriftet – mit viel Engagement dargeboten. Eine alte hölzerne Maschine zur Bodenbearbeitung, Besen, Rechen, Heugabel und Egge nebst Spaten auf einem Gartenstück drapiert. Kletterwände für Rosen und Clematis und andere rankende Pflanzen. Dinkel neben anderen Getreidesorten – es gibt auf jedem Fleckchen Erde immer wieder ein anderes Gewächs. Dazwischen Ruhebänke aller Art. Und auch hier Tische und Stühle mit schattenspendenden Sonnenschirmen die von vielen Besuchern belegt sind. Die Sonne brennt – wir gehen zurück in das Kirchengebäude, um uns die Andachtsräume anzuschauen.Sehr schlicht gehalten, ein Beichtstuhl auf der einen Seite – ein paar Schritte weiter der Aufgang zu einer Kanzel.
Die Kanzel als einziges Prunkstück des Kirchensaales. Reich verziert mit geschnitzten Ornamenten in unterschiedlich gefärbten Hölzern. Am Kanzelaufgang halten Männerköpfe Säulen des Geländers auf dem Kopf. Und dann drehe ich mich um, schaue hoch zur Empore über dem Eingang und sehe etwas sehr ungewöhnliches.
Eine neue Orgel, Pfeifen die auch rechts und links separat an den Wänden stehen.
Die Orgel sieht wie ein grosses Gitter aus – so stellt man sich ein Hochhaus mit vielen Fenstern vor, wenn man es aus großer Entfernung sieht. Das Holzgitter vor der Orgel ist luftig, leicht mit Streben gebaut. Gitterförmig wie vor einem Hochsicherheitstrakt.
Diese „Queen an der Werra“ ist ein Zusammenspiel von englischer Orgelbaukunst der Vergangenheit und deutscher Orgelbaukunst der Gegenwart. Sie besitzt 61 Register, hat 3.547 Pfeifen die sich auf 3 Manuale und Pedal verteilen. Es ist die grösste Kirchenorgel der englischen Romantik auf dem europäischen Festland.
Die Summe der Kosten die auf die Gemeinde fällt ist enorm und muss mit Spenden, Eintrittsgeldern für Konzerte oder aber auch Einkünften von Verkauf einer CD Reihe (das Barockensemble an St. Crucis) erbracht werden. Man sucht auch Paten für die diversen Pfeifen. Und an Kleinigkeiten sieht man, dass es heute hier noch ein Orgelkonzert geben wird. Bankreihen, die mit Zahlen gekennzeichnet sind – die letzten Bankreihen sind mit einem Zettel „freie Sitzplatzwahl“ gekennzeichnet.
Neben dem Hauptschiff eine hölzerne Tür die zum Raum der Stille führt. Hier herrscht eine eigentümliche Stimmung. Holzbänke bestückt mit weissen zusammengelegten Tüchern – am Kopfende des Raumes ein schlichtes Kreuz.
Jetzt müsste hier nur der Musiker mit seinem Instrument „Hang“ anwesend sein, dann wäre alles perfekt! Besinnlich, feierlich und ruhig, trotzdem erfüllt mir den Tönen dieses Instruments…..
Wir gönnen uns im Café ein Stück Torte und eine heisse Schokolade bzw. einen Cappucchino, dann fahren wir zurück um die Kühle in Uwes Haus zu geniessen.
Stierfrau
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Re: die Frau mit dem Besen weiss das.....

Beitrag von Stierfrau »

Das ist ein netter Bericht.
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