Braunkohleförderung für....

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Braunkohleförderung für....

Beitrag von Johanna »

…...energiehungrige Bevölkerung

Wir entschieden uns sehr spontan für eine Besichtigungstour des Braunkohletagebaus und des Kraftwerks in Welzow. Angeboten wurde am 12.12. vom Excursio Besucherzentrum eine 5 stündige Führung plus Kraftwerkbesichtigung. Bedingung war angemessene Kleidung und festes Schuhwerk. Fotos durften für den persönlichen Gebrauch gemacht werden – aber nicht zur Veröffentlichung in den Medien.

Durchgeführt wurde das Ganze mit einem grossen Kraftwagen – hochbeinig, ausgelegt für ca 20 Personen, beheizbar, die Räder fast grösser wie ich selbst. Naja ich bin ja auch nicht gerade ein Riese.
Nach der morgendlichen Begrüssung und Vorstellung des „Reiseleiters“ wurden wir mit den Sicherheitsvorschriften und dem Ablauf der Fahrt bekannt gemacht. Wegen der Versicherung mussten wir alle unsere Namen und Anschriften auf einen vorbereiteten Zettel schreiben und unterschreiben. Insgesamt waren wir 12 Personen. 10 Besucher kamen als Gruppe von einer landwirtschaftlichen Agrargenossenschaft.
Wir stiegen in den Wagen – die Treppe fuhr sich automatisch aus – zwei Stufen mit je einem Rost. Erst dann begannen die eigentlichen Stufen in das Auto hinein. Zwei Roste? Später war mir klar warum das so war. Beim ersten Halt brauchten wir noch keinen Helm aufzusetzen. Die Helme hatten Einheitsgrösse und ich konnte schon wegen dem kalten Wind meine Pudelmütze darunter aufbehalten.
Zu den allgemeinen Informationen : Die Lausitz im Süden von Brandenburg ist das zweitgrößte Braunkohlerevier von Deutschland. Braunkohle wurde in dieser Region bereits um 1860 gewonnen – damals vor allem als Brennstoff für die aufkommenden Dampfmaschinen in den Textilfabriken und für die Eisenbahn. Die ergiebigen Vorkommen begründeten Mitte des 20. Jahrhunderts den Aufschluss des Tagebaus Welzow-Süd und den Aufbau des einst grössten Zentrums für Braunkohleveredlung Europas in „Schwarze Pumpe“.

Die Braunkohle ist ein wichtiger Eckpfeiler der deutschen Stromversorgung. Jede zehnte Kilowattstunde die in Deutschland verbraucht wird, produzieren die Kraftwerke der Lausitz Energie Kraftwerke AG in Brandenburg und Sachsen. Für die Versorgung der Lausitzer Kraftwerke und der Schwarzen Pumpe werden die Tagebaue Jänschwalde, Welzow-Süd, Nochten und Reichwalde betrieben. Aus dem 2015 planmässig beendeten Tagebau Cottbus-Nord entsteht in den kommenden Jahren der Cottbuser „Ostsee“.
Der Heizwert der Rohbraunkohle ist 9000 Kilojoule pro Kilogramm
der Wassergehalt beläuft sich auf 55% und der Aschegehalt auf 6%.
Das Deckgebirge über der Kohle ist 80 Meter mächtig. Der zweite Flöz 14,5 Meter mächtig.
Die Bergleute glaubten früher dass die Schätze der Erde vom Himmel gefallen wären. Nur der Teufel hätte dies alles mit Erde bedeckt. Und der Liedermacher Gundermann schrieb als Sprachrohr für die Menschen im Braunkohletagebau nicht nur den Song „Wer hat ein helles Licht bei der Nacht“.

Wenn man sich die Umgebung vom ersten Aussichtspunkt ansieht dann meint man eine Kraterlandschaft auf dem Mond vor sich zu haben.
Das Gebiet welches abgebaut wird muss man durch geeignete Maßnahme versuchen so trocken wie möglich zu halten. Gegen das Grundwasser sind rings um diesen Tagebau ca. 716 Wasserpumpen tief in den Boden eingelassen. Zusätzlich ist ringsherum der Boden abgedichtet. Es wurden „Schlitze“ in die Erde gegraben und dies mit wasserundurchlässigem Material (Ton) aufgefüllt.
Mit bis zu 120 Metern Tiefe und über 10 Kilometern Länge wird dies das grösste Dichtwandbauwerk der Welt. Sechs Kilometer sind davon bereits fertig gestellt.

Wir näherten uns dem eigentlichen Abbaugebiet. Von weitem sahen wir bereits die riesigen Maschinen, Bagger und Brücken, Gleise für die Maschinen, Schienenfahrzeuge welche die Gleise für die grossen Bagger verschieben. Die Gleise werden wie bewegliche dicke Gummibänder angehoben und versetzt, sodass der Abbau kontinuierlich fortgesetzt werden kann.

Der zweite Halt war noch weit vor dem eigentlichen Flöz, hier wurden uns einige Details erklärt. Wir fuhren weiter bis in die Grube hinunter. Wobei man sich die Grube nicht wie ein tiefes Loch vorstellen sollte, sondern eher wie ein tiefergelegtes Stockwerk in einem grossen Landabschnitt.

Sande, Kiese und Tone sind als Abraum über der Braunkohle. Diese Erden werden teilweise gesondert deponiert. Diesen Abraum befördern 2,5 Meter breite Bandanlagen auf die bereits ausgekohlte Seite des Tagebaus. Das Freilegen der Braunkohle übernimmt eine Abraumförderbrücke. Sie besteht aus zwei Eimerkettenbaggern und einer über 500 Meter langen Bandbrücke. Dies ermöglicht es den Abraum in einem Arbeitsschritt zu fördern, auf kurzem Weg über die Kohlegrube zu transportieren und zu verkippen. Jährlich werden hier 20 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert.
In dem hiesigen Braunkohletagebau ist die Braunkohle bis zu 15 Meter mächtig. D.h. so hoch wie ein fünfstöckiges Gebäude. Zwei Schaufelradbagger und drei Eimerkettenbagger bauen den Rohstoff ab. Unterschiedliche Kohlequalitäten werden selektiv gewonnen über die Bandanlage transportiert und im Eisenbahnvertrieb verladen. Hauptabnehmer ist das Kraftwerk „Schwarze Pumpe“ sowie das Kraftwerk in Jänschwalde. Wir stiegen aus – die Kohle ist sehr feucht, wir durften uns Stücke davon mitnehmen – ganz nah an der Abbausteilwand lagen Kohlestücke. Jetzt machte der Helm und auch das feste Schuhwerk Sinn. Denn als wir wieder in den Wagen einstiegen konnten wir an den Rosten unsere Schuhe notdürftig von der klebrigen schwarzen Erde befreien.

Nach dem „Besuch“ und der Besichtigung des Riesenbaggers mit seinen zwei Bagger“gehilfen“ machten wir eine Pause in einer Hütte. Hier wurde ein Imbiss gereicht. Suppe (bei der Kälte sehr angenehm) belegte Brötchen, Kuchen, Mandarinen und Getränke – Kaffee, Limonaden, Wasser.

Informationstafeln über räumliche Teilabschnitte mit der bisherigen Förderung, Betriebsflächen usw. gaben weitere interessante Einblicke.
1959 war der Beginn der Entwässerung, 1962 Anfang der Aufschlussbaggerung, 1966 die erste Kohleförderung. Erst 1972 war die Inbetriebnahme der Abraumförderbrücke (AFB) und 2011 der Rückbau Zubringer AFB und 3. Brückenbagger. 2012 war dann die Umstellung des Brücken- und Grubenbetriebes in das Teilfeld Süd .
Es war hier auch eine Gedenktafel für die Ortschaft Wolkenberg zu sehen. Wolkenberg (gegründet um 1350) ein Ort der wegen dem Tagebau umgesetzt werden musste. Es ist nicht einfach die Heimat aufzugeben und an anderer Stelle wieder neu anzufangen, selbst wenn man dafür entschädigt wird. Die Tafel erzählt die Geschichte des Ortes vom 13. Jahrhundert bis 1995.

In den Jahren 2008 und 2009 haben Bergleute mit 30 Metern Höhe den fünfthöchsten Berg Brandenburgs an der alten Ortslage Wolkenberg entstehen lassen. Einige prägnante Elemente wurden ausgewählt um einen Wiedererkennungswert zu schaffen. So kehrt die alte Friedenseiche die nach dem ersten Weltkrieg gepflanzt wurde wieder zurück und wird Besuchern Schatten spenden.

Nach dem Abbau der Braunkohle kam die Wiedernutzbarmachung der Flächen . Die Rekultivierung mit Kiefern, Birken, Stgräuchern, andere Gehölze. Nisthilfen für Vögel – ausgebrachte Findlinge und Steinhaufen, Totholzgruppierungen wurden angelegt. Ausserdem entstanden durch Forschung und anschliessende Auspflanzung Weinberge – insgesamt wurden ca 26000 Rebstöcke auf dem Südhang des Wolkenbergs im Tagebau Welzow-Süd gepflanzt. Die Gestaltung in diesen Gebieten, die mehrere Seen umfasst begründet neuen Lebensraum für viele Tierarten und Pflanzen. Es ist ein richtiges Paradies für die Tierwelt entstanden – Wasserkäfer, Libellen, Amphibiebarten fühlen sich hier heimisch. 2014 konnten bereits mehr als 200 Pflanzenarten nachgewiesen werden. Nicht nur Seeadler oder Roter Milan lassen sich auf einem eigens dafür eingerichteten Lehrpfad beobachten. Acht Stationen informieren über die oft seltenen Vogelarten, die hier neue Lebensräume entdeckten. Von den ca 200 Artennachweisen gibt es in dem Gebiet 90 Brutvorgelarten. Der Wiedehopf ist das Leitsymbol des Lehrpfades.

Am 13. Mai 2016 besetzten mehr als 1.600 Menschen unter dem Motto „Ende Gelände“ das Tagebaugelände und blockierten die Kohleförderung. Da frage ich mich schon wo diese Menschen ihr Hirn haben – Energie wird immer mehr gebraucht – Energiemengen die allein von Windkraftanlagen und Solarparks kaum geliefert werden können. Was wird sein, wenn wir keine fossilen Brennstoffe mehr haben, die uns Energie liefern können? Hier ist bei der Lausitzer Seenplatte ein Paradies nicht nur für Tiere, auch für erholungsuchende Menschen entstanden und das durch den Tagebau…..Renaturalisierung nennt sich das.
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