Einmal Äquator und zurück

 

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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Einmal Äquator und zurück

Beitrag von Johanna »

Das Gewächshaus für tropische Nutzpflanzen in Witzenhausen war am gestrigen Sonntag unser Ziel. Hier sind Pflanzen in drei Klimazonen zu betrachten.
Man kennt Kaffee, Tee oder Kakao – weiss auch wie Zitronen, Pampelmusen oder Tomaten aussehen – aber wie sehen die Pflanzen aus? Und hat man hier schon mal Baumtomaten gesehen?

Die Pfefferpflanzen, Pastinaken oder Tee – hier wird alles angepflanzt und auch erforscht.
Im Eingangsbereich hängt der Himmel – nicht voller Geigen – aber voller Kalebassen in sämtlichen Grössen und Formen. Zwei Bananenstauden hängen dort die geerntet wurden. Und an den Wänden sind Zeichnungen von Früchten und Blättern der Kiwano sowie einer Schlangenhaargurke.

Ungefähr 450 verschiedene Pflanzenarten blühen und fruchten hier in diesem Tropengewächshaus. Diese Sammlung beinhaltet einen Querschnitt durch die Welt der Nutzpflanzen. Bei jedem Strauch, jedem Baum, jeder Pflanze ist ein Schild, auf welchem nicht nur die genaue Bezeichnung – der Name steht, sondern auch wofür diese Pflanze gut ist – medizinische Zwecke sind genauso aufgeführt wie die Verarbeitung als Lebensmittel. Man erfährt von diesen Schildern auch welche Teile der Pflanze gebraucht werden.

Bei der Pomeranze sind das z.B. ätherische Öle bei der Baumtomate Chutney und Säfte. Beim Madagaskar Immergrün steht z.B. dass die Blätter als Heilmittel zur Leukämiebekämpfung dienen. Bei Babaco wird die Frucht als Obst bezeichnet, dient also als Lebensmittel. Der Breiapfel wird als Obst und Milchsaft für Chicle genutzt.
Bei dem Larance wachsen die Früchte am Stamm – sie sehen aus wie angeklebte kleine Ballons.
Die Citrus medica var. - Buddhas Hand – wird die Schale kandiert als Gewürz, oder als Marmelade genutzt.

Das Gewächshaus ist für Lehre und Forschung eingerichtet – es unterstützt die Studierenden während der Ausbildung und die Wissenschaftlerinnen bei Versuchsfragen zum tropischen Pflanzenanbau.
Ein kleines Stück ist mit einem Feld in Indien „verbunden“ - hier werden die gleichen Pflanzen gezogen um durch Forschung bessere Fruchtergebnisse zu erzielen. Die kleine Fläche repräsentiert einen Feldversuch in Indien im Rahmen einer Forschungsgruppe. Drei Kulturen werden dort mit drei Düngestufen mit und ohne Bewässeung behandelt, um landwirtschaftliche Intensivierung zu simulieren. Die Effekte auf Pflanzen und Boden werden in einem umfangreichen Meßprogramm erfasst. Die Anbauzyklen im Gewächshaus folgen dem Feldexperiment in Indien.

Im Jahresprogramm sind Vorträge z.B. über Farben in der Natur oder Nutzpflanzen in Vietnam – im März: Sisal, Tee, Vanille: die Rolle der botanischen Gärten einst und jetzt und der April wird eingeläutet mit dem Vortrag „Frühling im Gartenjahr“.
Auch für Kinder wird hier einiges geboten mit „Ferienvorträgen für Kinder „Forschungswerkstatt Wasser“ und im September wird für die Kinder von 8 – 12 Jahren die „Forschungswerkstatt Bambus“ abgehalten.

Im August ist dann „Gurke als Gemüse des Jahres“ der Inhalt eines Vortrags und einer Verkostung und was Männer vielleicht ganz besonders interessiert: Bier – von Hopfen, Hirse und anderen Zutaten“ wird dann im September in einem Vortrag und einem Rundgang mit Bierverkostung behandelt. Hier ist dann auch ein Biersommelier im Brauhaus Schinkel mit dabei.

Für Süsse und Schleckermäuler dürften die folgenden Vorträge interessant sein: im Oktober „Die Welt der Schokolade“ ein Seminar und im November „Kakao – vom Baum bis in die Schokocreme“ ein Mittwoch-Seminar für Großeltern mit Enkel. Eltern und Kinder ab 6 Jahre… Wer Schokolade mag der ist und bleibt eigentlich immer Kind.

Bei Genussmitteln ist ein Schild angebracht:
Die ganze Welt kennt den Namen eines Baumes aus dem Regenwald in Westafrika. Seine Samen gehören in ein bekanntes Erfrischungsgetränk und standen Pate bei der Benennung. Es ist der Colabaum Cola nitida (Vent.) Schott et End. Traditionell kauen die Afrikaner die koffeinhaltigen Samen um Hunger und Müdigkeit zu vertreiben.

Die Elastomere….das zieht sich
Was ist das: es schützt vor Wasser, lässt Räder rollen, kann hoch springen und bringt Lehrer zur Verzweiflung?
Klar – es sind Gummiprodukte – hergestellt aus dem Milchsaft von Pflanzen. Dieser Milchsaft heisst Latex, enthält Kautschuk, Cuttapercha oder Chicle und sammelt sich in den Milchröhren von Holzgewächsen und krautigen Pflanzen. Kaugummi ist keine amerikanische Erfindung denn schon die alten Azteken kannten Chicle, den eingedickten Milchsaft aus der Rinde des tropischen Obstbaumes Manilkara zapota van Royen. Heuzutage bestehen allerdings Kaugummi aus vollsynthetischen Stoffen.

Ein kleiner Abriss aus der Geschichte des Tropengewächshauses:
Ernst Albert Fabarius verfasste bereits 1897 die vertrauliche Denkschrift zur Gründung einer Kolonialschule für Landwirtschaft, Handel und Gdewerbe. Und gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Witzenhausen in den ehemaligen Klostergebäuden die Kolonialschule gegründet. Bis 1944 konnte man hier eine sehr praxisorientierte Ausbildung zum Tropenlandwirt absolvieren. Innerhalb dieses Ausbildungsganges spielte der tropische Pflanzenbau eine zentrale Rolle und schon 1902, also vier Jahre nach der Gründung der Kolonialschule, wurde deshalb das erste Gewächshaus für tropische Nutzpflanzen erbaut.
Seit 1957 wurde diese Kolonialschule als Deutsches Institut für tropische und subtropische Landwirtschaft weitergeführt. Im Oktober 1964 fiel die Entscheidung aus dem Angebot der Lehranstalt einen sechssemestrigen Ingenieurstudiengang für tropische und subtropische Landwirtschaft zu entwickeln. 1971 wurde die Ingenieurschule Teil der neu gegründeten Universität Gesamthochschule Kassel.

Wer genaueres darüber wissen möchte – hier ist Google hilfreich!
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