dies ist nicht Berlin und auch nicht Hamburg

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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dies ist nicht Berlin und auch nicht Hamburg

Beitrag von Johanna »

...dies ist nur Suhl
Am Montag hatten wir vormittags ein Gespräch mit meinem Steuerberater. Anschliessend war Zeit genug um ein paar Dinge einzukaufen, Mittag zu essen und zu überlegen, was wir anschauen möchten.
Uns fiel nur Schnee, Rennsteig, Sprungschanze in Oberhof und viel Schnee ein. Also machten wir uns auf die einstündige Fahrt. Autobahn Eisenach Richtung Dresden, kein Krümelchen Schnee – Strasse frei – Ohrdruf, Oberhof.
Wir sahen neben der Strasse einen Autohändler. Aber was für einen – nur Krankenfahrzeuge, Rettungswagen, in allen möglichen Farben – mit Notrufnummer 112 bedruckt – die gelben Fahrzeuge mit den blauen Lichtern – wie Hörner sahen sie aus, gefielen uns gut. Preise waren eigentlich auch in Ordnung – der Raum den diese Fahrzeuge boten – für zwei Personen – 2 Matratzen, Gaskocher und die paar Klamotten die man braucht – es wäre kein Problem. Man würde alles irgendwie unterbringen. Standheizung ist ein Muß! Zuerst lachte ich und hielt die Idee, die Uwe das ausgebrütet hatte für ziemlich durchgeknallt, aber bei weiterer Überlegung gefiel sie mir immer besser. Wir wären wieder „unabhängig“ hätten nachts ein Dach über dem Kopf, die Gelegenheit uns eine Mahlzeit zuzubereiten und ganz wichtig: richtige Matratzen zum schlafen. Alles andere würde sich finden. Wasser gibt es immer – Trockenklo: etwas anderes kommt nicht in Frage. Nur die Kilometerstände schreckten uns ab – viel zu hoch.

Also weiter – wir kamen dann doch bis Suhl. Hier gibt es ein Waffenmuseum. Klasse, dachte ich. Waffen – wir hatten in Köln an den Wänden in den beiden Fluren (Erdgeschoß und erster Stock) alte Vorderlader, originale Buschmesser aus Afrika, sowie zwei Speere und ein Tierfellschild – aus dem ich zuerst die ganzen kleinen Krabbeltierchen nach dem Transport von Afrika entfernen musste…..
Nachdem Uwe mich vor dem Museum absetzte fuhr er mit dem Auto zum Parkhaus. Das Museum war leider geschlossen – Montags Ruhetag – also gingen wir ein paar Häuser weiter zu einem Technikmuseum. Ein grosses Einkaufszentrumn – sehr modern – aber leider wenig frequentiert. Gähnende Leere – nur ein paar Schüler tummelten sich um einen Brunnen in der Mitte eines Platzes innerhalb des Zentrums. Wir folgten dem Schild: Museum. Und wieder waren Uwe und ich die einzigen Besucher.

Der Rundgang begann mit Fahrrädern, Hochrad und dem grossen Schild „Fahrräder aus Suhl“. Es gab allerdings nicht nur alte und neue Modelle zu betrachten – es gab auch alte Kinderwagen – Mopeds, Mokicks und die Geschichte einer Marke:

Von Rasmussen & Ernst zu „DKW“
1904 wurde die Firma Skafte Rasmussen und Carl Ernst ins Chemnitzer Handelsregister eingetragen. 1906 kaufte Rasmussen eine ehemalige Tuchfabrik in Zschopau und verlegte das Unternehmen dorthin. Die Firma fertigte zuerst Dampfmaschinen, Haushaltsgeräte und Geräte für Elektrotherapien und hiess ab 1909 „Rasmussen und Ernst, Maschinen und Armaturenfabrik, Apparatebau Anstalt“ Im Jahr 1913 trennten sich Rasmussen und Ernst.

Durch den Beginn des ersten Weltkriegs kam der Betrieb fast zum Erliegen. Durch das Bemühen um Militäraufträge konnte Rasmussen expandieren und hatte bereits Ende 1915 rund 480 Arbeitskräfte. Bereits 1916/1917 begann Rasmussen mit einem Kompanion die Entwicklung eines Dampfkraftwagens. Aber 1921 wurde das Projekt eingestellt – es entstanden nur 12 Dampfwagen. Das einzige was davon übrig blieb waren nur die drei Buchstaben, die als Warenzeichen geschützt wurden. „DKW“ Denn mit dem Beginn der Dampfwagenentwicklung erwarb das Unternehmen die Rechte an einem 2-Takt-Motor von Hugo Ruppe aus Apolda, der zunächst mit 18 ccm und 0,25 PS als „des Knaben Wunsch“ und moderne Alternative zur Spielzeugdampfmaschine galt.

Daraus resultierte dann später der Fahrradhilfsmotor „Das kleine Wunder“ von dem 1921 über 10.000 Stück verkauft wurden. Der Motor mit einer Leistung von 1 PS wurde auf dem Fahrradgepäckträger montiert.
Und dieser Motor wurde auch als erster Stationärmotor für die Autos von „DKW“ angeboten.

Ab 1922 wurden dann 2-Takt-Motorräder angeboten – den Anfang machte das Reichsfahrtmodell. Doch das erfolgreichste Modell war die DKW E206. Ab 1928 waren alle Motorräder bis 200 ccm steuerfrei und durften ohne Führerschein gefahren werden. So reichte dann die Palette bis zu einer wassergekühlten 600 ccm 2 Zylinder Maschine.

Ab 1932 führte DKW die damals neuartige Schnürle-Umkehrspülung ein. Bereits 1928 waren die DKW Zschopauer Motorwerke J.S. Rasmussen AG der grösste Motorradhersteller der Welt. Im gleichen Jahr kaufte Rasmussen die „Audi Werke“ Zu Beginn von 1930 wurde mit einem Kleinwagen und weiteren Frontwagen in der Geschichte des Automobils der Frontantrieb im Fahrzeugbau eingeführt. Dies verringerte unter anderem auch das Gewicht des Fahrzeugs.

1946 und 1947 wurde das Werk in Zschopau komplett demontiert und im russischen Ischewsk wieder aufgebaut. Trotzdem nahm man in Zschopau mit einer Vorkriegsentwicklung den Betrieb wieder auf. 1951 erschien das erste seitenwagentaugliche Motorrad mit Kardanantrieb. 1972 erfolgte dann die Bildung der Kombinate in der DDR und so wurde das IFA Kombinat für Zweiradfahrzeuge, Jagd und Sportwaffen gegründet.

1951 konnte sich Paul Greifzu beim Avus-Rennen das Siegertreppchen sichern. Dieser Greifzu-Eigenbau-Rennwagen wurde auf 140 PS erhöht – die Karosserie entstand nach seinen eigenen Entwürfen und ähnelt stark in der Form einer Zigarre.

Und dann kamen wir zu der Abteilung der Simson-Fahrzeuge. Autos – wunderschöne Fahrgestelle – edel anzusehen mit Ledersitzen, alles verchromt, versilbert oder auch bronziert. Die Beleuchuntg – runde Lampen, die nur spärliches Licht ausstrahlten aber doch „etwas hermachten“.

Ein weisses offenes Cabriolet – rote Sitze, mit jeweils zwei grossen Türen an den Seiten – Ersatzrad vorne neben der Motorhaube fixiert. In so einem Wagen kann man heiraten war die Bemerkung von Uwe. Das Trittbrett großzügig. Man kann sich die Damen und Herren in den jeweiligen Garderoben vorstellen, die so ein Fahrzeug ihr Eigen nennen konnten.

Ein Simon Supra „A“ von 1932 mit 4-Gang-Getriebe 24 Liter Verbrauch auf 100 Km , 90 PS – es war das letzte Neufahrzeug dieser Typenreihe. Zweitbesitzer war Manfred Krug aus Berlin. Der Drittbesitzer verfügte in seinem Testament dass dieses restaurierte Fahrzeug nach Suhl überführt werden sollte.
Auch die Familie Krupp bekam 1928 einen Wagen Simson Supra.

Hotzenblitz Mobile GmbH wurde 1991 gegründet ging aber 1996 in Konkurs und in Suhl wurden damit 25 Arbeiter erwerbslos. Dieses von Hotzenblitz gebaute Fahrzeug war mit einem Drehstrom Elektromotor einer Einzelradaufhängung und einem stufenlos schaltbaren Getriebe – einem Batteriesatz für ca. 5 Stunden ausgestattet. Die Firma Ritter Sport Schokolade unterstützte den Entwickler des Fahrzeugs.

Des weiteren waren hier auch diverse Wagen der Marke Wartburg zu sehen – Motorroller, Fahrräder mit Hilfsmotor – alles auf sehr engem Raum. Am Eingang des Museums war eine Harley Davidson zu bewundern – ganz aus Holz – edlen Tropenhölzern geschnitzt und poliert. Jedes Detail nachgebildet – eine Arbeit die mich faszinierte.
In einem weiteren Raum, dem Lehrkabinett Simson sah man kleine Dreiräder – überdacht wie die Tucktucks in Sri Lanka, Krankenfahrstühle oder auch ein Motorrad mit angebautem Anhänger für grössere Transporte.

Den Abschluß unseres Besuches in Suhl bildete der Besuch eines Kaffees in der Suhler „Altstadt“. Von Altstadt kann man eigentlich nicht reden – alles ist stilmässig so zusammengewürfelt, dass nichts passt. Plattenbau und hochmoderne neben Fachwerk und Altbau. Die Einkaufszentren grosszügig aber leer. Nur dieses Kaffee war sehr gut besucht – heisse Schokolade in grosser Audswahl, sehr gute und reiche Auswahl an schmackhaften Torten – wir konnten es nicht lassen und haben probiert. Die Bedienung die wir nach weiteren Sehenswürdigkeiten fragten meintemit einem Lächeln und eine bedauernden Schulterzucken : hier ist nicht Berlin oder Hamburg . Dies hier ist nur Suhl, da gibt es nichts weiter….
Und auch die Kirche war verschlossen wie überall, wenn es um evangelische Kirchen geht…..
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