Von der Lanzenspitze zum Vierling

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
Antworten
Benutzeravatar
Johanna
Beiträge: 4223
Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
Wohnort: Nordhessen

Von der Lanzenspitze zum Vierling

Beitrag von Johanna »

Von der Lanzenspitze zum Vierling

Die Jagd ist so alt wie die Menschheit und von daher grundlegender Bestandteil unserer Kultur.
In urgeschichtlicher Zeit sicherte sie das Überleben, diente dem Nahrungserwerb, der Herstellung von Kleidung und Handwerkzeug sowie dem Schjutz vor Raubtieren.

Am heutigen Sonntag, 2 Tage bevor ich einrücken muss, machten wir noch einmal einen Kurzausflug. Am Dienstag morgen ist es damit für einige Zeit vorbei.
Das Ziel war Richtung Thüringer Wald – noch nicht ganz sicher ob wir in das Aquarium in Zella-Mehlis oder doch besser in das Waffenmuseum in Suhl fahren sollten.

Suhl und Waffen reizten mich eigentlich mehr und so stand es fest – Uwe setzte mich vor dem Museum ab, parkte das Auto und ich schlich langsam zum Eingang. Nachdem Uwe ankam, die Eintrittskarten und die Fotoerlaubnis erstand steckten wir unsere Garderobe in die dafür vorgesehenen Schliessfächer. Im Erdgeschoss war die Werkstatt und die Abteilung für Geologie untergebracht.

Gleich im ersten Ausstellungsraum im Erdgeschoss sahen wir eine junge Frau die ein Stück Stahl bearbeitete – sie hatte ein sehr scharfes, spitzes Werkzeug in der Hand und gravierte hier ein Muster in das Werkstück – wir liessen uns das zeigen und fragten welchem Ausbildungsberuf sie nachgeht. Graveurin – in der einzigen Berufsfachschule die es in Deutschland seit 1998 für die Ausbildung in dem Berufszweig Graveur und Büchsenmacher gibt. Wir sahen wunderschöne Stücke die von Auszubildenden hergestellt und ausgestellt wurden. Nicht nur gravierte Wandteller sondern auch Hirschköpfe auf Bildern, gravierte Büchsenschäfte und vieles mehr.

Diese Berufsausbildung im Waffenhandwerk hat in Suhl lange Tradition. Anfang des 18. Jahrhunderts gab es hier schon 21 Büchsenmacher- und 10 Schäfterlehrlinge. 1831 wurde eine Sonntagszeichenschule für Lehrlinge des Graveur- und Schäfterhandwerks gegründet, dem folgte 1840 die Musterfabrik zur Ausbildung königlich-preussischer Büchsenmacher.
Wesentliche Voraussetzung für die Waffenfertigung in Suhl war die Eisenerzgewinnung. Im Erdgeschoss erhielten wir einen Einblick in die Arbeit der Schäfter, Systemmacher und Graveure. Wir bekamen Informationen über die Geologie, sahen die verschiedenen Funde wie Rennofenschlacke aus Döllberg evtl. zu keltischer Zeit, Rennofenschlacke aus dem 14. Jahrhundert aus Hofleite und Domberg. Stückofenschlacke aus dem 15. Jahrhundert und Blauofenschlacke aus dem 17. und 18. Jahrhundert aus Suhl. Stahlhammerschlacke aus dem 19. Jahrhundert bildete den Abschluss dieser Dokumentenreihe. Man konnte bei diesen verschiedenen Stücken genau die Unterschiede erkennen.

Es gab verschiedene Verhüttungs-Öfen wie Windöfen, Rennöfen die mit Menschenkraft durch Blasebalg betrieben wurden, Rennöfen mit durch Wasserkraft betriebenen Gebläsen die vor dem 14. Jahrhundert bis zum Ende des 18. Jahrhunderts an verschiedenen Hammerstandorten betrieben wurden. Die Einführung der Blauöfen begann um ca. 1600 an den Standorten der vorherigen Rennöfen infolge des geringeren Holzbedarfs. Holzkohle-Hochöfen wurden mit Förderung der sächsischen Landesherrschaft anstelle des ältesten Suhler Blauofens von 1690 bis 1790 betrieben. In Suhl waren somit alle bis dahin bekannten Verhüttungsverfahren vorhanden.

Eine alte Erzmulde aus Holz sowie eine dazugehörige Keilhaue waren in einem Schaukasten ausgestellt. Die Keilhaue war m.E. ziemlich schwer und gross.

Eine andere Tafel zeigte den Stammbaum einer Hammerschmiedfamilie die seit 1606 in Suhl ansässig waren. Die ersten Sprösslinge der Familie wurden alle Köhler und erst nach dem 30-jährigen Krieg wurde einer der Nachfahren aus der dritten Generation ein Hammerschmied. Diesem Beruf blieben dann alle seine Nachkommen treu bis in die heutige Zeit.

In einer Vitrine waren dazu kleine Geschichten ausgestellt:

Der versunkene Goldtopf in der Hoffnung
Eine Frau aus der Hoffnung trug mal an einem schönen Sommerabend ihr kleines Kind in ihrem Mantel spazieren und zwar unmittelbar bei ihrem Hause. Plötzlich bemerkte sie am Ufer der dort plätschernden Steina ein Feuerchen brennen in dem ein bis an den Rand mit Goldmünzen gefüllter Topf stand. Rasch legte sie ihr Kind beiseite, um das Gefäß mit seinem wertvollen Inhalt aus den Kohlen zu heben. Kaum hatte sie jedoch die Arme ausgestreckt, als sie auch ein paar Maulschellen bekam. Doch weit schmerzvoller war für sie der gleichzeitige Verlust des Schatzes, denn dieser war blitzschnell in den Boden gesunken.“
Die törichte Frau hätte keine hinter die Ohren bekommen, wenn sie das kleine Kind nicht auf die Erde gelegt hätte“ bemerkte hierzu die jugendliche Berichterstatterin.

Diese Geschichte wird noch auf den beiden folgenden Tafeln in anderen Versionen erzählt.
Dazu lagen in einem der Schaukästen römische Münzen von Schwabhausen aus dem 2. Jahrhundert.

Im ersten Stock konnten wir in einem abgetrennten Teil einen Film über die Herstellung bzw. die Arbeit der Schäftemacher, der umfangreichen Arbeit der Fischhaut-Schnitzer und auch der Graveure sehen. Mit dieser, einer Fischhaut nachempfundenen Schnitzerei wird die Griffigkeit eines Schaftes erhöht. Dies geschieht mit Hilfe von speziellen Fischhautfeilen, die auch als Fischhautmesser bezeichnet werden. Diese Werkzeuge sind etwa so groß wie ein Schraubenzieher und bestehen aus Metall. Von einfachen Griffschalen in Massenfertigung für Pistolen über einfach geschnitzte Schäfte für Gewehre bis hin zur filigran verzierten Einzelwaffe ist die Produktpalette sehr breit gefächert. Auf Grund des überwiegend jagdlichen und sportlichen Hintergrundes der Waffenherstellung gibt es viel Spielraum für individuelle Muster und Schnitzereien auf den Schäften, was die Anforderung an die Qualifikation des Schäfters erhöhte. Auch in der heutigen Zeit ist das Beherrschen dieser und ähnlicher Arbeitsgänge noch Bestandteil der Ausbildung an der Berufsschule für Büchsenmacher und Graveure in Suhl. Ein Schäfter zeigte die verschiedenen Holzarten die für diese Teilstücke eines Gewehrs Verwendung finden. Die Preise für so ein Prachtstück, welches auch personenbezogen hergestellt wird kann bis zu 20.000,00 Euro betragen.

Ausserdem waren im ersten Obergeschoß Jagd-, Sport-, Militär-waffen ausgestellt. Die Welt der Waffe zeigte unter anderem auch Prunkwaffen.
Die Prunkwaffen waren mit aufwendigen Metallarbeiten, punzierten Schäften und Einlegearbeiten verziert. Die Graveure der damaligen Zeit haben all ihr Können dafür aufgeboten um den jeweiligen Herrschern und/oder Adligen die Waffen so kostbar wie möglich erscheinen zu lassen. Prunkwaffen lagen in einem Schaukasten – gross, lang mit einer Waffengabel, da der Schütze diese Waffe keinesfalls alleine halten konnte. In einem anderen Schaukasten lagen Spazierstöcke – vermeintliche Spazierstöcke, denn auch sie waren Waffen, Schußwaffen zur Selbstverteidigung.

Jagdwaffen mit dunklen – auch geschnitzten Schäften – alle möglichen Arten von Jagdwaffen und Prunkwaffen. Unzählige Schätze sind hier ausgestellt. Eigentlich ist jede Handfeuerwaffe bereits ohne künstlerische Verzierung wertvoll, denn sie stellt eine handwerkliche Spitzenleistung dar. Setzt sich der jeweilige Waffentyp technisch durch, ist der Büchsenmachermeister stolz auf seine Leistung. Er tritt damit aus der Anonymität und kennzeichnet durch Verzierung sein Produkt. Dieser selbstbewußte Umgang mit Material und Form, der Stolz auf sein Können veranlasste ihn seine Produkte zu verschönern. Graviert und verzierte er anfangs selbst so kristallisierte sich im Prozess der Arbeitsteilung der Graveur heraus. Als Flächen für Gravur und Schaftverschneidung dienen Lauf, Schaft und Schlossplatten. Hoher Wert wurde auf naturgetreue Darstellung der Tierfiguren, eingebettet in die Landschaft gelegt. Beliebt waren auch das Schmücken der Waffen mit Laub und Blumenmotiven sowie Arabesken.
Antworten

Zurück zu „ReiseBerichte“