selbstlos dienen

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
Antworten
Benutzeravatar
Johanna
Beiträge: 4221
Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
Wohnort: Nordhessen

selbstlos dienen

Beitrag von Johanna »

Selbtloses dienen lernen wir von den Bienen

Bei schönem Wetter, noch dazu Sonntags kann man nicht zu Hause in der Bude sitzen. Man muss einfach die Sonne geniessen, hinaus fahren und sich in der Gegend umschauen. Im Moment ist es ein wenig schwierig, aber Uwe ist ein Goldstück – er schiebt mich im Rollstuhl, da ich weite Strecken noch nicht laufen kann. So auch gestern. Wir fuhren nach Weimar, wollten uns dort die durch den Brand bekannt gewordene Herzogin Anna Amalia Bibliothek anschauen. Bei der Ankunft erkundigte sich Uwe wo ich mit Rollstuhl eingelassen werden kann – eine Servicekraft kam und positionierte mich auf einem Viereck, welches im Gehsteig eingelassen war. Dies sollte der Fahrstuhl in die Eintrittshalle werden, doch leider versagte die Technik. Trotzdem konnten wir dann die Eintrittskarten erwerben und den im Haus befindlichen Fahrstuhl zum Rokokozimmer benutzen. Leider kann man nur diesen einen Raum anschauen. Beim Eintritt sieht man die restaurierten Wände, das Bild welches oben in der Decke gemalt und restauriert ist. Die Bücherwände – Regale – sind durch Pfosten und Kordeln abgesperrt, sodass man nicht so nahe herantreten kann um auch die Buchtitel auf den Rücken leicht lesen zu können. Und über all ist die Anwesenheit Goethes präsent. Goethes Büste als alter Mann steht in einer Nische. Die Schrift auf dem Sockel besagt: „Selig, welchen die Götter die gnädigen vor der Geburt schon liebten, welchen als Kind Venus im Arme gewiegt, welchen Phoebus die Augen die Lippen Hermes gelöst, und das Siegel der Macht Zeus auf die Stirne gedrückt.
Ein Bild welches nach seinem Tod gemalt wurde zeigt ihn in seinem Arbeitszimmer. Auch andere berühmte Persönlichkeiten sind hier als Büsten aufgestellt. Unter einer der mir unbekannten Personen die Inschrift:
Denn er war unser. Mag das stolze Wort
den lauten Schmerz gewaltig übertönen.
Er mogte sich bei uns im sichern Fort
Nach wildem Sturm zum dauernden gewöhnen.
Indessen schritt sein Geist gewaltig fort.
Ins ewige des wahren, guten, schönen,
und hinter dem in wesenlosem Scheine,
lag was uns alle baendigt,
das Gemeine.

Die Buchreihen, jede Fensternische war mit Regalen bestückt, der Treppenaufgang in die obere (abgesperrte) Region auch liebevoll restauriert. In einem Nebenraum hinter Glas eine Weltkugel welche die genaue Zeit angab. Die Dauer eines Tages: 23 Stunden und 56 Minuten und die Erklärung, warum dies seine Richtigkeit hat.
Eine grosse Tafel klärt über die Restaurierung und die Partner der Herzogin Anna Amalia Bibliothek auf.
Ein weiteres Diagramm zeigte dass 25.000 Bergungseinheiten (Aschebücher) unter dem Brandschutt, 46.000 Bücher durch Ruß und Rauchschäden 37.000 Bücher durch Wasser und Hitzeschäden gelitten hatten. Insgesamt wurden hier 50.000 Bücher Verlust angezeigt. Darunter teilweise Bücher von unermeßlichem Wert, da es diese nirgend wo auf der Welt mehr gibt.
Es wurden die verschiedenen Restaurierungsschritte gezeigt. Die Unterschiede von Lederrücken bzw. Ledereinbänden und die Restaurierung derselben sind auf Tafeln genauestens beschrieben. Von den 15.000 Aschebüchern mit durchgängig schweren Brandschäden sind ca. 0,6 Mio Blätter restaurierungsfähig. Notenfragmente der herzoglichen Musikaliensammlung liegen zur Betrachtung hinter Glas. Auch die Bergung, Gefriertrocknung ist weitgehendst detailliert aufgelistet.

Eigentlich hatte ich erwartet einige der wirklich alten Schriften hinter Glas sehen und entziffern zu dürfen, aber hier stehen leider – im Gegensatz zur staatlichen Bibliothek in St. Gallen – solche Exponate nicht zur Betrachtung für die Besucher zur Verfügung.


Nach dem Besuch der Bibliothek stiessen wir auf ein Hinweisschild zu einem Bienenmuseum. Wir kamen durch eine Einfahrt in den Innenhof – sehr gemütlich sah es aus. Tische und Stühle – sonnenbeschienene Bänke an einer der Hauswände. Rechter Hand ein Hofladen. Hier konnten wir die verschiedenen Honigsorten verkosten. Edelkastanie, Blüten, Raps oder Weißtanne und auch Kornblume waren nur einige der diversen Sorten. Der Geschmack köstlich und ich konnte nicht widerstehen, zumal ich in dieser Woche mein letztes Glas Honig angebrochen hatte und keinen Vorrat mehr habe. Der Honig aus Griechenland, der Honig den ich im Harz erstand – alles aufgebraucht…...also habe ich hier wieder für Vorrat gesorgt.
Diese Stille in dem Hof – in der Mitte stand ein kleines „Hexenhäuschen“ hier konnte man sich Kaffee, Tee Kuchen oder auch einen kleineren Snack gönnen. Gemütlich, schön, weit ab vom Trubel einer Stadt, ein Platz zum ausruhen und geniessen.
Auf dem Freigelände stand ein grosser Baumstamm, der von Bienen umschwärmt wurde. Im Sonnenlicht putzten die fleissigen Arbeiterinnen ihren Bienenstock sauber. Auf einer Schautafel an einem anderen grossen Wagen wurde der Lebenslauf einer Biene vom Ei bis zum Sterben genau aufgelistet.
Welche Arbeiten von den Bienen erledigt wurden, wie sie von Stufe zu Stufe mit höheren Aufgaben betraut und vertraut wurden.
In einem der Nebengebäude eine Maschine – Wachshammer stand daran - dieses grosse Gerät war komplett aus Holz. Diese grosse Presse zur Wachsgewinnung stammt aus dem Berg- und Schuhmacherstädtchen Siebenlehn. Wraas – Wachsreste und alte Waben wurden damit zu goldgelbem Wachs verarbeitet.
Um 1600, als Bienenwachs sogar als Zahlungsmittel galt, entwickelte sich in Siebenlehn die besondere Technik der Wachsschlägerei; interessanterweise als Nebengewerbe für die Schuhmacher. Das bei der Honigernte anfallende Wachs samt Wabenresten war durch starke Verunreinigungen und unterschiedliche Einfärbung für eine direkte Weiterverarbeitung nicht geeignet.
Der Zweck des Wachsschlagens bestand einzig und allein darin, diese Verunreinigungen aus dem Grundmaterial herauszubekommen und eine goldgelbe Färbung des Bienenwachses zu erreichen.
Zuerst wurden die Wachsreste mit doppelt so viel Wasser in einem Kessel aufgekocht, dann die Wachsbrühe in die Lade - den Hohlraum der Presse - geschüttet, der mit Sackleinen ausgeschlagen war. Während das Dünne gleich durchlief, blieb das Dicke (etwa 20%) in den Tüchern hängen, die man nun zusammenlegte, mit Filzstücken - dem Aufsetzer - abdeckte und einen Holzstempel - den Boxer - daraufsetzte.
Jetzt begann das eigentliche Schlagen. Zwei schwere Hämmer drückten über Holzkeile den Boxer in die Lade. Das Wachs mußte in kurzer Zeit ausgepresst werden, damit es durch Abkühlung im Leinensack nicht erstarrte. Eine Bodenwanne fing das flüssige Wachs-Wasser-Gemisch auf, während alle Verunreinigungen vollkommen trocken in den Sacktüchern hängen blieben und gleich wieder als Brennmaterial für den nächsten Kessel dienten. Das leichtere Wachs setzte sich nach einiger Zeit auf der Wasseroberfläche ab, wurde abgeschöpft, in Barren gegossen - sogenannte Wachskuchen oder Wachssteine - und als reines Bienenwachs vielseitig weiterverwendet. In 14 Stunden erhielt man 85 kg reines Wachs.
Historische Wachspressen haben sich in vielerlei Formen erhalten, aber ein so gestalteter Wachshammer dürfte wohl einzigartig sein.

Das eigentliche Bienenmuseum konnte ich leider nicht besuchen – es war im ersten Obergeschoss des Hauptgebäudes untergebracht. Die vielen Stufen, ziemlich hohe Stufen - eine Herausforderung der ich mich gestern nicht gewachsen fühlte.
Antworten

Zurück zu „ReiseBerichte“