Brotmuseum

 

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Johanna
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Brotmuseum

Beitrag von Johanna »

Bröd, Pane, Ekmek, Aran

Brot bedeutete über die Jahrtausende etwas Konstantes, Zutaten aus der Natur und handwerkliches geschick. Den Teig säuern, kneten, ruhen – reifen – gehen lassen ….so funktionierte das Früher. Gutes Brot braucht Zeit.
Heute ist der Markt kaum noch überschaubar. Handwerklich hergestelltes Brot oder Industrieware, Brote ohne Zusätze, aus Backmischungen oder aus konventionellen Produkten. Der Kunde hat die Qual der Wahl.

Als das türkische Heer 1529 Wien belagerte hörten die Wiener Bäcker bei ihrer nächtlichen Arbeit, wie die Türken versuchten einen Tunnel unter der Stadtmauer zu graben. Die Bäcker schlugen Alarm und verhinderten so den Eroberungsversuch. Karl V. verlieh deshalb den Wiener Bäckern zwei aufgerichtete Löwen als Wappentiere.
1690 gab Kaiser Leopold den Bäckern zum Dank für ihren Einsatz während der zweiten Türkenbelagerung die Erlaubnis Schwerter im Wappen zu verwenden.

Im ersten Raum den wir im Brotmuseum betraten sahen wir Maschinen die nicht nur früher sondern auch noch heute – nur wesentlich moderner – benutzt werden. Eine Brötchenpresse, Mischmaschinen – grosse durch Strom angetriebene Schüsseln für das kneten der Teige usw. Wir sahen einen grossen wannenförmigen Arbeitsplatz auf dessen Deckel kleinere Walzen zum ausrollen des Teiges standen. Darüber hing ein grosses Bild welches den Bäcker zeigt, wie er Brote in den Ofen schiebt.
Auf einer Seite des Raumes stand ein normaler Küchenherd , der noch mit Holz oder Kohle befeuert wurde. Auf der Ofenplatte standen ein grosses Waffeleisen, ein Wasserkessel und ein Bügeleisen, welches auch noch mit heissen Kohlen oder Steinen erhitzt wurde. Ein Butterfaß bzw. die Buttermaschine ergänzte die Einrichtung. Für die Herstellung von 1 Kilo Butter wurden ca. 25 Liter Milch benötigt.

Auf einem Holzgestell hingen dicke Walzen, bei denen Keksformen so ausgestanzt waren, dass man mit diesen Rollen nur über den ausgerollten Teig „fahren“ musste um gleichzeitig viele Teigkekse zum backen zu erhalten.
Die Bretter für die fertigen Brote lagen auf Gestellen, ebenso standen in einer Ecke die Schieber aus Holz, mit denen man die Brote in den Backofen beförderte. Geflochtene Körbe für grössere runde Brote standen da, die mir auch wohl bekannt waren.

Am Eingang des ersten Stocks stand eine grosse Waage die auf einer Seite mit einem Käfig ausgestattet war. Hier wurde der Bäcker inhaftiert, wenn sein Brot oder anderes Gebäck nicht das erforderliche Gewicht hatte.

In einem weiteren Raum war ein grosser Schrank mit sehr sehr vielen flachen Schubladen. Diese hatten wirklich eine sehr geringe Höhe, da in den Schubladen Glasröhrchen lagen, die mit den verschiedenen Getreidesorten gezeigt wurden. Jede Schublade war mit dem Land beschriftet aus dem die Getreideproben gesammelt wurden. Zusammengetragen wurden diese 1800 Getreideproben aus aller Welt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von der Bundesanstalt für Getreideforschung. Diese einmalige Zahl der Proben macht deutlich wie zielstrebig der Mensch bei seiner Suche nach der optimalen Getreidesorte vorgegangen ist.

Ägypten, Phillippinen, Schweden, England sind nur einige der Länder die hier vertreten sind.
Das Maß - der Scheffel – ebenfalls aus Holz war neben anderen Erntegeräten für Getreide an einer Wand aufgestellt. Der Scheffel wird bereits in der Bibel erwähnt und hat sich über die Jahrtausende als Maßeinheit behauptet.
Auch Mahlsteine sind Zeitzeugen die hier ausgestellt sind. Vom einfachen Mörser über Steine die durch Drehung die dazwischenliegenden Körner zermahlen ist alles vertreten.
Zu den sieben Hauptgruppen des Getreides gehören Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Reis, Mais und Hirse. Nicht aus jeder Getreideart kann man Brot backen, es wird das Klebereiweiss Gluten benötigt. Glutenfrei sind Reis, Mais, Hirse. Hafer und Gerste werden überwiegend für Brei, Fladen und Bier verwendet.

Häufig wurde das Getreide früher wegen der längeren Haltbarkeit gedarrt. Beim backen des Brotes gingen oftmals Körner verloren, die sich im Boden über Jahrhunderte hielten.

In einem der nächsten Räume standen Schaukästen in welchem die diversen Brotformen und Brotarten lagen. Kümmel-Kipf aus Tirol lag neben Butterweck aus Aachen. Eine Reproduktion eines Brotes aus Ägypten von 1200 v. Chr. oder ein Rundbrot aus Pompeij aus dem ersten Jahrhundert. Die Reproduktion eines Normannenbrotes und das Brot mit dem Namenszug von Theoderich dem Großen lag neben dem Franzbrot aus Norwegen und dem Jule Kage Weihnachtskuchen. Der Leidweck aus Fernwald bei Gießen lag unter einer Tafel auf welcher in 56 Sprachen das Wort Brot zu lesen war. Unter anderem auch Amharisch: injera, Hebräisch: lechem, Chinesisch mian bao, Belutschi: doda oder Phrygisch: bekos.
In einem weiteren Schaukasten lag das Lager-Buch des Amts der Weiß- und Fast-Beckere von der Altstadt Hannover von 1754. Die Bäckerzunftordnung mit Original Unterschrift der Maria Theresia von 1744 mit dem entsprechenden Sigel.

Weiter waren Brotteller ausgestellt u.a. ein goldener Teller. Die goldene Getreidescheibe auf der blauen Europakarte und ein Stacheldraht ringsherum zeigen deutlich Europas Haltung zum Brot des Lebens.

Denn Hunger war in der Geschichte der Menschheit immer eine ständige Bedrohung.
Im Freigelände des Museums waren verschiedene Backöfen sowie ein Getreidesilo aus alter Zeit zu sehen und auch die wichtigsten Getreidearten – obendrein Arznei und Heilpflanzen auf den Beeten zur Aussaat bereit. Hier waren die kleinen Karten mit Holzstäbchen bereits in den Beeten befestigt, in denen die Anzucht von statten gehen sollte. Da es noch zu kalt war konnten wir die Pflanzen leider nicht begutachten.
Kutschen mit Aufschriften wie C. Funke Bäckerei Stöckheim oder Bäckerei Fritz Hausknecht zu sehen. Auch eine Mühle ist hier zu besichtigen, was wir aber wegen meiner eingeschränkten Mobilität unterliessen.
Alles in allem ein interessantes Museum, denn wer macht sich schon Gedanken über den Werdegang, die Herstellung über einen wichtigen Teil der (täglichen) Nahrung.
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