Die ganze Natur sollte.....

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Die ganze Natur sollte.....

Beitrag von Johanna »

….dem Menschen zur Verfügung stehen, auf dass er mit ihr wirke, weil ja der Mensch ohne sie weder leben noch bestehen kann.
(Hildegard von Bingen)

Nach dem Besuch des Ottoneums in Kassel erstanden wir zunächst die Theaterprogramme für die nächsten 3 Monate, dann machten wir uns langsam auf den Heimweg – allerdings nicht über die Hauptverkehrsstrassen sondern über kleine „Nebenstrassen“ die uns dann nach Reichenbach brachten.

Das ehemalige Nonnenkloster in Reichenbach hat eine lange Geschichte die von 1000 bis ca. 1170 reichte. Das Kloster unterstand dem Benediktinerkloster in Fulda. Wegen widriger Umstände verliessen die Nonnen das Kloster um 1170, begründet wird es wegen dem rauen Klima, dem unfruchtbaren Boden sowie mangelhafter Ausstattung des Klosters. Wo sich die damaligen Wirtschafts- und Schlafgebäude befanden ist unbekannt.
Im Rahmen der Dorferneuerung entstand das Projekt „Klostergarten“ welches sich mit der Gestaltung eines Heilkräutergartens nach der Heilkunde der Hildegard von Bingen befasste.
Aufgrund des ganzheitlichen Ansatzes ihrer Heilkunst ist ihr Werk heute aktueller denn je.

In diesem Kräutergarten sind auch alte Grabsteine erhalten.
Ein Ginkgo Biloba wurde gepflanzt –

Dieses Baumes Blatt, der von Osten
meinem Garten anvertraut,
gibt geheimen Sinn zu kosten,
wie‘s den Wissenden erbaut.
Sagte schon J.W.v. Goethe

Man sah hier angelegte Beete mit Quendel, Rainfarn, Alpenlein Linumperenne, Storchschnabel, Lungenkraut, Mutterkraut, Schafgarbe, Akelei und andere.

Der Apfelbaum (affoldra, malus) ist warm und feucht – wer infolge einer Schwäche von Leber oder Milz oder durch schlechte Säfte des Bauchs oder Magens oder infolge einer Migräne Kopfschmerzen hat, soll die ersten Sprossen (also Knospen) vom Apfelbaum nehmen, sie in Olivenöl einlegen und an der Sonne in einem kleinen gefäss erwärmen. Und wenn er zur Nacht schlafen geht, soll er sein Haupt mit diesem Öl einreiben und das oft tun, so wird es ihm besser gehen.

Beifuss (artemisia) ist sehr heiß und sein Saft ist sehr nützlich. Und wenn er gekocht und in Mus gegessen wird, heilt er kranke Eingeweide und erwärmt einen kranken Magen….

Bertram (pietrum) ist von gemässigrter und ziemlich trockener Wärme und diese sanfte Mischung ist rein und enthält gute Wirkkraft. Denn für einen gesunden menschen ist er gegessen zuträglich, weil er in ihm die Fäulnis mindert, das gute Blut in ihm vermehrt…..Er bringt aber auch einen Kranken, der körperlich schon fast am Ende ist, zu seinen Kräften zurück…..

Quendel (serpillum) ist warm und gemässigt. Wem das Gehirn schwach und wie leer ist, zerstösst Quendel, vermische dieses Pulver in Wasser und Semmelmehl und mache Küchlein. Und diese esse er oft und seinem Gehirn wird es besser gehen…..

Storchschnabel ist mehr kalt als warm und hilft gegen den Stein. Wer also einen Stein in seinem Körper hat soll Storchschnabel nehmen und weniger Steinbrech und in Wasser kochen….das erwärmte Wasser in dem Storchschnabel und Steinbrech gekocht wurde, warm trinken und der Stein in ihm wird sanft zerbrochen….

Die romanische Dorfkirche von Reichenbach gehört zu den ältesten Kirchen der Region um den Meissner.
Die Geschichte der ehemaligen Kloster- und Deutschordenskirche Reichenbach ist auch auf der Aussenseite des Kirchenbaues angebracht.

Diese Kirche wurde als Saalkirche um 900 gebaut – um 1000 Bau einer apsidialen Klosterkirche und 1140 wurde der Bau mit Unterstützung der Grafen von Reichenbach-Ziegenhain mit kreuzförmigen Grundriß umgebaut. Nachdem dieses Nonnenkloster um ca 1170 verlassen wurde kam sie ca 1207 durch Schenkung der Grafen von Ziegenhain-Reichenbach an den Deutsch-Orden. Und 1225 wurde es Sitz eines Komturs des Deutschen Ritterordens.
1788 wurde das Querschiff und der Chor abgebrochen und zur jetzigen Form umgebaut. 1955 wurde das Innere der Kirche neugestaltet. 1973 – 1976 fand eine Ausgrabung durch das christl.-archäologische Seminar der Universität Marburg statt. Diese archäologischen Grabungen brachten zwei Vorgängerkirchen zum Vorschein sowie die Fundamente des ehemaligen Chorabschlusses des heutigen Kirchenbaus.

Die Stirnwand in der Kirche hinter dem Altar war mit der bibl. Geschichte verziert. Man sah die Erschaffung der Menschen, die Versuchung durch die Schlange, die Vertreibung aus dem Paradies – weiter oben dann die Arche Noah – Trompeten von Jericho – eine ungewöhnliche Verzierung einer Kirchenwand.

Und was mir hier in dieser Kirche besonders gefiel war ausser dieser ungewöhnlichen Wand“malerei“ ein Schaukasten mit alten kirchlichen Büchern. Ganz unscheinbar war er in einer dunklen Ecke aufgestellt. In einem dieser Bücher war sinngemäss festgehalten was gepredigt wurde, wenn man einen der Dorfbewohner eines unziemlichen Verhaltens bezichtigte. Dass dieser Dorfbewohner Schande über die ganze Gemeinde brachte…..

Im innern der Kirche ist eine sehr ausführliche Beschreibung u.a. über die Staffelung der Säulen und die Form der Kirche (A-Kirche, B-Kirche, C-Kirche usw) sowie die Masse des Querhauses, Zeichnungen der Kirchenform usw. in einem Prospekt ausgehängt. Eine ungewöhnliche Kirche – schlicht und einfach aber sehr ausdrucksstark.
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