Tippelbrüder

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Tippelbrüder

Beitrag von Johanna »

Tippel“brüder“

Ein herrlicher Sonnentag – viel zu schade um zu Hause zu bleiben. Uwe hatte das Date mit dem Hausmeister des Mausoleums klar gemacht und anschliessend fuhren wir auf Umwegen wieder Richtung Heimat. Dabei kamen wir beim Kulturzentrum Kloster Haydau vorbei.
Hier bestand eine Kirche mit Friedhof bereits vor 1235 Wechselnde Nutzung der Gebäude bis heute sind auf einer Tafel vor der Mauer die die gesamte Anlage umgibt aufgeführt.
Hermann von Treffurt stiftete aus seinem Besitz eine Kapelle mit Nebengebäuden für ein Frauenstift. Dies war die Sühne wegen eines Angriffs auf die Stadt Fritzlar, bei dem auch kirchliche Gebäude beschädigt wurden.
Von 1257 besteht der älteste bekannte Beleg für die Zugehörigkeit des Frauenstiftes zum Zisterzienser-Orden.
Vom 14. bis Mitte des 15. Jahrhunderts wurde ein Westflügel errichtet, genau wie die Kreuzgänge und der Ostflügel.
1527 war Reformation und Umwandlung des Klosters in ein Jagdschloss mit landgräflichem Gut unter Landgraf Phillipp von Hessen.
Die Vogtei - das Burghaus – und landwirtschaftliche Gebäude wurden unter Landgrad Moritz von Hessen von 1606 bis 1608 errichtet und das Schloss umfassend umgebaut.
1696 errichtete Carl von Hessen dann das Herrenhaus und die Orangerie – der Renaissancepark wurde zu einem Barockgarten mit geschwungenen Treppen, Wassergrotte mit kleinem Wasserfall, Wasserbecken und Veränderungen der Mauer mit Sichtfenster in die umgebende Landschaft abgeändert.
1914 bis 1918 diente alles als Gefangenenlager im ersten Weltkrieg.
Die Gemeinde Morschen erhielt 1838/39 Vogtei und Park mit Denkmalschutzauflagen. Erst 1981 fingen die Renovierungen des Kircheninnenraumes an und das Herrenhaus wurde als Gemeindeverwaltung von Morschen genutzt, bis sie dann in die ehemaligen Schafstallgebäude und die ehemalige Brennerei umzieht.
2005 wurde mit Instandsetzungsarbeiten der Umfassungsmauern und Umgestaltung des historischen Gartens begonnen – erst 2012 kam die Sanierung der Kirchenfassade hinzu. Die letzte Veränderung fand von 2011 bis 2013 statt – es entstand ein Tagungshotel durch die B. Braun Medical AG.

Im Eingang der Kirche steht auf einem Sockel die Figur einer betenden Zisterziensernonne. Der Kircheninnenraum schlicht – an den Seiten der Bänke sind weisse Schleifen zu sehen, die an zu Herzen bzw. Kreisen gebundenen Buschästen mit Blattgrün befestigt sind.

Wir liefen um die Kirche bis wir zu einem Eingang des Gebäudes kamen vor dem in der Sonne auf dem Rasen und vor der Gebäudemauer Tische und Stühle standen. Hier sahen wir an einer Seite der Mauer zwei Rucksäcke, Wanderstäbe und Uwe meinte: lass uns die beiden freien Plätze bei den „Tippelbrüdern“ belegen – das wird interessant. Wir bestellten Getränke und hatten eine kurzweilige Unterhaltung.
Es waren zwei junge Frauen die auf Wanderschaft in der Zunftkleidung der Schreiner und Tischler hier eine kurze Pause einlegten. Eine der Frauen war bereits seit dreieinhalb Jahren auf Wanderschaft – die andere erst seit einem Jahr. Im Augenblick waren sie auf dem gemeinsamen Weg vom Bodensee an die Nordsee.
Interessant die Aussage, dass man auf Wanderschaft kein Geld für Unterkunft ausgeben darf – dass man sehr viel lernt – alles sehr genauer betrachtet und viele verschiedene Menschen kennen lernt. Wir durften das „Tagebuch“ anschauen in welches von anderen Menschen die Haltepunkte, Aufenthalte, Arbeitszeiten und ähnliches hineingeschrieben bzw. mit Stempeln festgehalten werden. Selbst dürfen sie nichts hineinschreiben.


Im Kreuzgang waren die Tafeln mit den diversen Umbau- und Renovierungsmassnahmen festgehalten.
Die Reparatur des Außenputzes oder aber des Holzgefüges sowie des Mauerwerks waren detailliert beschrieben und mit Bildern zusätzlich verdeutlicht. Der Bestand war aufgelistet und ganz genau aufgelistet was man und vor allen Dingen wie man die Restaurierungsarbeiten durchführte.

Die Mauern des Gebäudes bestehen z.B. größtenteils aus kleinteiligem Bruchsteinmauerwerk das infolge vielfacher Veränderungen, Überlastungen und Auswitterung zahlreiche Schäden wie Ausbeulungen, Risse und Hohlräume aufwies, Der Einbau herkömmlicher Stahlanker erschien nicht angeraten, da wegen Kondensfeuchte Gefahr der Korrosion und Salzbildung besteht. Ausserdem können Temperaturschwankungen zu Bewegungen des Metalls und so zu Mauerwerkschäden führen. Die Mauern mussten teilweise durch Neuverfugung, Auswechslung einzelner Steine oder ganzer Partien stabilisiert werden. Abgelöste Mauerschalen erhielten ebenfalls Glasfaser-Bewehrungen. Da das Mauerwerk mit Schadsalzen belastet ist, mussten sulfatbeständige Mörtel entwickelt werden um eine Neubildung zerstörender Salze zu vermeiden. Historische Putze wurden bei den Arbeiten grundsätzlich geschont. Nur in Teilbereichen war der Verlust einzelner Partien nicht zu vermeiden.
Durch den Kreuzgang gelangten wir in den Innenhof. In der Mitte war ein Brunnen – umrahmt von einem ca. 80 cm hohen Gitter. Kreisförmig waren Bänke in Abständen zu dem Brunnen aufgestellt. Die schmalen Beete die den Abschluss des Rasens bildeten waren bepflanzt und mit kleinen Tafeln versehen, sodass man genau ersehen konnte, welche Pflanze hier ihren Standort hatte. Lavendel, Sonnenauge, Pfefferminze, Farn, Christrose und ähnliches – Rosenstöcke und vor allem Efeu, Vinca Minor und an den Mauern Spaliere mit rankenden Pflanzen brachten hier Ruhe in die Innenrunde.
Der Platz strömte Frieden aus und der Sonnenschein tat ein übriges dazu.

Das neue Tagungshotel welches neben der ehemaligen Klosteranlage gebaut war, passte vom äusseren gar nicht zum Stil des Klosters. Auch der ehemalige Marstall war sehr modernisiert als Teil eines Hotels ausgebaut.

Hinter der Anlage war ein Klostergarten, in welchem diverse Kräuter und Gemüse für den Eigenbedarf gepflanzt werden. Auch die vielen Gewächshäuser sind dafür bestimmt.

Am 13. Juli findet hier ein Sommerfest statt und ich kann mir vorstellen, dass wir diesen Termin in unserem Terminkalender festhalten werden.
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