vom Kommen und Gehen

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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vom Kommen und Gehen

Beitrag von Johanna »

Vom Kommen und Gehen

Menschen – Dinge – Häuser
Im Thüringer Freilichtmuseum Hohenfelden gingen nicht nur ganze Häuser auf Reisen, sondern auch die Menschen. In einer Ausstellung sind individuelle Geschichten vom Kommen und Gehen aus Thüringen vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart ausgestellt.
Das reicht von der Auswanderung nach Kanada, dem Ankommen in der DDR über das Nachschicken von Erbstücken von Ost nach Westdeutschland, bis zu Häusern die ihren Standort wechselten. Immer ist so ein Wechsel mit einem Abschied, mit einem Zurücklassen oder Mitnehmen, egal aus welchem Grund, verbunden. Flucht, wirtschaftliche Notwendigkeit, Hoffnung auf grössere Lebenschancen oder auch nur Abenteuerlust – die Geschichten sind vielfältig.

Allen Geschichten, Fotos und Berichten ist eines gemeinsam: sie beginnen oder enden alle in Thüringen.
Dass auch Häuser ihren Standort wechseln ist eher ungewöhnlich. Früher war das durchaus üblich, denn Bauholz war wertvoll und so wurden auch Wohnhäuser, Scheunen und andere Gebäude abgebaut und in näherer oder weiterer Entfernung wieder neu errichtet.

Seit 1891 in Stockholm das weltweit erste Freilichtmuseum „Skansen“ eröffnet wurde, bilden Gebäudeumsetzungen einen der wichtigsten Arbeitsbereiche dieser speziellen Museumsgattung. Früher wurden die Häuser dokumentiert, danach Balken für Balken und Stein für Stein numeriert, anschliessend wurde das Haus zerlegt und später auf auf dem Gelände eines Museums wieder aufgebaut. Dadurch gehen allerdings auch viele originale Dinge – z.B. Wandoberflächen verloren.

Um diesen Verlust zu minimieren stand das Thüringer Freilichtmuseum vor der Aufgabe das Haus „Hertel“ durch Großteil- bzw. Ganzheitstranslozierung umzusetzen. Das Haus wurde in drei grossen Teilen – Keller, Wohnstallbereich und Dach transportiert. Dieses massive Lehmhaus von 1683 wurde stabilisiert und auf Tiefladern transportiert und umgesetzt.

In einem „Lehmwellerhaus“ ebenfalls von 1683 war der Eingangsbereich mit Naturstein ausgelegt, im Anbau war eine Werkstatt mit Geräten die zu dieser Zeit im täglichen Gebrauch waren. Die Holztreppe zum ersten Stock und zu den einzelnen Kammern war steil und sehr schmal.

Das Wohnstallhaus aus Eichelborn lädt vielleicht viele Menschen ein zu sagen, dass sie hier wohnen möchten – aber wenn man sich den Tagesablauf ansieht, dann kann man froh sein im heute und jetzt zu leben.
Früh morgens um 5 Uhr heisst es aufstehen, der Atem hat die Bettdecke über Nacht mit Rauhreif überzogen – also ist die erste Aufgabe eine Kerze anzünden, obwohl der Mond noch durch das Fenster scheint. Waschen geht heute nicht, das Wasser ist gefroren, man benutzt erst einmal den Nachttopf der unter dem Bett steht. Das warme Wolltuch wird über die seit Tagen getragene Kleidung gelegt dann muss man in der Küche den Ofen anheizen, heisses Wasser für den Kaffeeersatz machen, Brei kochen ist angesagt. Man hofft dass die Lebnsmittelvorräte über den langen Winter noch reichen, dass das Futter fürs Vieh ausreicht und dass Niemand krank wird. Erst dann kann man in den Stall gehen um die Kühe zu melken, die schon ganz unruhig muhen.

Heute überlegt man doch nur ob man alles eingekauft hat, frische Wurst, Marmelade, Honig, Kaffee - ganz wichtig man hat elektrisches Licht, fliessend Warm- und Kaltwasser – das Telefon als Kommunikationsmittel ist auch vorhanden – was fehlt also?

Hinter dem Haus Eichelborn steht ein kleiner Schweinekoben – aufgrund des strengen Geruches wurden Schweine nie in einem Stall im Haus untergebracht – ausserdem sollten sie schnell fett werden und hatten deshalb auch nicht viel Auslauf. Hinter der Scheune gibt es einen kleinen Obstgarten.
Im Hof steht ein großes Taubenhaus – Tauben in großer Zahl halten zu dürfen war ein Privileg. Man glaubte dass Tauben die Getreidesaat von den Feldern picken würden.

In der Scheune sind Gerätschaften ausgestellt, wie Kornfege, Dreschflegel, Worfelschaufeln, oder auch Gabel – die Zinken sind aus Eschenholz, der Stiel Haselnuss aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Der Hungerrechen für Handzug, war genauso ausgestellt wie die Gras-Mähmaschine.
Der Motor zum Betrieb des Mähbalkens wurde nachträglich angebaut wie auf einem Schild vermerkt war.

Nach der Getreideernte wurde das Dreschen, Reinigen und Lagern beschrieben. Das Dreschen geschah in Handarbeit mit Hilfe hölzerner Dreschflegel und war üblicherweise eine Winterarbeit. Die Dreschmaschine war eine Erfindung des 18. Jahrhunderts die sich erst im 19. Jahrhundert in Deutschland durchsetzte.

In verschiedenen Häusern gab es den Schüttboden. Der Dachboden wurde durch hölzerne Rahmen so unterteilt, dass man über den ganzen Winter die Schütte gezielt auslegen konnte.

In einem der Häuser war die Ausstellung der Andenken und Dinge von Menschen, die entweder ausgewandert oder aus dem Ausland wieder zurück nach Thüringen kamen. Unter anderem war ein Hochzeitskleid, Tagebücher, Besteck, Geschirr, Koffer und ähnliches in großen Glasvitrinen zur Schau gestellt.

Die Geschwister Renate und Manfred Oelke wurden in den 1930-er Jahren in Tansania geboren und verbrachten die Kindheit auf einer Kaffeeplantage in Deutsch-Ostafrika. Heinz - der Vater der beiden kam bereits 1910 in Kidugala zur Welt, denn der Großvater war hier viele Jahre bereits tätig. Heinz absolvierte in Witzenhausen die Ausbildung zum Koloniallandwirt, heiratete und seine junge Frau folgte ihm nach Kidugala. Mit Ausbruch des zweiten Weltkriegs fand der Aufenthalt der Familie in Afrika ein jähes Ende. Heinz Oelke wurde von den Briten in Daressalam drei Wochen interniert – die Familie flüchtete per Schiff und Bahn über Venedig nach Tübingen. Die Reise der Oelkes endete 1939 bei den Großeltern Brommer im verschneiten Forsthaus Tiefborn bei Bad Berka.

Und so werden hier einige Geschichten von Auswanderern und Rückkehrern lebendig. Schwarz-weiss Fotos (mit gezackten Rändern), Landkarten mit Einzeichnung der Wege – Fahrten mit Ozeandampfern nach Kanada und Rückweg. Das Leben des Bruno Belling als Auslandsreisender wird beschrieben. Er bereiste als Handelsvertreter von 18.90 bis 1939 Europa, Asien und Nordafrika.
Oder die Geschichte der Eltern Doan Thanh Phuongs die 1964 bzw. 1966 für ein Studium in der DDR ausgewählt wurden. Sie kehrten anschliessend nach Vietnam zurück. In den 80-er Jahren kam Phuongs Mutter als Dolmetscherin nach Erfurt – die 1976 geborene Tochter blieb beim Vater in Hanoi und reiste erst 1988 für einen kurzen besuch nach Erfurt. Doch die Mutter schickte die Tochter nicht mehr zurück.

Auch hier ist ein Deutsches Lesebuch für Ausländer sowie ein Kleid ausgestellt.

Das Schäferhaus mit allem was zum Pferchen gehört ist in einem anderen Haus aufgebaut. Schäferkarren, Bilder und Beschreibungen vom Schafehüten sowie detaillierte Beschreibungen über das Hüten der Schafe, das Treiben zur Weide, Hüten im engen Gehüt usw sind hier für Interessierte Besucher aufgelistet und mit Bildern sowie den Regeln von Wettkämpfen aufgeführt. Die Hüteprüfung gehört auch heute noch zum Abschluß der Lehrzeit und Schäfermeisterprüfung,
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