Büffelscheisse inclusive

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Büffelscheisse inclusive

Beitrag von Johanna »

Nach der Walpurgisnacht beschlossen wir uns Pullmann City anzuschauen. Wir waren schon mal in dieser Ecke des Harzes, damals erschien es mir als ob dieses Westerndorf überfüllt war – so viele PKW standen auf den Parkplätzen.
Diesmal waren wir zeitig dort – pünktlich zum Einlassbeginn um 10.00 Uhr.
Pullmann City bietet so einiges für einen Tagesausflug und wenn man schon den hohen Eintrittspreis bezahlt, dann sollte man sich auch den ganzen Tag Zeit nehmen um die Darbietungen, Magicshow oder Pferdeshow – Live Music, die Buffalo Bill Wild West Show auf der Mainstreet oder auch das Museum und die anderen Dinge genau anzuschauen und zu verfolgen.

Das Gelände auf dem diese Westernstadt aufgebaut ist ist weitläufig – es wird immer wieder Neues gebaut und verändert, vergrössert. Neben dem derzeitigen Fort entsteht ein grösseres Haus, welches wahrscheinlich als Urlaubsunterkunft genutzt werden wird.

Zu allererst wollten wir uns einen Kaffee in einer Bar holen, aber hier wurde erst um 11.00 Uhr geöffnet. Die Bar war schummrig, vollkommen stilsicher für die damalige Zeit der von Indianern besiedelten und den Weissen eroberten Gebiete eingerichtet. Die Wände aus Baumstämmen – der Tischfuss aus einem dicken Baumstamm die Platte aus Holzbrettern – rund oder viereckig, allerdings nicht roh sondern bearbeitet, lackiert, geschliffen. Die Wände der Bar mit den Regalen gut bestückt – alle möglichen Arten von alkoholischen Getränken. An den Wänden ebenfalls Relikte aus damaliger Zeit.

Wir suchten uns eine andere „Spelunke“ und hatten Erfolg – auch hier die Räumlichkeiten „verräuchert“ die Holzwände teilweise geschwärzt. Wir erfuhren dass die Betreiber dieser Gaststätten hier Pacht bezahlen und dass sie nur von März bis Ende Oktober geöffnet haben.

Die Mainstreet hat rechts und links der Strasse einen Catwalk – für Rollstuhlfahrer ideal. Jede Menge Geschäfte mit Cowboyhüten, Cowboykleidung, Indianerkleidung und Zubehör waren aneinandergereiht. In einem Schaukasten vor einem Bekleidungsgeschäft ein wunderschönes blaues, elegantes Kleid in der damaligen Mode. Auf meine Frage erhielt ich die Auskunft, dass dieses Kleid handgenäht ist und ca. 350,- € kostet. Eine Dame aus der naheliegenden Ortschaft würde solche Kleidung anfertigen. In den Geschäften gab es von Cowboystiefeln bis zu karierten Blusen und langen Röcken, Cowboyhüten und Chaps – die Beinkleider aus Leder, welche die Cowboys zum Schutz anzogen, alles was man zu dieser Zeit getragen hatte. Auch Taschenuhren – stilecht, Waffen oder Sherriffsterne. Kopfschmuck für Indianer oder Krägen aus Federn, Hauben für die verheiratete Frau – es fehlte nichts, was der damaligen Mode entsprach. Kopfschmuck für Bardamen war zu sehen, genauso wie die hohen „Knöpfelschuhe“ der Damen. Die Westen und Jacken der Männer hatten lange Schoßröcke – Schwalbenschwänze wie man sagt, die Hosen eng geschnitten, Zylinder, – Vatermörder waren auch zu sehen – alles war sehr stilecht.

Uwe gönnte sich eine Rasur bei einem Barbier. Der Laden gefiel mir….sehr klein, aber alles so wie es vor hundert und mehr Jahren ausgesehen hatte. Der Stuhl in den sich der Mann hineinlegte – die Füsse auf einer Fußstütze bequem aufgelegt, der grosse Frisierumhang umgelegt und dann wurde ein warmes feuchtes Tuch über Kinn und Wangen gelegt. Der Schaum wurde in einer Porzellanschale geschlagen und anschliessend das Einseifen mit dem Pinsel, die Rasur mit dem Messer. Man muss sich schon darauf einlassen und still halten, wenn das scharfe Rasiermsser über die Gurgel fährt. Anschliessend das abtupfen mit Alaun und einer Hautberuhigenden Emulsion – alles originalgetreu. Der Barbier hatte sein Handwerk an diversen Luftballons gelernt. In seinem Laden gab es so viel zu sehen – Cremes, eine grosse Glasflasche mit Benzin, ein Lederriemen für das Schärfen der Messer, zerschlissenes Polster in einem Stuhl – auf seiner Ladentheke ein Schild „das Führen der Seifen mit der Hand zur Nase schützt den Rücken vor Schmerzen“. Dazu lagen Seifenproben und grössere Seifenstücke vor diesem Schild.

Ein grosses „Haus“ war als Museum eingerichtet. Das Dach dieses Hauses war vollkommen mit Erde und Grassoden bedeckt – man sah nur einen Hügel. Den Eingang bildeten grosse geschnitzte Baumstämme rechts und links, auch quer darüber waren Baumstämme verziert mit großen Schnitzereien. An den Seitenwänden waren stilisierte Tierkörper aufgemalt. Im Innern waren an den Wänden Schaukästen – Uniformen der Südstaatenarmee und die Uniformen der Nordstaaten, die Uniformen der Kanadischen Grenzer – Indianderkleidung reichlich verziert mit Perlen, Bärenkrallenketten, Bill Cody als Figur mit Trapperkleidung – über der Eingangstür auf einem Podest ein sogenannter Rollator. Man konnte die Nutzungsmöglichkeiten erkennen. Man sah Kanonen, alte Waschmaschinen, Landkarten, Werkzeuge und auch Pistolen für Duelle. Ein Zeitungsausschnitt mit Werbung für Blacksmith Tools, Hammer, Scheren, Schraubenzieher, Zangen usw. An einer Wand waren auf Gestellen Hufeisen aufgehängt, dazu alles was man zum Herstellen und/oder Wechseln der Pferdeschuhe braucht.

In einem anderen Areal „Hogan - Typische Wohnform der Navajo Indianer – bis heute benutzt in Arizona“ - das besagte jedenfalls ein hölzernes Schild. Hier sah man verstreut Zelte, einfache Behausungen mit Stoffbahnen überspannte Holzkonstruktionen. Aus manchen schauten Ofenrohre hervor. Wir fragten eine Frau die in so einem grossen „Zelt“ sass ob wir näher treten dürfen. Und wir fragten – das Leben hier ist auf das wesentliche reduziert – ruhig und friedlich. Kein Stress.

Diese Frau ist sehr krank – sie hat Krebs, und trotzdem kommen sie und ihr Mann seit vielen Jahren jedes Frühjahr hierher, bauen alles auf und müssen im Herbst wieder alles zurück bauen. Der kleine Ofen wird mit Holz befeuert und gibt eine sehr gute Wärme ab – eine Schüssel, ein Kessel für Wasser, ein Schaukelstuhl – ein kleiner Tisch, das Leben ist hier öffentlich und die Kleidung ebenfalls der damaligen Zeit entsprechend. Platzmiete gibt es hier nicht, aber man muss als Statist bei verschiedenen Shows mitwirken. Wenn es schneit, was auch manchmal schon im zeitigen Frühjahr passierte, dann muss man die doppelte Lage Leinenüberspannung des Zeltes vom Schnee befreien. Der Ehemann der Frau erzählte dass er eines Nachts aufwachte, weil er das Zeltdach auf seiner Nase verspürte. Schwer von der Schneelast – musste er das Zeltdach freiräumen. Denn sobald man die beiden Leinenlagen berührt bzw. eine Verbindung herstellt, wird alles durchlässig. Normalerweise zieht sich das Leinen bei leichtem Regen zusammen sodass nichts in das Zelt durchdringt. Bei einem starken und plötzlichen Sturzbachregen wird alles im inneren nass. Aber das wäre noch nicht oft vorgekommen. Auch dieser Herr war der damaligen Mode entsprechend gekleidet. Die Ruhe und Zufriedenheit konnte man hier förmlich mit Händen greifen.

Etwas weiter sahen wir Indianderzelte und erfuhren die Bedeutung der Zeichnungen auf den Zelten. Berge, Hügel und Seen waren durch die „Zeichnungen“ angedeutet – die Heimat dieser Zeltbesitzerin. Dementsprechend war auch ihre Kleidung.

In einem danebenstehenden „Tinyhouse“ sass eine Dame vor einer alten Nähmaschine – Fußantrieb aus Gußeisen. Und hier erfuhren wir auch so einiges über Sitten und Gebräuche. Die Originalkleidung ist sehr teuer – eigentlich ist dies ein teures Hobby, weil alles der damaligen Zeit entsprechen muss. Deswegen näht sich diese Frau die Kleidung selbst. Von einer anderen Frau erhielt ich eine Wäscheklammer, die zu dieser Zeit üblich war, nachdem wir uns über Waschbretter unterhalten hatten. Denn mit so einem Waschbrett habe ich auch noch in den sechziger Jahren Wäsche gewaschen.
In diesem Areal gibt es Blockhäuser, Versammlungsplätze die rings herum Bände haben – in der Mitte einen Feuerplatz. Hier kann man auch diverse Übernachtungsmöglichkeiten buchen – vom einfachen Blockhaus bis zur Unterkunft in einem Hotel.

Das Gefängnis und das öffentliche Badehaus durfte natürlich auch nicht fehlen. Hier war gross angeschrieben, dass man für sauberes Wasser 50 C für schmutziges Wasser 10 C für heisses Wasser 1 Dollar und für Handtücher 2 Dollar bezahlen muss.

Die kleine Kirche war ungewöhnlich – ein Küchenbuffet war der Altar – davor zwei Stühle, an der Decke und an den Wänden Bilder aus der Bibel in einer Ecke ein Kruzifix und auf dem „Altar“ ein kleineres Kruzifix mit jeweils einem Leuchter rechts und links. Der Stiefelhügel – heute Friedhof genannt war direkt bei der kleinen Kirche und nicht weit davon der Schuppen mit dem Leichenwagen.

Bei der Hauptshow am Nachmittag wurden die Büffel durch die Mainstreet getrieben – mächtige Fleischberge, zotteliges Fell – wenn man sich vorstellt dass diese Büffel früher in riesigen Herden die Landschaft bevölkerten, dann kann man auch ermessen wie gefährlich die Jagd der Indianer auf diese Nahrungsquelle war. Die Rinder mit ihren langen spitzen, gebogenen Hörnern wurden auch auf die Mainstreet getrieben – allerdings bekamen sie auf der Strasse ausgelegte Futterstücke damit sie in der Mitte der Strasse blieben. Wir Zuschauer wurden durch Holzgatter und Begrenzungen „ausgesperrt“.

Bei dieser Show wurden Reiterkunststücke gezeigt, Lassoschwingen, Das Lasso wurde so gross geschwungen, dass der Reiter mitsamt dem Pferd darüber springen konnte. Mit einer Peitsche wurden zielgenau Dinge klein „geschlagen“ - es gab Messerwerfen, mit Pistolen jonglieren und auch ein Leichenwagen kam zum Einsatz. Der Barbier spielte den Helfer des Bestatters.

Als wir das Gelände am späten nachmittag verliessen bemerkte Uwe dass die Räder des Rollstuhls trotz aller Vorsicht mit Büffelkot garniert waren – also wurden sie erst gesäubert, damit wir dann das Gefährt ins Auto einladen und zum Campingplatz im Waldwinkel zurück fahren konnten.
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