Poststation im Predigerstuhl

 

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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Poststation im Predigerstuhl

Beitrag von Johanna »

Poststation im Predigerstuhl

Am heutigen Muttertag wollten wir bei aufkommendem Sonnenschein etwas unternehmen und da stand u.a. wieder in Halle das Landesmuseum für Vorgeschichte oder aber der Fundort der Himmelsscheibe zur Auswahl. Also beides eine Fahrtrichtung.

Bereits vor der Abzweigung die zur Autobahn führte wies uns ein Hinweisschild zur Kalteneberschen Klus hin. Die Klus ist ein kleines Kirchlein nur 7 mal 7 m gross – wir betraten den Innenraum. Vor dem Fenster auf der Sirnseite, der Tür gegenüber, ein schlichtes Holzkreuz – daneben zwei bemalte Holzfiguren, die an der Wand befestigt sind. Auf der rechten Seitenwand ein Bild – Jesus ist vom Kreuz abgenommen worden und wird von drei seiner Jünger gehalten. Darunter steht XIV, Erwartung.

Es sind nur wenige Bänke in diesem Kirchenraum aufgestellt. Vielleicht können 12 Personen hier Platz nehmen – für mehr reichen die Sitzgelegenheiten nicht.

Hinter der Kirche sieht man nicht weit davon eine Strasse an der kleine Stationen des Kreuzweges stehen. So wie in Würzburg der Aufgang zum Käppele mit Kreuzwegstationen „bestückt“ ist.

Die Errichtung der ersten sieben Stationen wurde bereits 1747 durchgeführt – die nächsten Stationen folgten dann von 1768 bis 1770. Sehr zeitig wurden verschiedene Stationen hier baulich verändert, restauriert und mit neuen Bildern versehen. 1865 fundierte Johann Dreiling aus Kalteneber eine Stiftung, aus der jährlich eine Stationsandacht mit hlg. Messe gehalten werden sollte.

1949 wurden neue Öl-Bilder in allen Stationen eingesetzt. 1965 wurde das Bild der 14. Kreuzwegstation muitwillig zerstört und erst 1989 bekam die Klus eine gebrauchte Glocke geschenkt – ausserdem wurde ein Glockenstuhl errichtet und das Dach neu gedeckt. 2001 wurden alle Stationen grundsaniert und neu gegossene wetterfeste Relief-Kunststoff-Bilder eingesetzt.

Die Erbauung einer möglichen Vorgängerkapelle knüpft an eine wundertätige Begebenheit, die sich nach dem 30-jährigen Krieg an dieser Stelle ereignet haben soll. Es lebte in einem Dorf der Goldenen Mark ein fleissiger Bauer mit seiner Frau, die von großer Mildtätigkeit den Armen gegenüber war und immer an der jährlichen Prozession zum Hülfensberg teilnahm. Doch ihren Mann konnte sie nicht zu dieser Wallfahrt bewegen. Eines Tages erblindete der Bauer plötzlich. Kurz vor dem Dreifaltigkeitsfest begann der Mann an der Hand seiner Frau und in Begleitung seines Sohnes der eine dreipfündige Opferwachskerze trug, doch den Pilgergang. In der Liebfrauenkirche zu Heiligenstadt hielten sie Andacht vor dem Gnadenbild „Maria im Elende“. Auf der Kalteneberschen Höhe kamen sie zu einem Kruzifix, bei dem 5 Vaterunser und Ave-Maria zu den hl. 5 Wunden gebetet wurden. Von hier aus konnten die Pilger zum ersten Mal ihr Ziel den „mons ,salvatoris“ erblicken. Der Bauer kniete unter dem kreuz nieder und rief:“jESUS MEIN Herr und Heiland erbarme Dich meiner, um deines hl. Kreuzestodes willen“, worauf er plötzlich auf wundersame Weise wieder sehen konnte. Nach einer Übernachtung in Geismar erstiegen die Wallfahrer den Berg und ihr erster Weg führte sie zum Gnadenbild des „Gehülfen“. Auf dem Rückweg kam der Bauer erneut am Kreuz bei Kalteneber vorbei und versprach an dieser Stelle eine Kapelle zu errichten. Ferner stiftete er eine grössere Summe für die Pfarrkirche in Kalteneber, mit der Bestimmung dass alljährlich am Fest der Kreuzauffindung oder am Sonntag danach von Kalteneber aus eine Prozession zur Klus mit anschliessendem Hochamt und Predigt stattfinden sollte.

Den Endpunkt des Kreuzweges bildet die aus Sandstein erbaute Kapelle an der alten Geleitstraße von Heiligenstadt über die Klöppelsklus in Richtung Eschwege. Den höchsten Punkt von 485 m ü.NN. Auf diesem Marktweg markiert in exponierter Lage die Klus, bevor der Weg hinunter nach Bernterode und Großtöpfer führt.

Überliefert ist auch eine nicht ganz rechtmäßige Nutzung der Klus von cleveren Postillions, die die zwischen Heiligenstadt und dem Südeichsfeld verkehrende Post jeweils im Predigerstuhl deponierten, austauschten und sich somit Wartezeiten ersparten.
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