ein ausgesprochen schöner Kartoffelkeller

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
Antworten
Benutzeravatar
Johanna
Beiträge: 4223
Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
Wohnort: Nordhessen

ein ausgesprochen schöner Kartoffelkeller

Beitrag von Johanna »

Ein ausgesprochen schöner Kartoffelkeller

Nach der Besichtigung des Museums in Nebra machten wir uns auf den Weg nach Memleben. Uwe wollte sich dort umsehen, weil der Vortragende bei den Erläuterungen über die Himmelsscheibe von Nebra Memleben erwähnte.

Das Kloster bietet einige kostenlose Parkplätze an, für Rollstuhlfahrer sind Rampen angelegt. Der Eintritt ist kostengünstig und man bekommt kostenlose Fotoerlaubnis – im innern der Gebäude ohne Blitz. Ausserdem wird ein Audioguide ausgegeben.

Beim Betreten des Klostergartens ein angenehmer Anblick – alles sehr gepflegt, bei Sonnenschein bieten sich Sitzecken für ein Picknick an.

Die Marienkirche mit den Torbögen zeigt wie gewaltig dieser Bau einst war. Wir durchqueren den Garten und treffen in der Marienkirche auf eine Gruppe, die von der Leiterin Kloster und Kaiserpfalz Frau Maria Knopik mit Erläuterungen zur Geschichte durch das Gemäuer geführt wird. Wir dürfen uns anschliessen und werden auf einige interessante Details aufmerksam gemacht.

In der romantischen Kirchenruine werden auf Säulen gemalte, verblasste Gestalten sichtbar. Ein Bild verdeutlicht wer der „Grossen“ das gewesen sein könnte. Von Otto dem Großen bis Heinrich II. kam eine ganze Herrscherdynastie in die ottonische Kaiserpfalz nach Memleben. Hier prägten die Mächtigen des Reiches die Geschichte von Kloster und Region. Kaiser Otto II. und seine byzanthinische Gemahling Tehophanu gründeten das berühmte Benediktinerkloster. Kaiser Otto I. Und ein König Heinrich I. starben hier – das Herz Ottos des Grossen liegt in Memleben begraben.
An diesem Ort mittelalterlicher Geschichte sind heute noch imposante Relikte zweier Kirchenanlagen zu besichtigen – die Monumentalkirche aus dem 10. Jahrhundert und eine frühgotische Kirchenruine aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Von dem jüngeren Kirchenbau ist noch die spätromanische Krypta im Originalzustand erhalten. Wir gehen einige Treppen hinunter und sehen diesen Teil von dem Schinkel in Berlin hörte, es wäre der ausgesprochen schönste Kartoffelkeller den er besichtigen könne. Dies war die Aussage, welche Schinkel zu einem Besuch in Memleben inspirierte. Mit diesem Besuch erreichte Schinkel zweierlei: erstens er verhinderte den Abriß der Reste der Klosterkirche und zweitens führte er die Krypta seiner wirklichen Bestimmung zurück. Denn diese Krypta wurde wirklich nach der kirchlichen Nutzung als Kartoffelkeller in Gebrauch genommen. Schinkel überredete einen anderen Bauern einen der Ställe als Kartoffelaufbewahrungsort zu vermieten.

Die schlanken Säulen,die Kapitelle sind unterschiedlich. Im vorderen Teil mit Rhomben, Ornamenten – im hinteren Teil ganz schlichte Kapitelle, Die Gewölbedecke wurde ursprünglich mit Bohlen und Balken geformt und darüber dann das Mauerwerk aufgeschichtet. Man sieht noch beim genauen Betrachten die einzelnen Bohlen-/Balkenabdrücke. Ausserdem hat diese Krypta etwas sehr seltenes: 7 kleine Fenster erhellen den Raum. Die Mönche hielten hier ihre Gebete ab – betraten die Krypta und gingen hintereinander an einer Raumseite um den ganzen Raum – hinter den schmalen Säulen bis sie wieder am Ende die Krypta nach einander verlasen konnten.

Im Ostflügel der Klausur ist die Sonderausstellung Wissen und Macht – im Nordflügel Obergeschoß die Ausstellung „wenn der Kaiser stirbt – der Herrschertod im Mittelalter“. Hier wird auf grossen Plakaten das Geschehen detailliert beschrieben. Niemand stirbt für sich allein! Es gibt darüber wenig Wissen. Die seltenen Zeugnisse stammen zumeist von Geistlichen, die über das Sterben und die Ereignisse in ihrem Umfeld aus ihrer Sicht erzählen.

Einige grundsätzliche Aussagen lassen sich trotzdem treffen: Die Vorstellungen von Himmel, Hölle, Fegefeuer begleiteten die Herrscher ebenso wie jeden anderen. Ein Kaiser hatte jedoch die finanziellen Mittel und Wege, die ohnehin weitreichende Vorsorge noch auszudehnen. So sehr z.B. Otto I. An göttliche Unterstützung für sich als Herrscher des Reiches geglaubt hatte nahm er für seine Seele doch grosse Mühen auf sich. Er stiftete, kämpfte gegen Heiden und gab Almosen um sich den Eingang zum Himmel näher zu bringen. Die Vorbereitung für den Todesfall betraf immer auch die Ernennung eines Nachfolgers, wobei das möglichst schon vorher geregelt sein sollte. Ein Kaiser starb unter der Anteilnahme aller Schichten der Bevölkerung, da auch die Erwartung des Kommenden nicht immer gewiss war.

Als Otto der Grosse in Memleben verstarb wurde sein Leichnam aufwendig für den weiteren transport vorbereitet. Während man sein Herz und seine Eingeweide in Memleben in der Marienkirche beisetzt, ging sein präparierter Körper auf die letzte Reise zum Begräbnisort nach Magdeburg. So hatte es Otto zu seinen Lebzeiten bestimmt. Zwischen Tod und Bestattung verging also knapp ein Monat in dem der einbalsamierte Körper des Kaisers von dessen Sohn und Nachfolger Otto II. nochmals in einem demonstrierten Akt von großer Symbolkraft auf seiner letzten Reise durch eine der wichtigsten Landschaften seines Herrschaftsberreiches geleitet wurde.

An einer Wand ist die Herrschaftsfolge von Liudolf bis Heinrich II. mit Sterbedaten und Grablegen aufgelistet. Liudolf gest. 866 als Ahnherr der folgenden Herrscher bis Heinrich II. gest,. 1024 samt ihren Gemahlinnen sind hier detailliert aufgeführt. Daneben die Grablegen Quedlinburg, Dom Magdeburg, Petersdom Rom, Dom Aachen, Dom Bamberg usw.

Im Nordflügel Erdgeschoss ist die Buchherstellung in ottonischer Zeit dargestellt. Gleich nach dem Raumeingang ist ein in einem Gestell aufgespanntes Leder zu sehen. Die einzelnen Schaukästen sind enthalten: Schreibfedern, Schreibutensilien, Blätter mit Schriftproben und auch die Erklärung der Bucheinbandherstellung. Dies hatten wir im Ledermuseum in Offenbach bereits detailliert gesehen – hier schliessen sich die Kreise und bei allem greift eins ins andere.

In einem anderen Raum war eine Bußwaage aufgebaut. Unterschiedlich schwere Sünden erfordern unterschiedliche Bußleistungen, die zum Ausgleich erbracht werden müssen. Man kann mit den dazugestellten Gewichtsstücken ausprobieren wie viele Gebete, Fastenzeiten und Almosen nötig sind um schwere Sünden wie Ehebruch, Mord, Glaubenszweifel oder geringere Sünden wie Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn Neid und Faulheit auszugleichen.

Auch Fledermausarten die im Kloster Memleben beheimatet sind waren aufgelistet – die kleine Hufeisennase und das Große Mausohr sind hier mit Bildern und Steckbrief auf Plakaten zu sehen. Die Steckbriefe beinhalten nicht nur Grösse, Spannweite sondern auch Gewicht, Farbe, Winterschlaf und einige andere interessante Merkmale.

In einem gesonderten Raum waren Modelle der Kirchen aufgestellt sowie eine Tafel mit der Nord- und Südroute der Kirchen/Klöster von Magdeburg über Leitzkau bis Naumburg und Zeitz.

Den Abschluss unseres Besuches im Kloster Memleben bildete eine Pause im Klostereigenen Kaffee, welches sich im neuen Refektorium befindet..
Antworten

Zurück zu „ReiseBerichte“