lange Nacht der Museen

 

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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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lange Nacht der Museen

Beitrag von Johanna »

Am Sonnabend war die lange Nacht der Museen

Wir suchten uns das Museum für Ur- und Vorgeschichte Thüringens in Weimar aus.
Ab 15.00 Uhr bis Mitternacht waren die Öffnungszeiten angegeben.

Als wir ankamen war noch geschlossen, aber im nahegelegenen Park mit Spielplatz für die Kleinen konnten wir in der Wärme gut sitzen und uns über die vielen Kinder wundern, die sich hier Freizeitvergnügen holten. Der imposante Kastanienbaum auf dem Spielplatz stand in voller Blüte – es war ruhig, kein Streit, kein Geplärre – einfach nur friedlich. Schaukel und Klettergerüst waren gefragt – eine Mutter übte mit ihrem kleinen Sohn weitspringen.

Kurz vor 15 Uhr sah ich wie eine Dame das Tor des Museums aufschloss – wir machten uns also auf den Weg. Das Museum hatte an diesem Tag auch im Hof einiges für Kinder aufgebaut. Sie konnten an langen Tischen basteln, malen, Dinge ausprobieren und auch nur zuschauen wie etwas hergestellt wurde. Dazu gab es dann Erklärungen.

Der erste Tisch rechts neben dem Tor zum Hof waren Malsachen für Kinder aufgebaut. Jede menge Buntstifte, Kreiden, Papier warteten auf die kleinen Künstler. Der nächste Tisch war dekoriert mit Tonfiguren. Hier konnten Kinder aus Ton alle möglichen einfachen Tierformen oder auch andere Formen selbst herstellen. Ausgestellt waren kleine Tiere – einfach in der Form.

Das nächste war ein Tisch für die Brettchenweberei und allem was man dazu benötigt. In allen möglichen Breiten und Farben wurde uns genau erklärt und auch gezeigt wie man die „Pappen mit den durchführenden Fäden dreht – das Schiffchen mit dem Faden durch die Kettfäden führt. Damen waren damit beschäftigt die Kettfäden auf viereckige Pappvorrichtungen aufzufädeln. Wollknäuel in allen möglichen Farben standen bereit – Musterbänder waren ebenfalls vorhanden und auf den Brettchen warteten aufgespannte angefangene Bänder auf das Weiterarbeiten.

Die ältesten Funde aus Thüringen die diese Art der Textilherstellung dokumentieren, stammen aus dem germanischen Seeheiligtum von Oberdorlah aus dem 1. - 3. Jahrhundert, wo ein Webbrettchen aus Holz entdeckt wurde. Mittelalterliche Brettchenfunde des 11. Jhd. stammen aus Römhild und Mühlhausen. Durch Brettchenweben entsteht ein besonders starkes Gewebe, meist in Form eines Bandes, welches für den Gebrauch als Zaumzeug oder Gürtel oder als Webkante für ein Tuchgewebe geeignet ist. Die Brettchen bestanden aus Holz, Knochen oder seltener aus Elfenbein.

Bei der herstellung der Brettchen werden die Ecken abgeruncdet und jeweils mit einem Loch versehen. Durch diese Löcher zieht man die Kettfäden des späteren Gewebes. Die vier Kettfäden des Vierloch-Brettchens verknotet man miteinander. Alle Webbrettchen die für die Webarbeit nötig sind werden aufeinander gelegt uund die Bündel der Kettfäden auf beiden Seiten zusammengebunden. Anschliessend zieht man die Fadenstränge straff, sodass die brettchen senkrecht nebeneinander stehen. Dadurch ist zwischen den Kettfäden das Webfach entstanden durch welches der Schussfaden geführt wird. Dieser wird mit den Fingern und dem Webschiff festgedrückt. Dann werden alle brettchen mit einer Vierteldrehung zum Körper hin oder vom Körper weg verdreht.

Der nächste Stand war äusserst interessant. Hier gab es Feuersteine. Rindenmesser – schwimmfähiges Feuersteinmesser nach Funden in den Pfahlbausiedlungen am Bodensee. Hiervon konnten sich Väter mit ihren Kindern bedienen. Feuersteine - schwarz – in allen möglichen Größen und Formen und ein Herr erklärte und zeigte auch ganz genau wie man früher Speerspitzen, Schneidewerkzeuge und ähnliches daraus herstellte. Mit abschlagen des Feuersteins durch Steine wurden grössere Stücke grob bearbeitet. Die feinen Speerspitzen z.B. mussten dann durch mühevolle Kleinarbeit Stück für Stück geformt werden. Man spaltete zuerst ein Stück Feuerstein von einem grossen Brocken vorsichtig ab – dann wurde ein anderes Werkzeug benutzt. Der Griff war aus Holz und darin war am Ende ein Stück Knochen befestigt. Mit diesem Knochenstück wurden dann langsam Stückchen für Stückchen die Ränder vorsichtig bearbeitet, das abgebrochene Material war dann fast so fein wie Sandkörner – feine Sandkörner. Und ganz langsam nahm dann das grobe Stück die Form für eine Speerspitze an. Eine stundenlange Arbeit, die hier nicht vollständig gezeigt werden konnte. Die fertigen Speerspitzen wurden dann mit Darm oder anderen Häuten – auch mit Seilen und z.B. Honig befestigt. Harz war auch ein gutes Klebemittel oder Bienenwachs. Die Schäfte wurden aus Holz herausgeschnitzt und geglättet. Ebenso die Bogen. Ein grosser Bogen war ungefähr 1,80 m lang und es war mühselige Arbeit diesen herzustellen, aber für die Jagd unabdingbar.

Nach einer kurzen Pause mit Brötchen und Würstchen, sowie einem Getränk sahen wir wie aus einem Tonklumpen auf einer Töpferscheibe ein Gefäss hergestellt wurde. Die Dame drehte die Töpferscheibe mit dem rechten Bein an – Halbmarathon war da am Abend bestimmt drin. Sie hatte schon einige kleine „Pfannen“ getöpfert – einige Vasen, Schüsseln und Krüge. Die kleinen Pfannen waren „Puppengeschirr“ das dann auch noch farbig beschichtet wurde. In einer kleinen Pfanne hatte eine Besucherin einiges an geruchsintensivem Material gewärmt.

Der Schmied daneben bearbeitete zwei Blasebälge um das Feuer auf Temperatur zu bringen. Ein Junge durfte unter seiner Anleitung einen Haken schmieden. Hier war Kraft beim Hämmern gefragt, die der Junge aber nicht in dem geforderten Maß aufbrachte.

Am Ende der Reihe war ein Lehmbackofen aufgebaut. Dieser germanische Backofen von Gera war dem 1. bis 2. Jhd. nachempfunden. Der archäologische Befund sagte dass zur germanischen Siedlung mit Eisenverhüttung in Gera dieser Backofen gehörte. Er hatte einen hufeisenförmigen Grundriss von 1,35 m Länge und 1,25 m größter Breite. Seine 0,3 m starke Wandung bestand aus Lehm. Vor der Öffnung von 0.28 m Breite nach Nordost lag ein grosser Holzrest. Die Ofensohle war hartgebrannt. Im Innern befanden sind Holzkohle der Tanne und Keramik. Ausserdem war dem Backofen eine rechteckige Grube vorgelagert.

Die Vorstufe des Brotes sind Brei und Fladen. Das erste Brot wie wir es kennen ist vermutlich einem Zufall zu verdanken. Ein vergessener Teigrest, der in Gärung übergegangen ist wurde verarbeitet und ergab nach dem Backen ein lockeres Gebilde, das bekömmlicher war als der feste Fladen. Gebacken wurde anfangs auf heissen Steinen oder in der heissen Asche. Später entstand der Backofen dessen Form und Funktionsfähigkeit im Laufe der Geschichte immer wieder verbessert wurde. Ein Brotrezept aus dieser Zeit vervollständigte die Informationen.

Mit einem Archäologen hatten wir ebenfalls ein interessantes Gespräch über seine Arbeitsstätten, die Tonkrüge und Schüsseln, das Feststellen des Alters von Fundstücken – über Münzen und Heimatmuseen – alle möglichen Themen wurden gestreift. Dabei arbeitete er an einem Tongefäss – freies Formen mit der Hand.

Für Kinder war dieser Hof mit den Ständen eine Fundgrube für Aktivitäten und sammeln von Informationen für bestimmte Interessen.

Wir verliessen den Hof und fuhren mit dem Aufzug in den zweiten Stock des Museums. Dieses Museum ist so vollgepackt mit Informationen – angefangen über die Sozialstruktur der Slawen in Thüringen über die Götterwelt in Oberdorla bis zur Bergung eines Fürstengrabes in Haßleben 1913 und einen Holzbrunnen im Ilm-Kreis.

Alles zusammen war so viel, dass dies einen weiteren Bericht rechtfertigt.
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