Frisch, fromm, fröhlich, frei

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Frisch, fromm, fröhlich, frei

Beitrag von Johanna »

so sei!

Nach dem Besuch der Sektkellerei in Freyburg schauten wir uns um, was es in diesem Ort denn noch so gibt, was man sich anschauen kann. Denn wenn man schon zwei Stunden Autofahrt in Kauf nimmt, dann soll sich das auch lohnen.

Wir machten erst eine Pause, verzehrten unsere mitgebrachte Verpflegung und dann suchten wir das Museum des Turnvater Jahn auf. Er hatte um das mal gleich fest zu stellen, ein sehr bewegtes Leben. Frei nach dem Motto: „Bewegung ist alles“

1778 wird F. L. Jahn in Lenzen geboren. Er verlässt das Gymnasium ohne Abschluss und verbringt bis 1803 Studienzeit an mehreren Universitäten.
Zwei Jahre lang ist er Hauslehrer in Mecklenburg um anschliessend wieder ein Studium aufzunehmen, 1806 erlebt Jahn den Zusammenbruch Preussens und 1809 startet er einen Versuch in Berlin Karriere zu machen. Doch er scheitert.

In diesem kleinen Museum sind u.a. nicht nur der Lebenslauf sondern auch die Stammtafel der Familie des Turnvaters ausgestellt. Viele schriftliche, persönliche Briefe, Zeitungsausschnitte und
auch Zeichnungen der Turngeräte sowie ein Modell der Turnanlagen in Berlin sind aufgebaut. Uniformen der damaligen Zeit kann man in den Schaukästen betrachten.
1811 sind die Anfänge der Jahnschen Turngemeinde und die Eröffnung des Turnplatzes in der Berliner Hasenheide. Jahn wird durch seine Popularität mit verschiedenen Aufträgen für die preussische Regierung betraut u.a. in Frankfurt/Main, Wien und Paris. Deswegen wird im lebenslanger Ehrensold zugesprochen.

Das Rturnen ist mißliebig geworden in Preussen. Seit 1817 besonders nach dem Wartburgfest werden die Turner und ihr Treiben argwöhnisch beobachtet. Als Jahn wie üblich den Turnbetrieb für den 31. März 1819 ankündigt, untersagt der Minister die Eröffnung. Die empörten Turner bringen sogleich ihrem Turnvater am 17. März ein Lebehoch zu abendlicher Stunde – eine damals durchaus übliche Äußerung der Sympathie. Der Polizeibericht zeigt das Mißtrauen der Behörden – das freie Turnen wird von nun an bis 1842 in Preussen untersagt. So beginnt die Turnsperre. Der letzte A nlass für das Turnverbot und die Schliessung der Turnplätze in Preussen und den meisten deutschen Staaten ist die Ermordung des Schriftstellers und russischen Staatsrates von Kotzebue durch den Burschenturner Karl Ludwig Sand im März 1819 in Mannheim.

Im Juli 1819 wird Jahn wegen demagogischer Umtriebe verhaftet. Im Oktober 1819 wird Haftentlassung beantragt doch Jahn muss weiter einsitzen. Er wird unter strenge Polizeiaufsicht in Kolberg gestellt, seine Frau und sein Sohn dürfen nachkommen. Auch auf der Beerdigung von zweien seiner Kinder darf Jahn nicht teilnehmen.

1820 wird ein Verbot des öffentlichen Turnens erlassen.

Er wird 1825 entlassen unter der Auflage dass er nicht mehr in Berlin und auch nicht 10 Meilen im Umkreis von Berlin Wohnung nehmen darf. Die 1000 Taler jährliches Ehrengehalt wird ihm belassen – er bleibt unter Polizeiaufsicht. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratet er seine jugendliche Freundin aus Freyburg und lebt und arbeitet in Freyburg als Schriftsteller. Durch Falschaussage muss er wiederum eine 6-wöchige Freiheitsstrafe verbüssen.
Zwischen 1842 und 1848 wird Jahn wieder zunehmend aktiver – er besucht als Ehrengast Turnfeste in Naumburg und Waldenburg.

1848 nimmt er an der Gründung des Deutschen Turnerbundes teil. 1849 gibt er jeglichen Verkehr mit den Turnern auf. Darüber kann auch seine Teilnahme an dem Treffen der erbkaiserlichen Partei in Gotha nicht hinwegtäuschen, auf der Jahn noch einen Organisationsplan zu „des Deutschen Reichsvereins Satzungen“ vorlegt und von der Schuljugend gefeiert wird. Dies sollte sein letztes grosses Auftreten werden, denn 1852 stirbt er enttäuscht und zurück gezogen in seinem Haus in Freyburg an Lungenentzüdnung.

Ausgestellt sind nicht nur Bilder von den einzelnen Sportarten wie Mädchenturnen, Ringen und „Gerwerfen“ auch Dauerlauf oder Liederbücher der Turner im Original sind zu sehen.
„Freie Stimmen frischer Jugend“ durch Adolf Ludwig Follen oder „Turnerlieder“ von 1818 und „Teutsche Lieder“ verlegt von der Turngemeine Ratzeburg 1831. Eines der ältesten bekannten Turnerliederbücher. Eine Sammlung Deutscher Wehrlieder nebst Anhang von 1814 vervollständigt diese Sammlung. Auch Texte in der damaligen deutschen Schrift sowie „Übersetzungen“ denn es gibt ja jetzt auch einige Personen, die nicht unbedingt mit der damaligen Schrift vertraut sind.

Ein kleines Museum, mehr eine Gedenkstätte für Turnvater Jahn hoch oben über der Unstrut. Von hier aus kann man einige Weinberge sehen. Da die Unstrut im Wesentlichen von West nach Ost verläuft, bieten sich durch die dadurch entstehenden geschützten Südhänge in Verbindung mit den kalkhaltigen Böden ideale Weinanbaubedingungen. Allerdings ist das Weinanbaugebiet sehr klein im Gegensatz zu den Weinbergen am Rhein, der Mosel und auch am Main.
Wir versuchten mit dem Auto zur Neuenburg hoch zu fahren, aber aufgrund der wirklich sehr schlechten Wegverhältnisse drehten wir um und verliessen Freyburg Richtung Balgstädt. Hier wartete schon wieder ein interessantes Objekt.
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