Durchhaltevermögen

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Durchhaltevermögen

Beitrag von Johanna »

Durchhaltevermögen

wir fahren nach Dortmund um uns die Kokerei Hansa anzuschauen. Haben allerdings nur einen halben Tag Zeit – aber die Zeit reicht uns. Die Fahrt haben wir schnell hinter uns gebracht und stehen vor der Anlage. Suchen den Eingang und ordern bei dem Angestellten zwei Eintrittskarten mit Führung. Er sieht meinen Rollstuhl und meint dann, es wäre nicht möglich mit Rollstuhl die besichtigung durch zu führen, da erstens eine lange steile Rampe hinauf zu einem der Türme führt zum anderen wären dann sehr viele Treppen herunter zu steigen um in dem anderen Turm wieder auf den Boden zurück zu kommen. Uwe meint er könne mich die Rampe hoch schieben – ich protestiere und sage Treppen laufen kann ich und ich kann auch etwas laufen. Wir erhalten die Eintrittskarten und einen Plan der Kokerei. Dann haben wir noch Zeit eine zur Zeit laufende Kunstausstellung in einem Nebenraum anzusehen.
Die Führung beginnt um 14.00 Uhr – der Leiter der Führung bekniet Uwe und rät uns dringend von einer Teilnahme an der Führung ab. Er wiederholt sich drei mal – da erwacht mein Trotz. Ich denke mir: „Dir werd ichs zeigen!“ und zu Uwe sag ich dass er mich nicht die Rampe hochschieben muss, das ist zu anstrengend – ich will laufen!Irgendwie schaffe ich das schon…..

Wir beginnen zuerst in der Kompressorenhalle und anschliessend schiebt mich Uwe bis zum Eckturm – dann stehe ich auf und fange an. Schnell bin ich nicht, aber mit langsamen und gleichmässigen Schritten schaffe ich es den Höhenunterschied bis zum Zwischenturm zu überwinden. Hier ist der erste kurze Halt mit Erklärungen. Die Bandbrücke geht steil nach oben – erst ist ein Drittel überwunden und ich fange das Schnaufen an. Bis zur Mischanlage ist es noch ein gutes Stück. Und es geht ziemlich steil nach oben.

Die von den umliegenden Zechen angelieferte Steinkohle wurde auf ein Transportband (Kohlenbandbrücke) entladen und in den Sortenturm befördert. In der Mischanlage wurden die Kohlen gebunkert, vermischt und schliesslich gemahlen um aus den verschiedenen Kohlenqualitäten die für die Verkokung optimale Mischung herzustellen.

Oben angekommen gen wir über eine Querverbindung hinüber zum weissen Turm. Auf dem unter uns liegenden Batteriedeck wurde die Kohle durch die Fülllöcher in die schmalen und langen Ofenlöcher eingefüllt. Hier wurde uns erklärt dass Arbeiter mit langen Stangen verklemmte Kohlenstücke mit langen Stangen in den Ofenrohren lösen mussten.
Das Mauerwerk dazwischen besteht aus Heizzügen, von denen aus die Ofenkammern indirekt beheizt wurden.

Die Aussicht von hier oben ist phantastisch – durch bestimmte Fensteröffnungen kann man fotografieren. Ich bin ziemlich froh diesen Aufstieg bis hierhin ohne grössere Probleme bewältigt zu haben. Hier wird auch der Unterschied schwarze und weisse Seite erklärt. Denn auf der weissen Seite werden die Nebenprodukte der Kokerei chemisch behandelt. Hier werden Teer und Phenol gewonnen. Pro Tonne Koks liessen sich etwas 40 Kilo Teer gewinnen. Das fischgiftige und krebserregende Phenol wurde entfernt und an die chemische Industrie weitergegeben. Das gereinigte Rohgas wurde anschliessend durch Abkühlen und behandeln mit Wasser vom Ammoniak und Schwefelwasserstoff befreit.

Durch anschliessende Destillation liess sich Kohlenwertstoffbenzol abtrennen. So wurden durch die Kokerei viele Nebenstoffe an die chemische Industrie weiter geleitet.
Im Gang In welchen die Stempelkarten der Arbeiter aufgehängt waren ist ein grosses Schild angebracht, welches die vielen Nebenprodukte die bei Koksherstellung entstehen, auflisten. Hier habe ich leider nur ein Bild aufgenommen auf dem ich die einzelnen Namen nicht mehr entziffern kann. Aber gefühlt sind es ca 100 verschiedene Stoffe für die Chemie.

Wir steigen viele Treppen hinunter um zu den weiteren Maschinen der Kokerei zu kommen.

Nach dem Verkokungsprozess wurde der glühende Koks von einer Druckmaschine aus der Kammer gedrückt und fiel auf der gegenüberliegenden Seite in einen Löschwagen. Im Löschwagen wurde dann der glühende Koks unter einen Löschturm gefahren und dort mit Wasser abgekühlt.

In der Sieberei wurde der gelöschte Koks dann gebrochen und nach Korngrössen sortiert und auf Eisenbahnwagen verladen.

Der Weg zurück bis zum Anfang des „Aufstiegs“ zieht sich und ich bin froh, dass ich mich dort wieder in meinen Rollstuhl setzen kann. Uwe schiebt mich bis zum Eingang und als der dortige Angestellte hörte, dass ich trotz der Ablehnung die Führung mitgemacht und durchgehalten habe, meinte er nur „Respekt“ und suchte für Uwe und mich ein Buch mit den Standorten und der Geschichte der Kokerei und den Zechen heraus

Die Kokerei Hansa ging im Jahr 1928 in Betrieb. Die Hansa war nur eine der 17 Großkokereien die Ende der 1920er Jahre im Ruhrgebiet errichtet wurden. Diese Großkokereien ersetzten wirtschaftlich nicht mehr rentable Kleinanlagen und deckten den enormen Bedarf der Hüttenwerke die den Koks für die Erzeugung von Roheisen brauchten. Im wesentlichen sind bei der Kokerei zwei Produktionsbereiche zu unterscheiden, die sich entlang zweier parallel laufender Werkstrassen erstrecken. Auf deer schwarzen Seite befinden sich die Anlagen für die Koksproduktion. Herzstück sind in diesem bereich die Koksofenbatterien – auf der weissen Seite liegen die Anlagen für die gewinnung von Kohlenwertstoffen und die Aufbereitung des Kokereigases. In Spitzenzeiten konnten täglich bis zu 5.200 Tonnen Koks produziert werden. Im Dezember 1992 erfolgte nach einer 64-jährigen Betriebszeit die Stilllegung der Anlage. Vom Kohlenturm konnte man auf einer Seite sehen wie die Natur sich schon wieder einiges von der ehemaligen Anlage zurück geholt hat. Es ist von Gestrüpp, kleinen Baumflugsetzlingen und Gras teilweise überwuchert. Die ehemaligen Eisenbahnschienen sind teilweise nicht mehr zu sehen sondern nur noch zu erahnen.

Den Abschluss unserer Besichtigung der Kokerei bildete der Besuch eines Klettergartens, der sich ganz in der Nähe befand. Hier konnten wir die Übungen der Kletterer gut beobachten. Die Kleinsten fingen „unten“ im Keller an – die Könner nahmen die Aufstiege – auch mit Überhang - ein Stockwerk höher in Angriff.
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