der oder die Tittentaster

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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der oder die Tittentaster

Beitrag von Johanna »

Der oder die Tittentaster?

Ein einzigartiger Reiz geht von den Backsteinbasiliken in Norddeutschland aus. Grösse und Leichtigkeit ergeben in ihrer Mischung eine Kombination die mich in Staunen versetzt. Dazu kommt der Kontrtast der Farben – das Rot der Steine, grüne Dächer helle Innenwände mit zum teil bunter Bemalung.
Die Backsteinbasilika wie sie sich von St. Marien zu Lübeck aus im gesamten Ostseeraum verbreitet hat ist ein eigenständiger sakraler Architekturtyp.
St. Nikolai in Wismar, St. Marien in Rostock, St. Petri in Wolgast um nur einige zu nennen, bei denen die Baumeister enge kulturelle Gemeinsamkeiten im Ostseeraum schufen.
In St. Nikolai in Wismar gibt es keine Empore auf denen die Gläubigen Platz nehmen könnten.

Das Tryptichon mit den vielen Figuren in der Kirche sticht ins Auge. Im Rundgang der um den Hauptaltar besteht, ist eine Ausstellung. Die Platten auf dem Boden sind Gedenksteine. In den abgegrenzten Seitenräumen sind Bilder der Geschichte von St. Nikolai ausgestellt, eine Kinderkapelle ist untergebracht und auch eine Leihbücherei. Im Hintergrund sind Kopfseiten von alten Betstühlen/Bänken aufgestellt. Hier zeigt sich grosse Schnitzerkunst in den Figuren – ein sitzender Mann hält etwas in seiner Hand – es sieht fast wie ein langer Fisch aus, der Bart ist sehr gepflegt, man sieht die einzelnen Haarsträhnen und auf dem Kopf trägt er ein Tuch. Darunter ist auf dem Seitenteil eine Madonna mit Kind zu sehen. Auf einem anderen Stück sitzt ein anderer Mann, der das gleiche Teil in Händen hält – allerdings ist dieser hier weder bärtig noch trägt er eine Kopfbedeckung. Diese gotischen Chorgestühle sind von St. Georgien hierher ausgeliehen.

An einem der Seitenaltäre sieht man in der Mitte die apokalyptische Madonna die von zwei ritterlichen Helden flankiert wird, Erzengel Michael in jüdischer und christlicher Überlieferung der erste und vornehmste unter den Engeln. In der Vision der Madonna macht ein grosser Drache Front gegen die Frau und ihr Neugeborenes, welches er verschlingen will. Doch Michael bekämpft und besiegt den grossen Drachen. Die andere Seite wird von dem Anführer der Thebäischen Religion aus Thebais in Oberägypten eingenommen. Der heilige Mauritius war ein Schutzheiliger des Heeres, der Infanterie, der Messer- und Waffenschmiede und wurde angerufen vor Kämpfen, Gefechten und Schlachten. Das Reichsschwert und die heilige Lanze, wurden ab dem Hochmittelalter ebenfalls auf den heiligen Mauritius zurückgeführt.

In anderen Seitenaltären sind Holzschnitzarbeiten (Bilder) zu sehen. Kunstvoll wurden diese Figuren aus dem Holz herausgearbeitet – in Form eines Tryptichons. Auch hier eine silberne Grabplatte der Herzogin Sophie die 1504 gestorben ist.

Vor einem grossen Altarbild im Hintergrund steht ein Ring. Dieser Ring auf dem Boden hält lange Stäbe, die in Form von Ästen und Blattansätzen Grablicher für Verstorbene oder andere nahestehende Personen aufnehmen kann. Auch wir haben hier unserer Verstorbenen gedacht, wie in fast jeder Kirche in der es diese Art des Gedenkens gibt.

Die Kirche St. Georgen hat einen Aufbauverein – in einem Schaukasten aussen an der Kirchenmauer ist ein grosses Schild mit Aufgaben und Beschreibung aufgestellt. Die St. Georgenkirche zu Wismar wird in Bildern vor der Zerstörung von 1944 gezeigt.

Zwischen 1340 und 1346 trieb der bekannte Till Eulenspiegel auch in Wismar seine Spässe und hinterliess an der Südseite des Hauptgewölbes der Marienkirche sein Ebenbild auf einem Backstein.

Erstmals wurde die Hauptpfarrkirche der Stadt 1250 erwähnt. Nach schweren Bombenschäden wurde die Ruine des Kirchenschiffs weder gesichert noch saniert. Lediglich der hohe weit sichtbare Kirchturm wurde erhalten.

Auf einem Podest vor dem abgesperrten Bvaugelände ist eine Miniaturausgabe für Sehbehinderte Menschen aufgebaut.

Bei unserem Stadtrund“gang“ (ich wurde von Uwe im Rollstuhl geschoben) sahen wir auch ein Haus in welchem das Tor mit einem Schwedenkopf verschönt wurde. Dieses Gebäude nennt sich „alter Schwede“ war einstmals eine Gaststätte und wurde 1380 erbaut. Eines der ältesten und prächtigsten Bürgerhäuser Wismars. Hier wurden die diversen Mitbringsel der Seeleute bei der Restaurierung und Rekonstruktion in die Gestaltung des Gastraumes mit einbezogen. Auf dem Marktplatz viele schöne Häuser – von hier aus geht auch eine Strasse ab, deren Schild von den Touristen mit einem Lächeln abgebildet wird: die Tittentasterstraße.

Wir wollten zurück zu unserem Parkplatz, aber auf dem Weg dorthin kamen wir an dem Welt-Erbe-Haus vorbei. Der Kemladen aus Fachwerk steht auf den Grundmauern eines mittelalterlichen Vorgängerhauses. Das Fundament aus losen Feldsteinen und die Einrichtung einer Abfallgrube haben zum Absinken des Nordteils geführt. In diesem Haus sind die Kirchen Wismars noch einmal genau abgebildet und erklärt. Ebenso ist die Geschichte des Fürstenhofs, des Zeughauses und des Rathauses detailliert beschrieben. Die Holzalterbestimmung ist erklärt – wie man durch die Dendrochronologie die Abstände der Jahresringe bei einer Holzprobe bestimmen kann. Man kann dadurch auch ersehen wann der entsprechende Baum gefällt und wann demzufolge ein Gebäude frühestens entstanden sein kann.

Auch die entsprechenden Wandmalereien sowie das Restaurieren werden hier genauestens erklärt. In einem Raum waren grosse Bildtapeten an den Wänden. In der Mitte des grossen Zimmers stand eine Bank mit Kopfhörern und hier erzählte diese Tapete ihre Geschichte. Das Haus in welchem diese aussergewöhnliche Tapete die Lebensgeschichte erzählt gehörte der Familie Lembke. Eine Familie die ursprünglich von der Insel Poel stammt.

Auch die Häuser- und Giebel-formen sind ausführlich erklärt. Dreiecksgiebel, Staffelgiebel, Schweifgiebel haben alle unterschiedliche Formen.
Der besondere Haustyp war das Dielenhaus. Den Namen erhielt es durch den grössten Raum mit einer bis zu 6 m hohen Diele. Sie diente der Repräsentation, hier fanden Handelsgeschäfte des Hausherrn statt. Ausserdem war sie Aufenthaltsraum der Familie.Im Lagerkeller unterhalb der grossen Halle und in Lagerböden oben unterm Dach wurden die Handelswaren gelagert. Hier führte ein Aufzugsmechanismus nach oben. Das Kontor war die Schreibstube des Kaufmanns – diese war von der Diele abgetrennt und wurde über die grosse Feuerstelle mitbeheizt.
Im Garten hinter dem Haus war ein Rondell welches die Wasserwege in der Stadt aufzeigten.

Nach einem Einkauf in einem Fischgeschäft machten wir uns auf den Rückweg.
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