Warsteiner Welt

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Warsteiner Welt

Beitrag von Johanna »

Rotarium

Der Onkel von Uwe hatte Geburtstag – wir schenkten ihm Zeit, Zeit für eine Besichtigung oder etwas anderes seiner Wahl. Da er sich nicht entschliessen konnte, fuhren wir mit ihm am vergangenen Freitag (2.8.) in eine grosse Brauerei – nach Warstein.
Eine Führung haben wir ebenfalls angemeldet und für 12:00 Uhr gebucht.
Die Zufahrt über grosse Ländereien – Pferdezucht und Galloway-Rinderzucht inbegriffen zeigte schon die Ausmasse des Besitzes der Familie Cramer.

Die Warsteiner Brauerei ist ein Familienunternehmen welches seit 9 Generationen dem Bierbrauchen auf höchstem Niveau verpflichtet ist.
Im 18. Jahrhundert gehörte das Bierbrauen wie Backen und Schlachten zu den gängigen Hausarbeiten und zur Selbstversorgung auf dem Land. Antonius Cramer war der erste urkundlich erwähnt Brauer. Er legte den Grundstein für das Unternehmen welches heute Weltruf geniesst.

1753 wurden erstmals Steuern in Höhe von einem Reichstaler und 19 Gulden auf das Selbstgebraute bezahlt. Sein Nebenerwerb florierte, denn sein Haus gegenüber der Warsteiner Kirche war für einen Bierausschank ideal. Hier konnte er sein Bier direkt aus dem Fenster heraus an die Kirchgänger verkaufen.

1802 zerstörte ein Großbrand alle Häuser die um die Kirche herum standen – Johannes Cramer nutzte mit seinem Sohn Caspar die Gelegenheit und baute ein neues Anwesen im Tal. Dieses Stammhaus der Brauerei war Schank- und Beherbergungsbetrieb sowie Brauerei zugleich. Die Qualität des Bieres sowie die Gastfreundschaft der Besitzer fanden Zuspruch bei den Reisenden.

1873 entwickelte Carl Linde den heutigen Kühlschrank Louis Pasteur erforschte den Umgang mit den bis dahin unbekannten lebenden Hefeorganismen. Die gewerblichen Brauereien schafften Maschinen an um den Ausstoß zu vergrössern. Die neue Kühltechnik ermöglichte neben dem obergärigen Bier auch untergärige Biere zu brauen, die Ausbildung des Bierbrauers wurde professionalisiert.

1898 warten die Söhne Albert und August von der neuen technik fasziniert, sie überzeugten den Vater von der notwendigen Modernisierung. Eine Dampfmaschine wurde gekauft die bei einem Ausstoß von 3000 hl Bier eine erkleckliche Summe kostete. Sie beantragten im Namen des Vaters obendrein die Ei ntragung des Unternehmens ins amtliche Handelsregister. Die vorausgesehene Umsatzsteigerung brachten die grösseren Mengen abgefüllter Flaschen, die sich als hervorragender Werbeträger eigneten.

Nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 wird Bier ausschliesslich aus Hopfen, Malz, Wasser und Hefe gebraut. Besonders für Pils-Biere ist die Qualität des Wassers entscheidend. Nach langer Suche entdeckte Albert Cramer sen. 1928 eine Quelle mit besonders weichem Wasser. Dieses eignet sich am besten zum Brauen von Pilsbieren. Cramer sicherte sich die dauerhaften Wasserrechte an dieser Quelle in der Nähe der heutigen Waldparkbrauerei. Heute besitzt die brauerei ein eigenes Wasserreservoire im Naturschutzgebiet Arnsberger Wald.

Die Anschaffung der Dampfmaschine sowie die Entdeckung der Kaiserquelle waren wichtige Meilensteine in der Geschichte der Brauerei. Das Unternehmen blieb durch Investitionen und Innovationen dadurch konkurrenzfähig und krisenfest. Die Pferdekutschen wurden gegen Kraftfahrzeuge, später Kühlwagen ausgetauscht – statt Fassbier wurden immer mehr Flaschen auf den modernen hygienischen Anlagen abgefüllt und vertrieben. Dank der Lage im Sauerland wurde die Brauerei im Krieg nur wenig beschädigt und konnte so schnell neue Kunden gewinnen.

1962 gehört die Warsteiner Brauerei mit 10.340 hl zu den deutschen Großbrauereien. Ein Hochhaus für die wachsende Versandabteilung wird gebaut. 203 Mitarbeiter sind damit beschäftigt die steigende Nachfrage zu befriedigen. Bei einer späteren Modernisierung wird das Wort „Pilsener“ ersetzt durch das lateinische Motto „Premium Verum“ - frei übersetzt „das einzig Wahre“

In den Jahren 1974 bis 1978 wurde die Warsteiner Brauerei im Waldpark erbaut. Inhaber Albert Cramer (geb. 1943) realisiert in seinem Lebenswerk eine grosse unternehmerische Vision. Er macht aus dem regionalen Warsteiner Bier eine nationale und internationale Marke. Heute umfasst die brauerei ein Areal von 80 Fußballfeldern und besitzt einen eigenen Gleisanschluß.

Für das Kelchglas ist der sich öffnende Blütenstand einer Tulpe Inspirationsquelle und Namensgeber zugleich. Der künstlerische Entwurf und die Namensgebung ist etwas besonderes: Andy Warhol verarbeitete die Tulpe in einem Kunstwerk und lieferte die Acrylsiebdrucke persönlich 1984 in Warstein ab. Das Original hängt seitdem im Verwaltungsgebäude der Brauerei.Die mundgeblasene Magnum-Version ist als Trophäe bei zahlreichen Sportveranstaltungen vom Siegertreppchen nicht mehr wegzudenken.

Nachdem wir in der sehr großzügigen Eingangshalle der Warsteiner Brauerei unseren Eintritt bezahlten, bekamen wir jeweils ein rotes Armbändchen für den Aufenthalt und das kostenfreie Probieren der verschiedenen Marken nach der Führung ausgehändigt. Doch zuerst ging es in das Rotarium.

Das Rotarium ist ein besonderes Kino. Man sitzt auf Stühlen die auf einer sich langsam drehenden grossen runden Drehplattform befestigt sind. Auf einer 360° Leinwand wird ein Film abgespielt und je nach Film-Scene wird dazu auch im unteren Bereich gezeigt, welche Zutaten man benötigt und im oberen Bereich ist ein Laufband, welches die heutige Situation zeigt. So sind z.B. zuerst Malzsäcke und Hopfen, ausserdem ein Bild mit der Überschrift „Gott gebe Glück und Segen drein“ zu sehen. Das Bild zeigt ein Bierfass mit Getgreiderispen, einem Wassereimer, Hopfen sowie einem Kochlöffel. Dann dreht sich die Zuschauerscheibe weiter und man sieht einen Keller voll mit Holzfässern – real steht auf der Bühne dann weitere Geräte welche man früher zum Bierbrauen benötigte. Auch eine alte Flaschenabfüllmaschine konnte man betrachten sowie einen Handwagen mit Bierfässern.

Nachdem wir das Rotarium nach einer halben Stunde Vorführzeit verlassen haben wurden wir mit einem Bus – bzw. Zug (4 Wagen) in einer knappen Stunde durch das Firmengelände gefahren. Wir sahen die Unmengen von gestapelten Bierkisten – alle gefüllt mit Flaschenbier. Durch grosse Tore ging es in die einzelnen Fertigungshallen. Braukessel an Braukessel Maischepfannen, Läuterbottiche, Würzepfanne, Whirlpool, Gärtank und Lagertank – Das Steuerungsareal mit Computern, Bildschirmen war riesig gross – die Abfüllanlagen mit Überschriften an der Decke: Auf die Flaschen, fertig los! Auf dem nächsten Abschnitt stand dann an der Decke: 6000 Kästen pro Stunde - die Abfüllanlagen sind gigantisch. Bei den Flaschenfüllern werden 50.000 Flaschen in der Stunde abgefüllt. Ein Hubwagen kann 8 Paletten voll gefüllt mit Flaschenkästen ohne Probleme anheben und in die richtige Position bringen – oder zum Beladen von LKW dienen. Auch der Onkel von Uwe sagte dass er noch nie so eine grosse Brauerei gesehen hätte.

Welche Brauerei hat schon eine eigene Autolackiererei? Hier können 4 LKW problemlos um- oder neulackiert werden. Ausserdem gehört zu der Anlage ein grosser Autowaschplatz an welchem auch firmenfremde LKW gewaschen werden können. Die LKW stehen vor der Ausgabe und warten darauf, dass sie zum Beladen aufgerufen werden. Dann müssen sie bestimmte Strassen in dieser Halle fahren um an den für sie vorgesehenen Platz zu kommen. Der Gleisanschluss für die Beladung der Container hat ebenfalls grosse Ausmasse und man sieht die riesigen Stapel von Bierkästen überall.

Nach der Rundfahrt durch den Betrieb (die Strassen in den riesigen Hallen sind mit Ampeln ausgestattet) kamen wir in die gemütlichen Räume zum Bierverkosten. Hier war alles auf „bayrisch“ eingerichtet. Gemütliche Tische, Bänke, in jedem Abschnitt eines Tisches waren Brezeln – frischgebacken für die Gäste. Man konnte sich an der Theke das Bier oder die Bierschorle holen, das man gerne trinken wollte. Zwei Stunden waren dafür vorgesehen.

Doch wir wollten uns lieber noch einmal in der Eingangshalle umsehen – hier war ein kleiner Lieferwagen von früher ausgestellt, sowie ein Rennwagen. In einem Glaskasten die Montur eines Rennfahrers – an der Stirnwand viele Bierflaschen, alle mit anderem Etikett dieser Brauerei – ich habe die Flaschen nicht gezählt aber es waren sicher mehrere hundert! In einem kleinen Shop wurden alles Dinge von Warstein angeboten. Es gab unter anderem Käppi, Sitzkissen, Bücher und auch Bierliköre. Wir sahen einen kleinen Prospekt von der jährlich stattfindenden Warsteiner internationalen Montgolfiade 2019. Hier gibt es auch ein Gästehaus mit 18 Zimmern. Ein Hotel Garni mitreichhaltigem Frühstücksbuffet. Auch für Reisemobile und Caravans sind auf über 4000 qm Plätze eingerichtet.
Insgesamt hat sich dieser Besuch wirklich gelohnt.
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Ivi
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Re: Warsteiner Welt

Beitrag von Ivi »

Man, gleich zwei mal verpasst :cry:
Vor dem Wunder steht der Glaube!
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