"Fridolin"

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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"Fridolin"

Beitrag von Johanna »

„Fridolin“

Das Museum ist sehr klein und hat auch nur am Sonntag geöffnet – also fuhren wir an einem Sonntag nach Lindewerra um uns das Stockmachermuseum anzusehen.

Der wahrscheinlich bereits in der fränkischen Zeit vor 900 entstandene Ort Lindewerra wurde 1299 erstmals als „Lindenewerde“ urkundlich erwähnt. Der Name leitet sich von lindenbestandenem Werder ab und wurde erst später auf die Werra bezogen. Das Dorf gehörte bis zur Säkularisation 1802 zu Kurmainz. Die Gerichtsherrschaft hatte bis 1849 die Familie von Hanstein inne. Von 1815 bis 1945 war der Ort Teil der preussischen Provinz Sachsen. Soviel steht bei Wiki…..

Graf Otto von Lauterberg übergab sein Gut zu Lindenewerde dem deutschen Orden zu Marburg. Später waren die Edelherren von Plesse, die Abtei in Fulda und die Familie von Dörnberg Besitzer des Ortes, bis es die Familie von Hanstein 1379.u xcderen Partrimonialgericht gehörte Lindewerra bis 1849.
Als Eichsfeldisches Dorf unmittelbar an der hessischen Grenze zählte Lindewerra zum Kurfürstentum Mainz bevor es 1802 preussisch wurde.

Nach der Sprengung der Werrabrücke am 8. April 1945 besetzten amerikanische Truppen den Ort, der aber im Juli 45 Teil der sowjetischen Besatzungszone wurde. Bis 1989 war Lindewerra Bestandteil des Schutzstreifens im Grenzgebiet zwischen DDR und BRD.

Im Jahr 1836 kam der Stockmacher Wilhelm Ludwig Wagner nach Lindewerra und prägte dessen wirtschaftliche Entwicklung entscheidend. Er begann mit der Stockanfertigung wozu er die Schößlinge der Eichenwaldungen im Höheberg nutzte. Die Einwohner erkannten eine Chance zur Überwindung ihrer Armut und bereits 1860 gab es 6 Familienbetriebe die Stöcke herstellten. 1915 wurden bereits in 15 Familien Stöcke hergestellt. Und 1951 schlossen sich 21 Stockmacherbetriebe der Einkaufs- und Liefergenossenschaft der holzverarbeitenden Industrie in Heiligenstadt an. In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wurden für den Export bereits ca 350.000 Stöcke gefertigt.

Der traditionelle Wanderstock, meist ein Edelkastanien-Schößling aus einer spanischen Plantage wird noch heute vorwiegend in Handarbeit hergestellt, wobei er bis zu seiner Fertigstellung 32 Arbeitsgänge durchlaufen muss. Neben dem erforderlichen Richten, Trocknen, Schleifen und Lackieren ist das Anbiegen des „Hakens“ des Stockgriffes – der interessanteste, aber auch komplizierteste Arbeitsschritt. Die wesentlichen Arbeiten werden im Backhaus und in der Arbeitsstube ausgeführt, auch wenn der traditionelle grosse Backofen inzwischen durch moderne Trockenanlagen ersetzt wurde. Zur Herstellung der Krankenstöcke findet einheimisches Buchenschnittholz als Rohstoff Verwendung.

Hier kann man Wanderstöcke für Herren, Damen und Kinder aus besten Naturhölzern ansehen. Mit Rundhaken, Wurzelgriff oder gedrechseltem Knauf, mit Edelstahlspitze oder auch als elegante Stütze – besonders leicht und attraktiv. Gearbeitet aus Manilaroihr, Pfefferrohr mit verziertem Griff aus Silber, Alpacca, Nickel oder Elfenbein.
Im Museum ist ein langes rundes „Fass“ aufgebaut in welchem die Stöcke gewaschen wurden, der alte Ofen mit dem Feuerloch ist ausser Betrieb – hier wurden die Stöcke dann getrocknet und die Vorrichtung für das Biegen der Griffe mit den einzelnen Haken ist auch noch vorhanden. Zum Schluss wurden die gebogenen Griffe mit dem Stock (ver-) gebunden, damit sie die Form behalten.

Die aufgehängten Bilder zeigen u.a. Frauen beim Schleifen der Stöcke, die verschiedenen Arbeitsgänge und einige der Obermeister der Berufsgruppe der Stockmacher aus Lindewerra.
Die erste Anbiegemaschine 1984 wird genauso gezeigt wie Frauen beim Stockscheuern. Die Wochenlohnabrechnung ist ein interessantes Schriftstück. Und dann hängt an der Wand auch eine Einkaufshilfe. Zwei Stöcke, die oben zusammenmontiert sind – sie sind wie der Buchstabe A und haben unten jeweils ein Rad. An diesem oberen Teil ist ein Griff für eine Einkaufstasche und das Ganze nennt sich: „Marktroller Fridolin – Erfinder: Ing. Carl Beckmann, Berlin Zehlendorf 1933.

Neben der Tür ein Schild: Es ist der Stock der manchem fehlt.
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