Auf Schusters Rappen

 

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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Auf Schusters Rappen

Beitrag von Johanna »

Auf Schusters Rappen, Teil 1

Nach der Schürzenröstung haben wir uns in der Gegend umgesehen und zwei dankbare Objekte für unsere Neugierde gefunden. Das erste in Weißenfels ein Schokoladenmuseum – das zweite ein Schuhmuseum.
Das Schokoladenmuseum entpuppte sich als Reinfall – es gab nur einen Fabrikverkauf, nicht mal eine Besichtigung, also blieb uns das Schuhmuseum als Alternative. Im Freien konnten wir nichts unternehmen – es regnete und weitere Strecken mit Rollstuhl und Regenschirm – nein das ist wirklich zu blöd.

Schloss Neu-Augustusburg in Weissenfels – dort ist das Schuhmuseum untergebracht. Viele Stufen sind zu erklimmen, aber es lohnt sich.
Die Türen sind schmal und klemmen teilweise – man sieht dem ganzen Gemäuer an dass Sachsen-Anhalt hier noch einiges investieren muss, bis es in altem Glanz erstrahlt.

Das Schuhwerk als eines der ältesten Bekleidungsstücke der Menschen wurde über die Jahrhunderte in einigen wenigen Grundtypen gefertigt, wenig abhängig von modischen Tendenzen . Die Schuhe der völkerkundlichen Sammlungen wurden im 19. Jahrhundert bzw. zu Beginn des 20. Jahrhunderts hergestellt. Unser Rundgang fing bei den Rindenbastschuhen aus Finnland an. Die angeflochtene Vorderkappe ist im Schachbrettmuster gefertigt. Danach folgen Baumrindenschuhe – ebenfalls im Schachbrettmuster mit Rundschlaufen für eine Schnürung – aus Lettland stammend.
Die typische Schuhform welche die Völker der Balkanstaaten trugen ist die Opanke, je nach sozialer Schicht stark differenziert. Die Urform der Opanke wurde aus einem rechteckigen Stück nicht gegerbter Tierhaut gefertigt. Die Spitze hochgeschlagen und auf der Mitte des Fußristes vernäht. Der durch den Rand gezogene Riemen gab der Opanke am Fuß halt. Das wurde von der bäuerlichen Bevölkerung selbst hergestellt. Später wurde dann Leder verwendet – die Sohle ebenfalls rundherum hochgezogen und ein geflochtener Einsatz als Vorderblatt eingefügt.

In den skandinavischen Ländern wurden Schuhe und Stiefel aus Leder getragen, das besondere daran waren die an den Fußrändern hochgezogene und rund um den Fuß gefältelte Sohle sowie der auf den Spann eingearbeitete nach vorn spitz zulaufende Einsatz. Diese Schuhe waren meist absatzlos und hatten verschiedene Verschlußarten. Die Fischerstiefel reichen bis an die Hüfte, die Nähte sind wasserdicht gearbeitet und das Leder ist besonders gefettet.

Für die Herstellung von Kleidungsstücken und Gebrauchsgegenständen aus Fischhaut verwendeten die sesshaften Fischer Karpfen und Lachse. Nach dem sorgfältigen Abziehen wurde die Fischhaut zunächst gereinigt, getrocknet und anschliessend mit einem Holzhammer auf einer Unterlage weich geklopft. Zu grossen Stücken aneinandergenäht konnten die Teile für Kleidungsstücke zugeschnitten werden.

Die arktischen Völker, Samen und Lappen hatten ein Fellzelt als Wohnunterkunft im Sommer, das Schneehaus im Winter. Das Meer war wichtigster Nahrungslieferant. Fische, Walrosse, Robben und Wale wurden gefangen durch die Jagd erlegte man Rentiere Eisbären und Moschusochsen – diese Tiere lieferten Materialien für die Bekleidung, Wohnbau und die Dinge des täglichen Bedarfs.

Schuhe aus Frankreich waren dagegen schon hochmodisch – ein Holzschuh für Festtage mit extrem hochgezogener Spitze, reich mit Besatznägeln verziert, das Vorderteil mit Lacklederbesatz und Metallband verschönt. Dagegen nahm sich der Holzschuh für Frauen aus Frankreich sehr spartanisch aus.

Als Ursprungsland für Holzschuhe gilt Holland. Die Lage an der See, das feuchte Klima und der nasse Boden haben dort ihre Entstehung begünstigt. Sie verbreiteten sich nach Belgien, Frankreich, Schleswig-Holstein und Friesland, nach Dänemark sind also an der ganzen Nordseeküste anzutreffen.Die Rohform wurde aus Erlen, Pappeln Weiden oder Linden durch Herausschlagen mit einem Beil hergestellt. Das Aushöhlen geschah mit verschiedenen Bohrern, Die Holzschuhe wurden anschliessend geräuchert, so erhielten sie die schöne braune Farbe und wurden gleichzeitig getrocknet. Diese Holzschuhe sind absolute Arbeitsschuhe und gleichzeitig Bestandteil der Volkstrachten in den küstennahen Regionen.

Die islamische Tradition der Geschlechtertrennung verbot den Frauen bis ins 19. Jahrhundert am öffentlichen Leben teilzunehmen, So war der Besuch der türkischen Bäder für die Frauen der Mittelschichten eine der beliebtesten Abwechslungen. In diesen fußbodenbeheizten Bädern trug Frau als Badeschuh Stelzsandalen, die Kapkap. Diese Stelzsandalen haben in der Türkei und in Syrien jahrhundertelange Tradition und wurden auch zur Festtagskleidung vornehmer Frauen getragen. Wir sahen schön geschnitzte Stelzsandalen und ich fragte mich, wie Frau darin laufen kann, da kaum Halt für die Füsse vorhanden war. Lediglich ein Ristband war bei manchen Stelzen angebracht.

In der Türkei waren Pantoffel und Stiefel die Grundtypen des von Männern und Frauen getragenen Schuhwerks. Die Vorschrift beim Betreten eines Hauses oder beim Gebet die Schuhe auszuziehen hat die Verbreitung des Pantoffels sehr begünstigt.

Auf dem afrikanischen Kontinent ist die Sandale der vorherrschende Schuhtyp – allerdings sehr unterschiedlich in Form und Ausstattung. Sie dienten als Schutz gegen heissen Sand und Steine. Auch die Ausbreitung des Islam in Afrika war von Einfluss auf die Gestaltung des Schuhwerks. Man musste es bei den täglichen Gebetsübungen leicht ablegen können, also war ein verkümmertes oder niedergetretenes Hackenteil von Vorteil. Das Schuhmacherhandwerk ist in Afrika schon sehr lange bekannt. Es wurde der Tradition zufolge in der Familie vererbt. Man arbeitete mit handgeschmiedeten Werkzeugen . Das Leder wurde mit dem Messer geschnitten, die Sohlen zusammengeklebt und mit einer Handnaht vernäht.

Die chinesischen Frauen mussten was Fußmode und Schuhe anbetraf so einiges aushalten. Wir sahen einen Gipsabdruck eines verkrüppelten Frauenfusses – die Schuhe sahen auch demensprechend aus. Mädchen wurden bereits als Kleinkinder die Füsse so bandagiert dass die Zehen unter die Fußsohle zu liegen kamen. In China gab es seit dem 10. Jahrhundert den Brauch des Füßebindens. Dieser Brauch soll im kaiserlichen Palast entstanden sein. Kleine Füße bei Frauen und Mädchen waren das Schönheitsideal überhaupt. Zunächst nur bei den oberen, später auch in den mittleren Gesellschaftsschichten. Diese wurden als Gin-lien, als Lotosblüten oder Lilienfüße bezeichnet und demonstrierten Anmut und Adel. Das Maß aller Dinge waren 13 cm, wobei ein normaler Gang nicht mehr möglich war. Erst 1911 wurde diese Sitte der Lilienfüße verboten.
Typische chinesische Männerschuhe waren aus schwarzem oder blauen Stoff – einfachere Leute trugen sie aus Baumwolle, höhere aus Seide, Samt oder Damast. Der Rand der Schuhe ist eingefasst die Nähte am Fersenteil und über dem Fußrist paspeliert. Die Sohle aussen weiss-verschmiert, besteht aus mehreren Schichten – die runde Schuhspitze ragte über die Sohle hinaus.
Mandschuhfrauen durften ihre Füße nicht bandagieren, sie trugen deshalb den Männerschuhen ähnliches Schuhwerk.
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