Fensterwände

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
Antworten
Benutzeravatar
Johanna
Beiträge: 4362
Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
Wohnort: Nordhessen

Fensterwände

Beitrag von Johanna »

Am Freitag bekam Uwe vom Hobbyornithologen den Tipp für eine Besichtigung die sich lohnen würde:
Kloster Volkenroda zu Körner gehörend….wir machten uns gleich am Sonnabend auf den Weg.

Als wir ankamen zeigte sich das Kloster als sehr gepflegte grosse Anlage.
Das erste Gebäude welches wir nach dem Parkplatz besuchten war eine Kirche – besser gesagt die restaurierten Überreste einer Kirche. Dieser Kirchenchor war in diverse Abteilungen gegliedert.
Der erste kleinere Teil zeigte an der Stirnseite ein ausgefallenes Kreuz mit der Christusfigur. Diese hatte weder einen vollständigen Kopf noch Arme.

In der nächsten grösseren Abteilung stand an der Stirnseite eine kleine Orgel. Jeder zweite Stuhl war mit einem Zettel belegt auf welchem stand: Hier bitte freilassen! - das ehemalige Kirchenschiff/Langhaus war nur noch durch Mauerreste durch die grossen Fenster zu erkennen. Sonnenschein durchflutete diesen wunderschönen Chor und man hatte den Eindruck dass trotz Fehlens des Kirchenschiffes alles vollständig war!

Die Wege und Plätze zwischen den einzelnen Gebäuden waren gepflastert und so konnte Uwe mich zum nächsten Gebäude ohne grosse Anstrengung schieben.
Der Christuspavillon war ursprünglich bei der EXPO 2000 in Hannover aufgestellt und wurde anschliessend hierher umgesiedelt. Am 19.07.1999 war die Grundsteinlegung dieser EXPO-Kirche, wie man auf einer Platte lesen konnte.
Das Gebäude besteht zum grössten Teil aus Glas und Stahl. Die Fenster sind ganz aussergewöhnlich: Doppelglasfenster deren Zwischenraum mit allerlei täglichem gefüllt ist. Es gibt Fenster die mit Mohnblüten, Kassetten, Teesieben, Federn gefüllt sind. Andere Fenster sind mit Tannenzapfen, Muschelschalen, Disteln, Einwegfeuerzeugen oder Zahnbürsten befüllt.

Das Marienfenster wurde von Hella Santarossa 2000 gestaltet . Der Schutzmantel der Maria der sich über die Zerbrüche der Welt legt (Lukasevangelium 1,46)
Jedes Fenster bekommt dadurch eine eigene Struktur – man sieht Glühlampen, Baumscheiben, Zollstöcke die kunstvoll angeordnet sind.
Der Innenhof um den sich diese Glasfenster reihen, strahlt eine grosse Ruhe aus. Diese Fenster liessen mich vor Begeisterung stumm werden. Das spielerische Licht dieser Fensterwände die Weite des Raumes und die Ruhe die man förmlich körperlich spürt sind einzigartig!
Diese Größe – die Fenster sind auch übereinander angeordnet, sodass durch alle das Tageslicht in diesen Bau hereinscheinen konnte. In einem grossen Innensaal der von allen Seiten zugänglich ist, steht ein Flügel – und ringsherum sind Stühle angeordnet. Dieser Saal wird unter anderem auch für Konzerte und Theateraufführungen genutzt. Filme werden hier auf einer grossen Leinwand gezeigt – ein abendliches Vergnügen.

In den einzelnen Nischen sind teilweise Bilder und Sprüche aufgehängt – auch eine Nische voll mit Büchern ist hier zu sehen. - Ein Gästebuch für den Christuspavillon für 2020 liegt aus.

Auf dem Gelände, ein wenig hinter den Kulissen sind in einem offenen Rund kleine Wiesenhänger – umgebaute Bauanhänger aufgestellt die alle einen Namen tragen und der Gästeunterbringung dienen. In der Mitte ist ein Versammlungsplatz. Zu erkennen an der Feuerstelle mit den rundumführenden hölzernen Bänken.

Im Konvent ist das Dormitorium sowie die Bibliothek untergebracht, welches wir leider nicht besichtigen durften/konnten.
In einem anderen Gebäude ein Laden mit Musikinstrumenten. Die Instrumentenbauer leben und wirken hier. Der Mann ist Trompetenmeister und seine Frau Tambourinmeisterin. Das Geschäft war leider auch geschlossen.

Während der Sommer- und Herbstmonate findet einmal im Monat im Kloster auch ein Tier- und Bauernmarkt statt, der von den Händlern genutzt wird um regionale Waren anzubieten – von Hühnern über Kaninchen und Werkzeuge oder leckere Lebensmittel aus der Umgebung ist alles dabei.

Ausserhalb der Klosteranlage ist ein Pilgerdenkmal aufgestellt.


Ein bisschen was zur Geschichte:

1131 gründeten Zisterzienser das Kloster Volkenroda bei Mühlhausen.
Hier befanden sich die Trümmer der 1074 geschleiften Reichsburg Heinrichs IV, die die Gräfin Helinburgis den aus Kamp kommenden Zisterziensermönchen zur Errichtung eines Klosters angeboten hat.

1150 an Pfingsten wird die Klosterkirche durch den Mainzer Erzbischof geweiht. Von Volkenroda aus werden Tochterklöster gegründet in Waldsassen (1133), Reifenstein (1162), Loccum (1163) und Dobrilugk (1165)

Das Kloster ist reich geworden aber während der Bauernkriege 1525 wird das Kloster unter dem Einfluss von Thomas Müntzer massiv zerstört.

Ab 1540 wird im Zuge der Reformation das Kloster aufgelöst und in ein „Fürstliches Amt“ des Herzogtums Sachsen-Gotha-Coburg umgewandelt. Für den eingesetzten Amtsmann wird auf ehemaligen Nebengebäuden des Klosters der Amtshof gebaut und für die Bewirtschaftung der Ländereien wird der Gutshof mit Herrenhaus errichtet. Das zerstörte Langhaus der Kirche, Kreuzgang und Refektorium werden abgetragen. Das Konventgebäude bleibt als Nebengebäude des Amtshofs erhalten

Wegen Baufälligkeit wird die Kirche 1968 geschlossen, vom Staat gibt es keine Unterstützung für die Renovierung, abseits gelegene Dörfer sollen „abgesiedelt“ werden.

1990 wird die Wiederherstellung der kirchlichen Anlage durch Privatinitiative angestoßen, der Förderverein Kloster Volkenroda wird gegründet.
1994 erwirbt die ökumenisch orientierte Jesus-Bruderschaft e.V., Gnadenthal (eine Kommunität von zölibatären Männern, zölibatären Frauen und Familien) das Kloster mit der Auflage zum Wiederaufbau und Nutzung.
2004 wird der Verein Jesus-Brunderschaft Kloster Volkenroda e.V. als Betreiber gegründet und 2005 übernimmt die Stiftung Kloster Volkenroda die gesamte Klosteranlage.

Das Kloster ist nicht sehr weit von Mühlhausen entfernt, so dass wir auf der Rückfahrt u.a. auch noch eine Sonderausstellung in einer Mühlhauser Kirche über die Zeit von Th. Müntzer ansehen konnten.
Antworten

Zurück zu „ReiseBerichte“