Von Einhörnern und Drachentötern

 

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Johanna
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Von Einhörnern und Drachentötern

Beitrag von Johanna »

so hiess die Ausstellung die wir am Sonntag nachmittag in Mühlhausen besuchten. Es ist eine Ausstellung zu mittelalterlicher Kunst aus Thüringen – beinhaltet ebenso Fakten und Fiktionen zum Leben und Wirken des radikalen Reformers Thomas Müntzer.

In der Marienkirche in Mühlhausen wird zur Zeit diese Ausstellung gezeigt. Allerdings hat sie ein grosses Manko: die dazugehörigen Audiogeräte für die Erklärungen werden nicht ausgegeben.
So ist man auf die Beschreibungen der einzelnen Exponate angewiesen.

Die Anordnung ist sehr durchdacht – der Rundgang beginnt mit einer Mondsichelmadonna aus Thüringen von 1520. Sie ist eine Leihgabe der Kirchengemeinde Troistedt. Die Gottesmutter wird durch die ihr zu Füßen liegende Mondsichel sowie Zepter und Krone als Himmelskönigin charakterisiert.
Der heilige Martin und Christus als Gärtner wurde Anfang des 16. Jahrhunderts in Franken oder Sachsen aus Lindenholz hergestellt.
Die Szene mit dem heiligen Martin, der seinen Mantel mit dem als Bettler verkleideten Christus teilt war im Mittelalter weit verbreitet. Diese Szene aber ist nicht so geläufig. Nach biblischer Überlieferung traf Maria Magdalena am Ostermorgen auf den wieder auferstandenen Gottessohn, nachdem sie dessen Leichnam nicht mehr im Grab vorgefunden hatte. Schliesslich erkannte sie, dass es sich bei dem vermeintlichen Gärtner um Christus selbst handelte.

Es sind Figuren ausgestellt sowie Gemälde. Eines dieser Tafelgemälde wird stilistisch dem in Erfurt ansässigen Maler Peter von Mainz zugeschrieben, der das Pfeilerbild mit dem Stammbaum Mariens im Dom zu Erfurt schuf. Der auf dem rechten Altarflügel abgebildete Heilige Bonifatius wirkte als kirchlicher Missionar im 8. Jahrhundert auf deutschem Gebiet und gründete 742 das Bistum Erfurt. Marta hospita wird als gastliche Wirtin die Christus bei sich empfängt, dargestellt.

In Saalfeld etablierten sich ab dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts einige der bedeutendsten Bildschnitzer- und Malerwerkstätten Thüringens. Aus Erfurt und Franken eingewanderte Künstler schufen hier eine Vielzahl von Altarretabeln für die Kirchen. Dabei fertigten sie auch u.a. Altäre mit aufgereihten Heiligenfiguren. Hans Gottwalt von Lohr brachte z.B. durch seine Ausbildung bei Tilman Riemenschneider eine neue Qualität in die Bildschnitzkunst Thüringens. Seine Urheberschaft lässt sich an ca 20 erhaltenen Retabeln nachweisen. In einem Schaukasten werden die Handwerkzeuge der Holzschnitzer gezeigt ebenso die einzelnen Arbeitsschritte vom Anzeichnen der Umrisse von den zukünftigen Figuren auf Holzklötze bis zur fertigen Figur.
Die Holzschnitzer sahen sich selbst als Handwerker an – für unser heutiges Verständnis waren sie eher Künstler.
Die Vorbereitungen traf der Schreiner, der das Holz aufsägte, stapelte und trocknen liess. Der Schnitzer wählte dann das Beste für sich aus. Zuerst skizzierte er die Figur mit Holzkohle auf das Rohstück, dann arbeitete er die groben Umrisse mit Säge und Axt heraus. Für die weitere Arbeit spannte er das Werkstück in die Schnitzbank ein und mit dem Schnitzeisen trug er Schicht für Schicht das Holz ab. Für die Feinheiten (Haare, Falten oder Finger u.ä,) wurden dann auch feinere Werkzeuge verwendet.
Zum Schluss wurde die Oberfläche geglättet und der nächste Handwerker schuf mit Farbe die Fassung.

Desweiteren lernte ich bei dieser Ausstellung auch die Bedeutung der Bezeichnung „Predella“.
Mit diesem Ausdruck wurden einige Figurengruppen bezeichnet und jetzt weiss ich dass eine Predella ein meist hölzerner flacher Sockel ist, der auf dem Altartisch, der Mensa, in christlichen Kirchen steht und den eigentlichen Altaraufsatz, das Retabel trägt. Manchmal ist die Predella auch
als Reliquienschrein nutzbar.

Neben den Bildern und Figuren war auch das Faksimile einer Handschrift des Thomas Müntzer ausgestellt, sowie sein angebliches Schwert.
Mit der Selbstbezeichnung „Tomas Müntzer mit dem Schwerte Gideonis“ unterzeichnete der Reformator im Mai 1525 mehrfach Briefe. Während dabei der Bezug auf das alte Testament eindeutig ist, gibt es allerdings bis heute keinen eindeutigen Beweis dass Müntzer tatsächlich im Besitz eines Schwertes war.
Die Scheide des Schwertes ist sehr kunstvoll verziert – auch der Griff ist nicht aus Holz sondern aus einem Edelmetall gehämmert, die Verzierungen Blätter, Ornamente Linien und Punkte in reichhaltiger Anzahl machen diese Waffe zu einem Schmuckstück.

Der radikale Reformator Müntzer polarisierte über Jahrhunderte. Als begnadeter Prediger gewann er an vielen Orten eine grosse Anhängerschaft, wurde aber immer wieder von den jeweiligen Landesherren vertrieben. Sogar verfolgt!. Müntzers Versuch seine reformatorischen Ideen umzusetzen kostete ihn schliesslich das Leben.
Von Luther und seinen Anhängern wurde Müntzer als Aufrührer und Unruhestifter hingestellt. In der DDR wurde Müntzer zum Bauernführer stilisiert und seine Anerkennung als Theologe und Reformator kam spät.
Heute gilt er als einer der zentralen Figuren der deutschen Reformation. Denn er reformierte noch vor Luther den Gottesdienst grundlegend. In Allstedt und auch in Mühlhausen teilte er das Abendmahl in beiderlei Gestalt aus und übersetzte theologische Texte aus dem Lateinischen ins Deutsche. Auf den erwarteten Zerfall der alten Kirche und das Ende der Welt wollte Müntzer die Menschen mit einer universalen Reformation und der Schaffung einer Gemeinde von Auserwählten vorbereiten. Er sah auch im Leid einen Weg zum Heil.
Diese unterschiedlichen Standpunkte entfachten heftige Dispute mit Luther oder Philipp Melanchton.

Sehr aufwendig war ein Grabstein eines Bürgermeisters um 1621. Der Bürgermeister wurde in spanischer Tracht in Stein dargestellt. Dieser Bürgermeister war der Erbauer deines Brunnenhauses an der Popperöder Quelle. Das Wappen welches man auch sieht ist der Familie Hoyer zugehörig. Die Mutter des Bürgermeisters stammte aus diesem Geschlecht.

Der heilige Christophorus war als Holzfigur dargestellt, wunderschön und fein ausgearbeitet diese Figur die auf den Schultern ein kleines Kind trägt. Dieser Heilige ist der Patron der Autofahrer bzw. Reisenden. Und dazu gibt es auch eine „Geschichte“
Der Riese Christophorus trug der Legende nach reisende über einen Fluss ans andere Ufer. Als er ein Kind hinüber trug, wurde es ihm so schwer, dass er den Weg nur mit letzter Kraft schaffen konnte. Auf seine Frage warum das Kind so schwer sei antwortete es, weil Christopherus mit ihm die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern getragen habe.
(Christophorus kommt aus dem griechischen und heisst Christusträger)

Zum Abschluss sahen wir noch 8 runde Glasgemälde, die ebenfalls im Mittelalter zu der Ausstattung von Kirchen gehörten. Diese wurden von vermögenden Bürgern, Adligen oder Zünften gestiftet und hinterliessen dabei häufig das jeweilige Wappen oder eine Inschrift mit Namen als Hinweis auf ihre Gabe.
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