Bauernhausmuseum Teil 2

 

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Johanna
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Bauernhausmuseum Teil 2

Beitrag von Johanna »

Die drei Spinnerinnen

In einem weiteren Haus dieses Bauernhausmuseums wurde der Flachsbau – die Verarbeitung von Anfang bis Ende beschrieben.
Der Flachsbau war die einzige Stütze des Wohlstandes. Der Flachsbau war im Jahresablauf der bäuerlichen Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Zum einen verdienten die Bauern durch den Verkauf Bargeld zum anderen diente der Flachs selbst als Zahlungsmittel. Diente ebenso zur Entlohnung des Gesindes und auf den Hof kommende Handwerker.
Gebrochener Flachs war sehr wertvoll und deswegen auch Bestand eines Brautwagens. Das gesponnene Garn bildete die Grundlage für die Herstellung von Kleidung.
Wie die Kosten-/Nutzenaufstellung eines Hofes aussehen konnte wurde an einem Beispiel erläutert und gezeigt. Ein Bauer hatte 112 Morgen Land und bebaute 14 Morgen davon ausschliesslich mit Lein.
Die Ackerbestellung kostete allein bereits 5 Tlr. 26 Gr
dazukamen noch Kosten für die handarbeiten und Fuhren pro Morgen das Jäten dass Ziehen das Aufladen das Einlegen in die Rottgrube das Ausziehen aus den Rottgruben Spreiten, Wenden, Aufbinden usw. alles kostete Geld – jede person war aufgelistet und wieviel bezahlt werden musste.
Das Brechen z.B. wurde von insgesamt 34 Frauen 1 Tag erledigt und kostete 7 Tlr, 2 Gr. Und 6 Pf.
Auch die einzelnen Kosten für die Fuhren waren aufgelistet. Dazu war eine Auflistung wieviel im Durchschnitt pro Preuß. Morgen an gebrochenem Flachs geerntet wurde. In den Jahren von 1838 bis 1843 zusammen 2891 Pfund. Das hört sich vielleicht viel an – aber man muss auch die ganze Arbeit die dahinter steckt sehen! Der Durchschnitt pro Jahr war demnach ungefähr 481 Pfund.

Der Verarbeitungsweg von der im Sommer geernteten Pflanze bis hin zum Garn war aufwendig.
Die Ernte begann Mitte Juli, Anfang August der Flachs wurde von Hand mit der Wurzel aus dem Boden gezogen und gebündelt.
Nach dem Abtrennen der Samenkapseln (Reepen genannt) mussten die holzigen Bestandteile von der Faser getrennt werden.
Allein das Rösten dauerte 9 bis 12 Tage - dieser Gärungsprozess weicht den holzigen Kern und die Klebemasse auf.
Nach der Röste ermöglichten dies trennen Boken und Brechen. Mittels der Bokemühle konnte innerhalb kurzer Zeit mehr Flachs bearbeitet werden als mit der Hand.
Wir konnten gebrochenen Flachs berühren und wunderten uns über die feinen Fasern – somit konnten wir uns diese mühevolle Arbeit vorstellen.

Im Herbst wurden mit verschiedenen Hecheln die Fasern gerade ausgerichtet und im Winter zum Spinnen auf den Wockenstock gebunden. Die vorgeschriebene Spinnleistung auf den Höfen betrug im Herbst 20 Bind., im Winter 30 neben der täglichen Arbeit.
Nach dem Spinnen und Haspeln des Garns wurde die Webkette gebildet und auf den Webstuhl aufgebracht.

Dazu sah man Bilder von Boken – dem Weichschlagen der Stengel von Hand und auch Bilder von einer Bokenmaschine. Hier sassen mehrere Personen – meist Frauen vor den hölzernen Schlagstöcken. Dieser Antrieb der Hämmer (Schlagstöcke) wurde von ausserhalb des Hauses durch ein am Steert umlaufendes Pferd betrieben. Der Steert übertrug den Antrieb auf verschiedene Räder, Wellen und Stockgetriebe.
Wenn ein Hof keine eigene Bokemühle hatte konnte man eine andere durch geringes Entgelt nutzen.
Die Bokemühle die wir anschauen konnten stammt von 1826 aus einem Hof in Wittloge bei Hille.
Dann wurde die Faser gesponnen und anschliessend die Webkette gebildet. Auch hierzu gab es verschiedene Bilder und die ausführlichen Beschreibungen. Eine mühevolle Arbeit das Aufbringen der Kettfäden und das Spinnen.
Wir konnten diese feingesponnenen Tücher berühren und anschauen wie fein und genau hier gearbeitet wurde.
Und hier kam mir nicht nur das Märchen Rumpelstilzchen in den Sinn in welchem verlangt wurde Flachs zu Gold zu spinnen…..Flachs ist so fein und wertvoll – da war der Gedanke daraus Gold zu machen gar nicht so abwegig.
Obendrein erkannte ich das Märchen der Gebrüder Grimm „die drei Spinnerinnen“ wieder. Hier ist die körperliche Mühsal und die Auswirkungen des Spinnens sehr deutlich beschrieben.
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