Roswithastadt

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Roswithastadt

Beitrag von Johanna »

Roswithastadt

Sonntag – das Wetter gemischt – eigentlich sollte es nicht regnen jedenfalls nicht zu der Zeit wenn wir unterwegs sind. Jetzt kann man ja wieder an verschiedenen Dingen teilnehmen. Also fahren wir ganz spontan denn der Vormittag ist bereits vorbei. Da hatten wir anderes zu tun, es kamen Kunden, die sich den Unimog von Uwe anschauen wollten – allerdings wurde aus dem Verkauf nichts.
Egal – wir lassen uns den Nachmittag nicht vermiesen - Uwe fährt Richtung Hannover. Die Autobahn wird verbreitert – Erdbewegungen en masse rechts und links auf viele viele Kilometer. Trotzdem kommen wir gut voran. Und dann erreichen wir die Roswithastadt.
Wieso sie diesen Namen trägt? Nun, Roswitha von Gandersheim war die erste deutsche Dichterin.
Roswitha war eine Frau edler Herkunft und hoch gebildet – sie wollte nicht heiraten trat sicher schon in jungen Jahren in das Familienstift Gandersheim ein. Sie war hochgebildet, schrieb in lateinischer Schrift Dramen, verfasste geistliche Schriften und historische Dichtungen. Über die Aufstände am Beginn von Ottos Regierung und in den frühen 950er Jahren hat Roswitha (auch Hrotsvit genannt) ausführlich berichtet. Einige Werke Roswithas sind verloren. Bekannt ist, dass sie eine in Versen gefasste Vita der Schutzpatrone des Stiftes Gandersheim, der heiligen Päpste Innozenz I. und Anastasius I. verfasst hat. Ihre Verehrung für Kaiser Otto I. brachte Roswitha in den „Gesta Ottonis“ (die Taten Ottos) zum Ausdruck, einem in lateinischen Hexametern verfassten Werk über Familiengeschichte und politisches Wirken Ottos des Großen. Roswitha ist die berühmteste oder besser bekannteste Tochter dieser Stadt.
Es gibt Roswitha-Preise für die Würdigung einer Schriftstellerin unserer Tage, den Roswitha-Ring für die beste Schauspielerin der jeweiligen Domfestspielsaison. Vergleichbar mit dem Ifflandring für den besten Schauspieler.


Uwe brachte mich mit dem Auto bis zu einem Platz an dem auch ein Brunnen mit stilisierten Personen steht – Roswitha kniet vor dem Kaiser Otto I. hier sind sie als Denkmal über einem Brunnen aufgestellt.
Dann parkte er das Auto ausserhalb der Altstadt. Die Stiftskirche von Bad Gandersheim konnten wir leider nicht besuchen, und auch der Blick auf die Roswitha-Fenster in der Stiftskirche waren uns verwehrt, da hier im Moment Domfestspiele stattfinden. Uwe hatte sich für die Aufführung von Goethes „Faust“ interessiert, um mir eine Freude zu machen.
Bad Gandersheim ist ebenso weit von Eschwege entfernt wie Erfurt. Deswegen bot es sich an hierher zu fahren. Zumal hier die Eintrittspreise noch moderat sind.
Nachdem Uwe wieder bei mir eintraf schob er mich mit dem Rollstuhl über Kopfsteinpflaster in die Innenstadt. Rund um die Stiftskirche waren Absperrgitter aufgestellt – die Tribüne konnte man von aussen nicht sehen – aber wir hörten die Musik des Stückes, welches am Nachmittag gespielt wurde. Rings um den Marktplatz sind schöne Fachwerkhäuser zu betrachten – kleine Gassen und fast überall Kopfsteinpflaster.
Das Kloster Brunshausen war die Keimzelle von Gandersheim – bereits im Jahr 852 wurde das spätere Frauenstift von den Stammeltern der Ottonen gegründet. Die Stiftskirche mit der imposanten Westfassade ist das Herzstück der Altstadt. Hier schrieb Roswitha im 10. Jahrhundert ihre Werke und man findet in der ganzen Stadt Spuren von der Dichterin. Der Fernwanderweg „Roswitha“ endet hier. Von der Touristinformation werden Stadtspaziergänge, Nachtwanderungen usw. angeboten – doch das wollten wir nicht – Uwe erstand zwei Karten für die Abendvorstellung „Faust“ – Reihe 1 – ganz nah am Geschehen.
Es fing an zu regnen – es goss, es blitzte und donnerte. Wir suchten Zuflucht unter grossen Schirmen welche die Gaststätten am Marktplatz aufgestellt hatten um ihren Kunden auch vor den Gebäuden Speis und Trank anbieten zu können. Ein Gewitter vom feinsten prassdelte herab, doch wir sassen gut geschützt unter diesen Schirmen, während alle anderen Besucher fluchtartig die Innenräume der Gastwirtschaft aufsuchten. Knapp zwei Stunden vor Beginn der Vorstellung erbat sich Uwe von der Bedienung des Restaurants gelbe Mülltüten – wir hatten weder Schirme noch Regenkleidung, Umhänge und ähnliches bei uns. Er packte mich in die gelben Müllsäcke so ein, dass meine Kleidung trocken blieb und schob mich dann zum Eingang. Und wir hatten Glück – der Regen ging in sanftes tröpfeln über und hörte dann ganz auf. Wir mussten einen Coronatest absolvieren – dann konnten wir hinter der Absperrung das Bühnengelände betreten.
Die Vorstellung war gut besucht, aber nicht ausverkauft – die Masken durften wir abnehmen, weil alle Besucher Corona-negativ getestet waren. Die Aufführung war sehr modern gehalten – Faust wurde von einem Schauspieler so gespielt, dass man mit ihm litt, mit ihm Freude und Leid empfand. Einzig störendes Beiwerk war die Musikuntermalung. Tubatöne – schräg und nicht gerade melodiös.

Dies wird nicht der einzige Besuch von uns hier bleiben, denn in der Umgebung gibt es noch mehr zu entdecken – Roms vergessener Feldzug der einzigartige antike Spuren hier hinterliess. Denn noch 235 nach Chr. waren hier römische Truppen unterwegs. Und auch Bad Gandersheim selbst hat mit Stiftskirche, Stadtmjuseum, herzoglicher Burg, Abteigebäude mit Kaisersaal noch so einiges zu bieten.


Nach der Aufführung, die zwei Stunden dauerte liefen wir zum Auto – die ganze Zeit über hatte Petrus ein Einsehen mit uns und wir konnten das Stück trocken verfolgen. Dann setzten wir zur Heimfahrt an – mit einigen Umwegen, da die Autobahnauffahrt durch die Bauarbeiten gesperrt war. Erst gegen Mitternacht waren wir wieder zu Hause.
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