die erste Stadt Belgiens

 

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Johanna
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die erste Stadt Belgiens

Beitrag von Johanna »

Die erste Stadt Belgiens

Zur Zeit bin ich in Belgien zu Besuch bei meiner jüngsten Tochter mit Familie. Um mir eine Freude zu machen fuhren wir nach Tongeren. Dort hatten wir bereits schon ein Museum besucht, aber hier gab es ja noch mehr kulturelle Schätze. So buchte der beste Schwiegersohn der Welt einen Eintritt in die Basilika von Tongeren und den Besuch der dazu gehörigen Schatzkammer.
Der höchste Punkt des Stadtzentrums war der Platz zur Zeit der Römer an dem die Basilika heute steht. Die Geschichte der Stadt beginnt allerdings lange vor dem Bau der Basilika.
Das erste was vom Audio-Guide beschrieben wurde war diese Geschichte untermauert mit Bildern des Aufbaus über die Jahrhunderte. Ausgrabungen unter der Basilika sind dem Publikumsverkehr zugänglich gemacht worden und man sieht die Mauerreste, die unterschiedlichen Gesteinsarten.

Zu Zeit des Augustus wurde die erste städtische Niederlassung hier gegründet. Der Boden war fruchtbar und so begann von Tongeren aus die Romanisierung der ganzen Region.
Die Archäologen fanden Spuren von Holzhäusern, Säulengängen, Böden mit Mosaiken, Steinsockel von Wänden im Fachwerkbau. Fragmente von Wandmalereien konnte man bewundern und Reste von römischen Wohnungen laufen unter der gesamten Basilika hindurch. In einem der „Katakomben“ steht man vor oder auf einer grossen unterteilten Glasscheibe und wenn man zu den Füßen herunterschaut dann sieht man wie elektronisch die jeweiligen Sand- und Lehmsichten im Laufe der Jahrhunderte abgetragen werden.

Man kann die ehemaligen Badezimmer in alten Wohnungen sehen oder aber auch die von Römern abgeschauten Fußbodenheizungen. Unter dem romanischen Turm blieb ein römisches Badehaus vom Ende des 3. Jahrhunderts teilweise erhalten, einschliesslich Badewanne. Dieser Raum wurde über das römische System der Fußbodenheizung (Hypokaustum) erwärmt. In Nebenräumen (die nummeriert sind) sieht man viele Kleinigkeiten aus dieser Zeit.

Nach einem grossen Brand bei welchem Tongeren fast vollständig zerstört wurde ist diese Stadt ca 275 . Chr. auf einer kleineren Fläche wieder aufgebaut worden. Die Basilika blieb bis zum 4. Jahrhundert am Rand der Stadt bestehen.
Um ca. 500 entsteht das Reich der Merowinger unter Chlodwig, bevor die Karolinger und Ottonen im 8. Jahrhundert das Reich beherrschen. In dieser Zeit begann auch die Gründung eines Tongerschen Kapitels. Ein Kapitel ist eine Gemeinschaft von Geistlichen , Kanonikern, der auch Laien angehören können. Man kann ein Kapitel als eine Art von Leitkollegium einer Kirche bezeichnen, welches das kirchliche Leben in einer Stadt bestimmt.
Kanoniker kümmerten sich in einer Kirche um die Chorgebete und die dazugehörige Musik. Die Kanoniker sangen während des täglichen Gottesdienstes und Rituale unter Leitung eines Kantors. Auch in Prozessionen sangen sie. Man sang gregorianische Palmtexte die ab dem 13. Jahrhundert mehrstimmig erklangen. Daraus entwickelte sich die flämische Polyfonie im 15. und 16. Jahrhundert.

In Tongeren zählte das Kapitel ungefähr 20 Mitglieder und waren oftmals Söhne aus wohlhabenden Familien.

Um 600 wurde der Platz der heutigen Basilika als Begräbnisstätte genutzt – das zeugten viele Skelettfunde.

Auf jeden Fall war die Kirche damals viel kleiner, und hatte noch keinen Turm, der wurde erst um 1200 n.Chr. erbaut.
Die Basilika ist in verschiedenen Zeiten an- und -umgebaut worden. Den Anfang bildete die gotische Stilrichtung - ausgestellt war auch ein Originaler Ablassbrief von 1284. Dieser verspricht 40 Tage Straferlass oder Strafminderung wenn man sich an der Wiederinstandsetzung der Kirche beteiligt. Diese Suche nach Geldgebern zieht sich durch alle Jahrhunderte und ist auch nicht nur auf katholische Kirchen beschränkt.

Gotische Kirchen wie die von Tongeren oder die auch im Buch von Follet beschriebene englische Kirche von Kingsbridge (die Säulen der Erde) sind „himmelhohe“ und „leichte“ Kirchen mit großzügig verzierten Portalen.
Über dem Portal stehen in einem halbrunden Bogen Figuren die Maria und das Jesuskind anbeten Engel die knieenden Menschen den Weg weisen usw. In der Mitte steht auf einer Säule eine grössere Steinfigur mit einem Hirtenstab
Der erste Turm dieser Kirche diente als Aussichtsposten in Konfliktzeiten oder als Feuerwache. Ebenso wurde es ein Zufluchtsort für die Bevölkerung, als Glockenturm und auch als Wahrzeichen genutzt. Aus diesem Grund wurde der Turm in die Liste der 56 Belfriede in Belgien und Frankreich und in die Liste des Unesco-Weltkuklturerbes aufgenommen.

Religions- und andere Kriege zerstörten immer wieder die Stadt Tongeren und auch Plünderungen blieben nicht aus.
Im 16. Jahrhundert wurde eine Gnadenfigur angeschafft die im 19. Jahrhundert von Papast Leo XII gekrönt wurde. Diese Gnadenfigur ist Maria die Jesus in sitzender Haltung auf dem Arm trägt, beide tragen eine Krone. Dieser Figur steht auf einem Altar aus dem Jahr 1876.

Bereits im 18. Jahrhundert bekommt die Kirche von Tongeren barockes Mobiliar und wird im inneren und auch im äusseren verändert. Die Restaurierung findet ab 1846 nach alten, nie fertig gestellten Plänen statt. Man ersetzte verwitterte Steine durch neue – das Süd und Nordportal wird umgebaut und – wie kann es auch anders sein – das Geld geht wieder einmal aus, sodass einige Nischen unbesetzt bleiben. Hier sollten eigentlich weitere Figuren stehen.

Papst Pius XI. schenkte der Kirche 1931 die Bezeichnung Basilika, man sieht dies auch nur an einem Glöckchen auf einem Tragestock und an einem Baldachin in den Farben des Papstes.
DerKlostergang und der Innenhof der Basilika dienten Jahrhundertelang als Begräbnisstätte. Man sieht hier an den Wänden aufgereiht die einzelnen Grabplatten, die in lateinischer Schrift Namen und Daten tragen.

Nach dem Besuch des Teseums konnten wir noch mit einem anderen Audioguide in die Schatzkammer der Basilika gehen. Und dies war wirklich eine Schatzkammer, wie ich noch selten eine sah!
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