die Osterheide

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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die Osterheide

Beitrag von Johanna »

Lass Deine Augen offen sein, geschlossen sei Dein Mund
und wandle still, so werden Dir geheime Dinge kund.
(Hermann Löns)

Die Osterheide und das Pietzmoor

Eine Mitpatientin von Uwe, die er während seines Klinikaufenthaltes in Bethel 2020 kennen lernte wohnt in der Nähe von Bad Fallingbostel. Da sie am 1. September Geburtstag hatte, beschlossen wir sie zu besuchen und nachträglich persönlich zu gratulieren. Einen gemütlichen Abend zu verbringen um uns am nächsten Tag die Osterheide und das Pitzmoor anzuschauen.

Wir packten unsere Betten und andere Kleinigkeiten in den vorläufig umgebauten Bus und fuhren in die Lüneburger Heide. Die Osterheide und das Pietzmoor sind ein Teil der Lüneburger Heide und die Erika war in diesen Tagen noch voller Blüten!
Als wir das erste Mal in der Nähe von Schneverdingen waren und uns die heide anschauen wollten da konnte man nur per Pferdekutsche durch die Heide gefahren werden. Diesmal wollten wir aber selbst durch die Heide „laufen“. D.h. wir suchten uns Wege die man auch mit Rollstuhl befahren kann. Dazu gab uns die Bekannte und ihr Mann ganz genau Auskunft.
Man kann zwar im Netz reichlich Bilder über die Heideblüte ansehen, aber in natura ist es doch etwas ganz anderes.
Nach einem gelungenen Grillabend mit der Gastfamilie fuhren wir nach dem Frühstück los und fanden auch den grossen Parkplatz der von Besuchern des Schäferhotels aufgesucht wird. Das Schäferhotel liegt genau zwischen der Osterheide und dem Pietzmoor. Das Moor hat seinen Namen von einem östlich des Moores gelegenen Hofes. Und es ist das grösste zusammenhängende Moor in der Lüneburger Heide.

Das Naturschutzgebiet Osterheide liegt östlich von Schneverdingen und grenzt mit seinen ausgedehnten Heideflächen an das Naturschutzgebiet mit dem Wilseder Berg. Über den Wanderweg "Spitzbubenweg", einem uralten Salz-Schmuggler-Pfad kann man bis nach Wilsede wandern. Das kam für uns natürlich kaum in Frage – denn mit Rollstuhl sieht es anders aus. Wir waren in der Heide auch allein mit Rollstuhl unterwegs, das bekamen wir allerdings erst am Ende unseres Besuches mit. Mit anderen Worten: wir fielen auf!
Wir hielten uns an die ausgetretenen und festgefahrenen Wege – die Spuren der schweren Kutschen und der Pferdehufe die diese Wagen zogen haben wir vermieden – zu schlammig und zu uneben wäre das Ganze geworden.
Wir genossen den Blick über weite Heideflächen die in voller Blüte standen, genossen die Ruhe und auch die anderen Besucher die unsere Wege kreuzten betrachteten still das Naturschauspiel.
Am Rand des Parkplatzes waren Buden aufgebaut und ich erstand ein paar warme, schaffellgefütterte Hausschuhe – für meine im Winter immer kalten Füße eine Wohltat. Die Pferdekutschen waren gut gebucht und brachten die vielen Touristen weit hinaus.

Nach dem Mittagessen welches wir uns mitgebracht hatten überquerten wir die Strasse, die auch gleichzeitig die Grenze zwischen Heide und Moor ist. Durch das Moor führt ein Holzsteg. In Abständen sind Informationstafeln aufgestellt welche die Pflanzen und Tiere beschreiben, die sich im Moor heimisch fühlen.
Der rundblättrige Sonnentau z.B.gehört zu den seltenen fleischfressenden Pflanzen und ist hier sehr leicht zu übersehen.
Die Moorkäferzikade ist ein ganz besonderer Feinschmecker. Sie ernährt sich nur von einer einzigen Pflanze – dem Scheidenwollgras. Mit ihren Mundwerkzeugen sticht das Insekt in die Pflanze und saugt den süssen zuckerhaltigen Pflanzensaft wie mit einem Strohhalm auf.

Wir hatten grosses Glück und sahen auch mehrere Mosaikjungfern. Das sind die größten Libellen Mitteleuropas mit einer Flügelspannweite von ca. 10 cm und sind eine der wenigen Tierarten die auf offenen Hochmoorflächen leben. Auch zu unseren Füßen haben wir eine winzige Eidechse entdeckt – sie überquerte gerade einen Balken des Holzsteges.

Über 80 längliche Torfstiche gibt es im Pietzmoor – viele von ihnen sind inzwischen mit Wasser gefüllt und aus den meisten schauen abgestorbene Baumreste wie weisse knöcherne Finger in die Luft. Dies war ein Ergebnis des Torfabbaus. Jahrhunderte lang stachen die Männer hier Torf um das Gebiet zu entwässern legten sie Gräben an und gruben dem Moor regelrecht das Wasser ab.

Ende der 1980er Jahre wurden die Entwässerungskanäle und Torfstiche gekammert.
Per Hand und per Bagger wurde versucht das Moor wieder zu beleben. Bäume und Sträucher wurden entfernt um die Wasserverdunstung zu bremsen. Zusätzlich wurden Dämme gebaut um so das Wasser zurück zu halten. Denn ohne die konservierende Wirkung des sauren Wassers zersetzt sich der Torf und das Moor beginnt zu schwinden. Da die höher gelegenen Moorflächen im Sommer immer noch austrockneten besserte der Verein Naturschutzpark 2004 viele der alten Kammerungen aus und baute nochmals ungefähr 200 neue Stauvorrichtungen – dieses Mal allerdings mit dem Bagger. 2010 wurden weitere Schritte unternommen um das Moor wieder zu beleben – Nach und nach kann der Wasserstand weiter angehoben werden. Einige private Grundstücksbesitzer lassen ihre Grundstücke ebenfalls vernässen und unterstützen so die Renatuerierung.

Nach unserem Rundgang über diesen Holzsteg (Dauer ca. 2 Stunden) kam wir wieder auf dem Parkplatz vor dem Schäferhof an und hier wurden wir angesprochen, dass man uns ja am Vormittag bereits in der Heide gesehen hätte…… Rollstuhlfahrer stechen also doch aus der Menge der Besucher heraus

Ich habe hier mit Hermann Löns angefangen und will auch mit einem Vers von ihm meinen Bericht beenden:
Zukünftig wird es nicht mehr darauf ankommen, dass wir überall hinfahren können, sondern ob es sich lohnt, dort anzukommen.
(Hermann Löns)

Und ich sage: es hatte sich für uns gelohnt.
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