Spazierstoecke fertigt nur der Chef

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Spazierstoecke fertigt nur der Chef

Beitrag von Johanna »

Teil 1

Sonntag – Fulda – es ist IMT das nutzen wir bei strahlendem Sonnenschein aus. Wir stellen das Auto nahe der Innenstadt ab und erfragen den Weg zum Vonderaumuseum. Eine Dame ist so nett und begleitet uns ein Stück, zeigt uns den Weg.
Wir kommen zum Museum erfragen Fahrstuhl und was es sonst noch so zu sehen und zu hören gibt und die Angestellten beantworten sehr zuvorkommend alles zu unserer vollsten Zufriedenheit.
Am Aufzug ein Schild: „Nur für eine Person zugelassen“ - trotzdem fahren wir zusammen in den ersten Stock zur Musterausstellung der weltbekannten Flötenhersteller Mollenhauer.

Zuerst ein wenig Geschichte über diesen Familienbetrieb der bis heute in der 6. Generation besteht.

Die Geschichte begann vor ca 200 Jahren als der Geselle (gelernter Drechsler und Uhrmacher) Johann Andreas Mollenhauer nach 7-jähriger Wanderschaft wieder nach Fulda zurück kommt.
In einem Schaukasten liegt unter Glas das Wanderbuch des Gesellen welches Eintragungen bis über Wien hinaus nach Linz und weiter nach Pressburg (Bratislava) führt. Hier machte sich der Drechsler und Uhrmacher mit der Arbeitsweise und den technischen Möglichkeiten seiner Zeit im Umgang mit Holz und Metall vertraut. München ist u.a. ebenso eine seiner Stationen auf seinem ungefähr 4000 km langen Fußmarsch.

Er gründet 1822 in Fulda eine Werkstatt für Holzblasinstrumente. Auf der Gewerbeausstellung 1823 in Kassel stellte er bereits ein Flöte, eine Klarinette und eine Oboe aus und machte hier von sich reden. Er erhielt für seine herausragenden Leistungen die Silberne Ehrenmedaille aus der Hand des Kurfürsten und bereits 1825 erhielt er die Auszeichnung Hofinstrumentenmacher durch Kurfürst Wilhelm II. von Hessen.
Diese Auszeichnung brachte ihm so viele Aufträge ein, dass er seine Auswanderungspläne fallen liess.
Er fertigte Klarinetten, Flöten und Oboen die er nicht nur in Deutschland sondern bis nach Amerika verkauft.
Sein Sohn und Nachfolger Thomas spezialisierte sich ab 1864 auf die Herstellung von Querflöten die er bei dem bekannten Instrumentenbauer Böhm kennen lernte.
Durch den Bau der Eisenbahn und dem Anschluß Fuldas setzt sich der Fernhandel der Firma Mollenhauer weiter durch.

Auch in der dritten Generation erweiterten die Brüder Joseph und Conrad ihre Kenntnisse in der Fremde. Joseph hielt sich längere Zeit in London und Paris auf.Er spezialisierte sich auf den Bau von Klarinetten.
Conrad lernte im Vogtland und in Berlin, seine Handwerkskunst galt den Böhmflöten und Piccolos.
Und damit alles am Laufen blieb kümmerte sich die Schwester Margarethe mit viel Sachverstand dem Musikfachgeschäft.

1904 erhielt die Firma Mollenhauer für die ausgestellten Böhmflöten die Goldmedaille und daraus entwickelten sich dann rege Handelsbeziehungen mit Musikern in der ganzen Welt.
Großherzog von Sachsen-Weimar ernannte die Firma Mollenhauer zum Hoflieferanten und bereits 1909 wurden einige historisch wertvolle Instrumente dem Deutschen Museum in München für eine Dauerausstellung überlassen.

1912 trennte sich Conrad von der Stammfirma J.Mollenhauer und Söhne und gründete unter seinem Namen eine eigene Werkstatt. Er fertigte Böhmflöten und Piccolos, beschäftigte sich mit Mundlochformen und eröffnete ein zusätzliches Musikfachgechäft.

Die 4. Generation – Thomas Mollenhauer und nach seinem frühen Tod seine Frau Rosel führten den Betrieb weiter. Thomas studierte ergänzend in Würzburg das Fach Flöte am Konservatorium, legte 1934 seine Meisterprüfung ab. Da sein Vater während des zweiten Weltkriegs verstarb übernahm Thomas die Flötenwerkstatt. Doch sein Interesse galt weiterhin der Werkstatt seines Onkels Hans Mollenhauer (Gustav Mollenhauer und Söhne) in Kassel, wo alle Arten von Holzblasinstrumenten hergestellt wurden. Thomas fing an, Instrumente als Ensemblesatz in Serie herzustellen. Für die Serienproduktion in grösserem Umfang erforderte dies ideenreiche Maschinen und Werkzeugkonstruktionen. Seine Mitarbeiter waren geflüchtete Instrumentenmacher aus dem Vogtland sowie Jugendliche aus Fulda, die einen Ausbildungsplatz suchten.
Also wurde hier die Tradition seiner Vorfahren mit der Herstellung von Böhmflöten in bewährter Weise fortgeführt. Denn zu einer Übernahme der Kasseler Werkstatt kam es infolge seines frühen Todes nicht mehr.

In der 5. Generation trat Sohn Bernhard in die Firma ein, in der inzwischen über 60 Personen Arbeit und Brot fanden. Jetzt wurde die Blockflöte mit immer qualitätsvolleren Ausgestaltungen gefertigt. Bekannte Blockflötenbauer der Renaissance und Barockzeit aber auch innovative Neuentwicklungen waren im Programm. Einhandmechaniken für Menschen mit Behinderungen oder auch Instrumente mit hilfreichen Klappenkombinationen sowie extra langen Mundstücken wurden erfolgreich hergestellt.


In der 6. Generation verlassen heute 30.000 Instrumente jährlich die Mollenhauer GmbH in über 40 Länder. Anspruchsvolle Blockflötisten, Amateure und Anfänger sind Kunden weltweit.
Die Fertigungen haben sich auch geändert, denn jetzt werden die Instrumente mit Hilfe moderner computergesteuerter Technik beim Drechseln, Schnitzen, Bohren und feinmechanischen Arbeiten von rund 30 Mitarbeitern hergestellt. Doch am Ende – wenn es um das Erklingen einer Flöte geht, sind Handarbeit und ein gutes musikalisches Gehör sowie Einfühlungsvermögen für die bedürfnisse des Fachpublikums gefragt.
Der Verantwortung tragenden Aufgabengemeinschaft gelingt es gemeinsam mit den Mitarbeitern die Fortsetzung der Tradition Holzblasinstrumentenbau zu bewahren.
Das Motto: durch unsere Instrumente und unsere Leistungen rund um den Blockflötenbau wollen wir dazu beitragen, dass Menschen Freude am eigenen musikalischen Ausdruck gewinnen. Dafür arbeiten wir am aktiven Dialog.
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