Teddy's picknick

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Teddy's picknick

Beitrag von Johanna »

Sonntag brütende Hitze und wir überlegen uns mit dem Auto auf den Weg zu machen um etwas ganz besonderes anzuschauen.
Das Auto hat Klimaanlage, also entscheiden wir uns für den Ausflug.
Fulda – wir fahren nach Navi, kommen auch problemlos an. Und dann stehen wir vor dem Gebäude. Uwe lädt den Rollstuhl aus, ich setze mich hinein und Uwe schiebt mich bis vor den Eingang in den Schatten, fährt dann das Auto zu einem Parkplatz.
Eine nette junge Frau kommt aus dem Fabrik-Gelände heraus und fragt mich ob sie mir helfen kann, schiebt mich dann schon auf das Gelände – ich sehe auf dem Rasen Tische und Bänke mit Sonnenschirmen - ein Tisch mit Kasse, Getränkeschrank wie man sie in den Freßbuden sieht und da kommt schon Uwe und wir werden gefragt ob wir auch etwas zu Essen und zu trinken haben wollen. Uwe kauft Essens- und Getränkemarken wir nehmen die beiden Flaschen Wasser und Cola in Empfang und erkundigen uns wo und wann es zur Vorführung weiter geht.
Wir sind rechtzeitig zur Führung um 13:00 Uhr da und können noch vorher kurz in einem separaten Raum den Rest eines Flötenkonzertes hören. Wunderschön die Musik – ich bin so dankbar dass ich durch Uwes Hilfe dies alles erleben darf. Allein und „behindert“ würde ich mir solche Ausflüge niemals zutrauen.
Die Musik ist beendet, die Dirigentin gibt bekannt, dass um 15:30 Uhr nochmal ein Konzert stattfindet. Wir verlassen den Raum und schliessen uns der Hauptgruppe für die Führung an. Weil so viele Menschen hier sind die das alles sehen und erleben wollen werden wir in zwei Gruppen aufgeteilt. Wir schliessen uns der zweiten Gruppe an. Zuerst stellt sich der Leiter vor: die 6. Generation Mollenhauer wird uns alles zeigen und erklären sowie Fragen beantworten.
Das Holz welches in dieser Fabrik bearbeitet wird kommt meistens aus Südeuropa, Afrika und Südamerika. Es werden Hochstämme benötigt – auch wenn man Obstbäume dafür nimmt ist das Holz hierzulande weniger geeignet, da hier meistens nur niedrig wachsende Bäume angebaut sind.
Das Holz muss gelagert werden, je nach Holzart bis zu 7 Jahre! Es wird bereits vorgeschnitten und vorgetrocknet geliefert. Trotzdem benötigt die Firma viel Lagerraum.
Einige Holzstücke – kleine Balken oder auch Klötze werden gezeigt und dann werden nach einander die Schritte der Bearbeitung erklärt. Dazwischen muss das Holz immer wieder ausruhen, entspannen wie man es bezeichnet. Die Hölzer werden durch Unterdruck nochmal nach dem Trockenvorgang behandelt, damit auch die restliche Luft aus dem Holz heraus gepresst wird, danach geht es in ein Paraffinbad, so dass sämtliche Zwischenräume im Holz luftdicht verschlossen werden. Das Mittelstück wird dann zuerst bearbeitet. In die Mitte wird maschinell ein Loch gebohrt – es muss mittig sein, anschliessend wird die äussere Form grob gerundet. Danach die Feinarbeit. Das Holzstück wird gedrechselt und wieder poliert. Sehr viel Handarbeit ist hier gefragt. Das Endstück und auch das Kopfstück werden ebenso ausgearbeitet, gedrechselt und jedes mal muss das Werkstück wieder ausruhen, entspannen. Die Löcher werden in das Mittelstück gebohrt – das geht alles maschinell mit CNC Fräsmaschinen. Die Maschinen wurden teilweise auch von der Firma Mollenhauer nach ihren Bedürfnissen hergestellt. Und immer wieder ist Handarbeit gefragt und ein sehr gutes Auge, damit alle Unebenheiten auch erkannt und beseitigt werden.
Der Luftstrom ist für das Klingen des Tones wichtig – bei der Blockflöte sind Bauweise und Masse wichtiger wie die Holzart. Grenadill ist die dunkelste Holzart – während Birnbaum sehr hell ist. Und dann ist für den Block sehr wichtig dass dieser aus Zedernholz ist, weil Zedernholz nicht so viel Feuchtigkeit aufnimmt. Das Labium ist eine keilförmig zulaufende Zunge, die an ihrer Schneide auf eine Stärke von nur 1 – 2 Zehntel Millimeter ausläuft.
Zwischen Windkanal und Labium befindet sich eine rechteckige Öffnung – der Aufschnitt – durch den die Blasluft nach aussen befördert wird. Die Druckverhältnisse teilen sich der Luftsäule im Flötenrohr mit und je nach dem welches Loch der Spieler nun geschlossen hat ertönt der entsprechende Ton. Die Zapfenverbindungen werden mit einem Korkstreifen versehen, damit sie auch luftdicht abschliessen können und damit man die Teile einer Flöte auch passgenau zusammen-setzen kann.
In einer „Ecke“ war die Blockflötenklinik untergebracht. Ein Tisch mit allern möglichen Werkzeugen – hier werden vor allen Dingen hochwertige Flöten repariert. Teile ersetzt usw.
Ein separater Raum ist für die Klappenherstellung reserviert. Diese Klappen wurden von externen Firmen hergestellt bis die Firma Mollenhauer beschloss, diese selbst herzustellen. Es wurden Formen angefertigt und mittlerweile sind sie nicht mehr von fremden Lieferungen abhängig.
Diese Klappen werden gegossen, bearbeitet und zum Schluss mit einem Filz versehen. Denn verschiedene Flöten haben sehr grosse Griffweiten und da ist es für den Spieler leichter die Klappen zu bedienen.
Als letztes kam die Endkontrolle der Töne – der Block wurde zur besseren Verständlichkeit für uns herausgeschlagen und der Kanal „gesäubert“ dann der Block wieder eingesetzt.
Viele der Mitarbeiter haben ihre Lehrzeit in dieser Firma absolviert und sind ihr Berufsleben lang auch der Firma treu geblieben. Die Philosophie des Betriebes ist dass sie 10% für den Gewinn arbeiten, alles andere fliesst zurück zu Löhnen, Betriebskapital usw.
Es werden Flöten aller Art hergestellt. Und auch die 5. Generation ist immer noch beim Flötenbau, allerdings als Hobby. Denn der Betrieb ist Familienbesitz und wird von Generation zu Generation weiter gegeben und geführt.

Das Flötenkonzert hörten wir uns zum Abschluss der Führung noch einmal komplett an und ich war wieder ganz gefangen von der Musik, ganz besonders hat es mir Teddys Picknick angetan…...

https://www.youtube.com/watch?v=tcQsrmLEyDM

Diese Musiker sind alles Mitarbeiter der Firma Mollenhauer – es werden die unterschiedlichsten Flöten bespielt.

Gegen Ende unseres Besuches setzten wir uns auch auf eine der Bänke in dem sehr gepflegten Garten der Fabrik – Uwe holte uns je einen Flammkuchen und wir genossen die Stille. Das Hausinterne Museum mit dem Shop haben wir uns dann für einen weiteren Besuch aufgehoben, denn die Informationen waren so viel, dass wir bereits voll erfüllt waren von gesehenem und gehörtem.

Zum 200. Jahrestag der Firma Mollenhauer trugen die Mitarbeiter der Firma alle das gleiche T-Short – schwarz mit Goldaufdruck. Leider gibt es diese T-Shirts nicht im Shop wie ich erfahren habe. Bleibt zu hoffen dass es auch noch eine 7. Generation
für die Herstellung und den Verkauf dieser hochwertigen Musikinstrumente geben wird.
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