Sommernachmittag

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
Antworten
Benutzeravatar
Johanna
Beiträge: 4362
Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
Wohnort: Nordhessen

Sommernachmittag

Beitrag von Johanna »

Sommernachmittag

Nun ist es still um Hof und Scheuer
und in der Mühle ruht der Stein.
Der Birnenbaum mit blanken Blättern
steht regungslos im Sonnenschein.

Die Bienen summen so verschlafen
und in der offnen Bodenluk
benebelt von dem Duft des Heues
im grauen Röcklein nickt der Puk.

Der Müller schnarcht und das Gesinde
und nur die Tochter wacht im Haus,
sie lachet still und zieht sich heimlich
fürsichtig die Pantoffeln aus.

Sie geht und weckt den Müllerburschen,
der kaum den schweren Augen traut,
„nun küsse mich verliebter Junge,
doch sauber, sauber, nicht zu laut“
(Theodor Storm)

Es ist genau so ein Sommertag wie er in dem Gedicht beschrieben ist – Pfingstsonnabend.
Wir sind in Gifhorn im Mühlenmuseum. Heute ist internationaler Mühlentag und heute ist die Eröffnung nach einer langen Winterpause.
Was uns erwartet? Windmühlen aus Deutschland, Griechenland, Portugal, Spanien, Frankreich, Ukraine sowie aus Persien, Serbien, Korea und Österreich, die ungarische Schiffsmühle, und dann ist da noch die russische Holzkirche die einen Besuch lohnt. Im Museumsbau werden wir ca 40 einzigartige maßstabsgetreue Mühlenmodelle genauer anschauen können. Denn mit meinem Rollstuhl und den dazu mitgebrachten Gehhilfen (Krücken) kann ich in keinem Fall alle Treppen
steigen.
Doch ich fange am besten von vorne an….wir entrichten den Eintritt und wenden uns einem Geländeplan zu. Rechter Hand befinden sich 3 – nein 4 Mühlen. Irini, Anabela, eine französische und eine spanische Mühle.
Anabela die portugisische Windmühle diente der Bewässerung der Felder sowie dem Mahlen von Getreide. Die sicher belegbare Ausgabe über das Vorkommen von Mühlen in Portugal geht auf das Jahr 1490 zurück. Anabela ist ein Nachbau der Getreidemühle „Moinho de Caixeiros“ aus Torres Vedras. Sie besitzt 8 Segelstangen und vier dreieckige Segel, die um die Speichen gewickelt werden. Die gerade benötigte Fläche wird abgerollt und am Ende der nächsten Stange festgebunden. Eine spezielle portugisische Besonderheit stellen die „Buzinas“ oder „Buzios“ dar. Hierbei handelt es sich um tönerne Blasinstrumente. Sie werden an den Spanseilen befestigt welche die Segelstangen miteinander verbinden. Sie haben eine schmale Öffnung in die der Wind beim Drehen der Segel hineinbläst. Auf diese Weise entsteht ein Ton, der vom Müller so wahrgenommen wird, und von dem er am Klang die Drehgeschwindigkeit erkennen kann. So kann er ggfls. Die Segel weitger ausfahren oder aber einrollen.

Irini ist eine Windmühle von der Insel Mykonos. Sie ist ein Nachbau – 6 dieser Windmühlen stehen dicht nebeneinander auf einem Hügelrücken in unmittelbarer Nähe des Ägäischen Meeres. Dieser Mühlentyp wurde überwiegend zum Malen von Getreide verwendet.
Das Mühlenrad besteht aus 12 Segelstangen.Der Flügeldurchmesser beträgt 13 Meter. Der Mühlenkopf ist drehbar . Die Haube sitzt fest darauf mit einem Holzring. Man kann mit einem Pflock die Haube hochheben um sie um einige Grade zu verschieben, und somit in den Wind zu drehen. Das Gebäude vor der Mühle diente als Müllerhaus und Lager. Denn der Müller musste sich bei aufkommendem Sturm in unmittelbarer Nähe der Mühle aufhalten um die Segeltücher einholen zu können.

Die balearische Mühle von Mallorca „Moli de Tramuntana“ ist noch häufig auf Mallorca zu sehen.
Getreidedmühlen gab es seit dem 14. Jahrhundert auf Mallorca - sie wurden bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts verwendet und dann erst durch elektrische Wassermühlen ersetzt.
Das Untergeschoss war üblicherweise die Wohnung des Müllers oder es diente auch als Stall und Lager. Der Maschinenteil befindet sich im oberen Teil des Turmes. Ebenso sind im oberen Teil zwei Mühlensteine zum Mahlen des Getreides untergebracht. Die Mühle besitzt 6 Flügel mit je 20 Metern Durchmesser und werden mit Tüchern bespannt.

Die erste Windmühle zur Wasserhebung wurde von einem holländischen Ingenieur entwickelt um die Ebene von Sant Jordt auf Mallorca trocken zu legen. Sie hatte ein Schaufelrad und begann ihre Arbeit 1847. Wichtig ist, dass diese erste Mühle zur Trockenlegung und nicht zur Bewässerung verwendet wurde. Der Holländer wurde 1835 beauftragt die Sümpfe trocken zu legen und sehr rasch wurden die neuen, trocken gelegten Gebiete kultiviert. Im Jahr 1891 gab es in der Ebene von Jordt mehr wie 200 Mühlen verschiedenster Art. Dies war der Beginn einer intensiven Bewässerung von Kulturland. 1854 erfand man die Mühle „de ramell“ die ganz aus Holz einschliesslich der Segel bestand. 1934 wurden die Holzteile der „de ramell“ durch Metall ersetzt.

Mühle aus Fontvieille, Provence…..
Die Mühle ist bekannt geworden durch den französischen Dichter Alphonse Daudet (1840 – 1897) Er hat diese Mühle in seinem Buch „Briefe aus meiner Mühle“ literarisch verewigt und sie zu einem der berühmtesten Ausflugsziele in der Region um Arles gemacht.
Die ersten Windmühlen in diesem Gebiet wurden zwischen 1162 und 1180 erwähnt – es soill sich um die ältesten Mühlen Frankreichs handeln. Diese Mühle beherbergt im Kellergewölbe ein Museum zu Ehren des Dichters Daudet. Hier kann man eine gut dokumentierte Sammlung von Schriftstücken,Bildern und Erstausgaben der Werke des Dichters sehen.

Die Bergholländermühle „Immanuel“ hat ein bewegtes Leben hinter sich – im Jahr 1848 wurde von Catarina Marghareta Osnabrügge zusammen mit einem Grundstück verkauft. Zwei Jahre später war ihr Wert auf ca 2720 Reichstaler gestiegen. 1852 übernahm ein Müller die Mühle und 1855 erwarb sie ein anderer. 1860 folgte wieder ein Müller aus Kannenmoorfelde und ein Glasfabrikant erwarb sie 1868. 1872 erwarb sie ein Müller der sie aber bereits wieder ein Jahr später an einen anderen Müller verkaufte. Dieser betrieb die Mühle die anschliessend sein Sohn bis 1919 übernahm. Gustav Behrens der neue Eigentümer ging 1925 in Konkurs und sein Schwager übernahm die Mühle bis 1930. Dann kam es zum Zwangsverkauf, 1947 liess der neue Besitzer aus Hamburger Trümmersteinen einen Schuppen errichten in dem eine elektrische Mühle aufgestellt wurde. Er liess von der alten Mühle die Kappe und die Flügel restaurieren – aber 1969 inserierte dieser Besitzer in einer Hamburger Zeitung dass er die Mühle verschenken wolle mit der Bedingung sie wieder aufzubauen. Der Zeitungsverleger Axel Springer erwarb diese Mühle, baute sie wieder auf und seinem grossen Entgegenkommen ist es zu verdanken dass diese Mühle „Immanuel“ jetzt am Eingang des Internationalen Mühlenmuseums zu sehen ist.
Antworten

Zurück zu „ReiseBerichte“