eine Maus hilft andere zu fangen

 

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Johanna
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eine Maus hilft andere zu fangen

Beitrag von Johanna »

Eine Maus hilft die andere fangen

Der Pfingstsonntag stand ganz im Zeichen des Besuches eines Museumsdorfes in der Nähe – Hösseringen. Lt. Internet ein kleines Museumsdorf welches sich auf die Geschichten der ehemaligen Bewohner konzentriert. Es wird damit geworben dass es eine befestigte Wegstrecke gibt, es sind behindertengerechte Toiletten, Wickelraum vorhanden. Die Parkplätze sind wirklich sehr reichhaltig, wunderschön und was hier nicht vermerkt wurde: Wohnmobile sind willkommen und haben ausreichend Möglichkeiten zum parken.
Mit Rollstuhl haben wir das Gelände erkundet und festgestellt, dass es mit Rollstuhl keine grossen Möglichkeiten gibt vorwärts zu kommen – auch Begleiter sind oftmals überfragt bei den teilweise sandigen Wegstrecken. Der Rollstuhl bleibt einfach stecken.
Trotzdem haben wir fast alle Häuser nicht nur von aussen betrachtet, sondern sind auch in das Innere gelangt. Der Eingangsbau ist pompös und hier fällt der grosse Shop mit unzähligen Dingen auf. Uns gefielen vor allen Dingen die emaillierten Gegenstände, die man auch heute noch in vielen Haushalten findet. Siebe, Schüsseln, Milchkannen, Seifenschalen usw. Für meine Nachbarin nahm ich ein kleines Holzkörbchen mit, in dem ein weisses Schaf aus Seife sein „kurzes Leben“ zubrachte.

Das erste Haus welches wir auf unserem Rundgang in diesem „Dorf“ näher in Augenschein nahmen, war ein Schweinestall aus Graulingen. Er wurde um 1835 erbaut und 1984 im Museum wieder errichtet. Das Gebäude gehörte zu einem Landarbeiterhaus welches heute ein Teil der Gemeinde Suderburg ist. Der Stall bestand aus 10 gleich grossen Koben, die jeweils eine gesonderte Aussentür hatten.
Bei der Errichtung des Schweinestalls als Fachwerkbau mit Lehmgefachen und Strohdach wurden zum Teil alte Bauhölzer verwendet.

Das nächste war ein Göpeldach. Göpel oder Rosswerke sind ein von Zugtieren betätigter Antrieb für Maschinen, die zunächst in der Müllerei und im Bergbau Verwendung fanden und nach 1840 auch in der Landwirtschaft genutzt wurde. Der Antrieb von Dreschmaschinen, Schrotmühlen und Häckselmaschinen über Göpelgetriebe war noch Anfang des 20. Jahrhunderts selbstverständlich. Der ausgestellte Göpel war bis ca 1960 im Landkreis Heidekreis in Betrieb.

Die Scheune aus Eimke von 1681 folgte – hier war eine Ausstellung über alte Leichenwagen, Traktoren, Fahrräder für Behinderte (Krankenstühle) Moped mit Anhänger.
Dreirädrige Handhebelfahrzeuge oder „Selbstfahrer“ für gehbehinderte Menschen wurden bereits zu Beginn des 210. Jahrhunderts entwickelt. Die Geschichte der Produktion infolge von Kriegen wurde beschrieben. Ebenso die Ausführung – hier heisst es zum Beispiel: „der muskelbetriebene Selbstfahrer besteht aus einem gepolsterten hölzernen Sitzkasten der von zwei grossen Hinterrädern flankiert wird, Der Antrieb erfolgt mittels zweier Handhebel . Durch das Drehen der auf das kleine Vorderrad wirkenden Hebelgriffe wird das Fahrzeug lenkbar. Auf der linken Seite befindet sich eine Feststellbremse. Lichtanlage und Rückspiegel wurden später hinzugefügt“.

Ein ausgestgellter Schweinewagen wurde durch aufgestellte Informationen so beschrieben:
Die Anfänge der landwirtschaftlichen Tierhaltung reichen in die Jungsteinzeit bis 9.500 vor Christus zurück. Gezähmte Wildtiere erleichterten die Feldarbeit und dienten als Nahrungs- und Rohstofflieferanten, Seit dem 19. Jahrhundert änderte sich die Beziehung des Menschen zum Nutztier grundlegend, Der ausgestellte Schweinewagen steht stellvertretend für den vorindustriellen Umgang mit Nutztieren. Wie in der Gegenwart zielt er auf eine ökonomische Ausbeutung ab. Dennoch stellt jedes Tier einen sorgsam gepflegten Wertgegenstand dar – ein wesentlicher Unterschied zur heutigen Massentierhaltung. Und dann wurde die Geschichte eines Schweinewagens und einer Maria-Luise Hinrichs erzählt. Sie musste als 11-jährige ihren Vater mit dem Schweinewagen nach dem Besuch einer örtlichen Gastwirtschaft abholen. Der Vater war nicht mehr fahrtüchtig also musste Marie-Luise auf dem Kutschbock Platz nehmen,. Doch den Vater ärgerte die zurückhaltende Fahrtweise seiner Tochter und er trieb sie zur Eile an „Fahr schneller“ und hieb mit der Peitsche auf das Pferd ein. Mehrfach drohte der Wagen bei voller Fahrt umzukippen – nur mit Glück trafen Vater und Tochter unfallfrei zu Hause an.



Der Schäferkarren als seltsamste Schlafstätte der Heide
Die Anfänge der landwirtschaftlichen Schafhaltung reichen 10.000 Jahre zurück – somit zählt der Beruf des Schafhirten zu den ältesten Gewerben der Menschheit. Bis in die jüngere Vergangenheit mussten die Schäfer auf freiem Feld neben ihren Herden übernachten, Schutz vor Witterung boten niedrige Holzkästen, die auf zweirädrigen Transportwagen montiert wurden. Als Zugtiere dieser „Schlupfkarren“ dienten Ochse oder Esel. Der gezeigte Karren gehörte dem Landwirt Ernst vom Bruns-Hof in Jeversen, Die Verantwortung für seine 200 Tiere der Rasse schwarzköpfiges Fleischschaf hatte er 1953.

Es wurde hier auch ein Fangautomat „Capito Original“ gezeigt. Eine besonders ausgeklügelte Variante stellte diese vom Wiesbadener Fabrikanten Bender entqwickelte Konstruktion dar. Eine Maus wird mittels Köder in einen Vorraum gelockt. Hier löst sie einen Mechanismus aus eine Falltür schliesst sich und schneidet ihr den Rückweg ab. Sie wird gezwungen einen Metallschacht hinaufzuklettern. Oben angekommen wird sie auf einen Laufsteg gelenkt, der sich unter ihrem Gewicht neigt und sie in einen mit Wasser befüllten Behälter rutschen lässt – der Tod durch Ertrinken ist die unausweichliche Folge. Gleichzeitig wird die Öffnung der Zugangstür ausgelöst und die Falle von neuem aktiviert. Der Herseller warb daher treffend mit dem Slogan „Eine Maus hilft die andere fangen!“

Das Imkerhaus aus Eschede
Es ist das Wohnhaus einer Abbauerstelle deren Besitzer über wenig Land verfügten und ihren Unterhalt als Landarbeiter oder Handwerker verdienen mussten. Die Angehörigen der seit 1865 in dem Haus lebenden Familie von der Ohe übten bis 1965 die Imkerei als Hauptberuf aus. Das als Stall und Schuppen genutzte Nebengebäude mit Lokus wurde 1870 errichtet. 1843 hatte der pensionierte Postillion J.H. Niemann den zu seinem Hof gehörenden Garten und weitere zwei Morgen Land erworben. Abbauerstellen entstanden erst im 19. Jahrhundert im Zuge der vielfältigen Änderungen in der Landwirtschaft , die mit der Agrarreform einhergingen. Die Inhaber fanden ihren Haupterwerb häufig in einer Tätigkeit als Landarbeiter oder Handwerker. 1865 kaufte der Berufsimker J.H. Wilhelm von der Ohe die Stelle. Die Imkerei wurde auch von seinen Nachfahren betrieben. Die Frau des letzten Imkers in Eschwede lebte noch bis 1980 in diesem Haus. Danach stand das Gebäude leer.
Die Familie von der Ohe zeichnete sich durch grosse Sparsamkeit aus und führte im und am Haus kaum Veränderungen durch, So liess sich das Geäude beim Wiederaufbau auf den Zustand von 1951 rekonstruieren, Auch die Möblierung wurde nach den Aussagen von Familienangehörigen so zusammengestellt, dass sie der Einrichtung von 1951 weitgehend entspricht. Jedoch geht vieles, was man in dem Haus sieht auf wesentlich frühere Zeiten zurück. So hat sich der Grundriss der Erbauerzeit fast unverändert erhalten. Auch Möbel und Einrichtung stammen zum Teil noch aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Ein besonderer Glücksfall ist es, dass die Kinder des letzten Imkers noch umfassend über die Nutzung der Räume und das Leben ihrer Familie Auskunft geben konnten. Viele ihrer Informationen findet man vor Ort in den jeweiligen Räumen. Ein Gang durch das Haus wird so auch zu einem Streifzug durch die Geschichte seiner Bewohner.
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