Es ist nicht alles Gold was glänzt....

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Es ist nicht alles Gold was glänzt....

Beitrag von Johanna »

....und der westfälische Himmel

Freitag – Uwe musste etwas Geschäftliches in Kassel erledigen. Wegen der Anschrift telefonierte er und ich bekam nur die Hausnummer mit, als er diese auf ein Stück Papier kritzelte. Er kennt sich in Kassel gut aus, also nahm ich nur mein Smartphone mit – liess das Navi wo es war und wir machten uns auf den Weg. Die AB 44 ist mittlerweile von Waldkappel bis Kassel ausgebaut und eigentlich sollte es mit einer Zeitersparnis verbunden sein, diese Strecke zu befahren. Auf dem Weg zur Autobahn kamen wir bei einem Geschäft vorbei, welches Uwe mir vorstellen wollte. Kochgarten – hier werden Seminare abgehalten – alles dreht sich um schmackhafte Rezepte, ungewöhnliche Gewürze, kochen, Catering und Privatveranstaltungen. Uwe holte mir hier einen Flyer den ich genau durchlas. Später sahen wir uns im Internet die dazugehörige Webseite an, und stellten fest, dass für uns diese Veranstaltungen eindeutig zu teuer waren. Ein 4-Gänge-Menue mag bestimmt auch nicht gerade billig sein und der Zeitaufwand dieses zuerst zu kochen auch nicht gering – aber trotzdem – soweit geht meine Liebe zum exquisiten Kochen nun auch nicht. Auf der Zufahrt der AB 44 angekommen liess sich zuerst auch alles sehr gut an. Viele Tunnel sind auf dieser Strecke – und trotz gut ausgebauter Fahrbahn und wirklich wenig Verkehr ist die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt. Je näher wir nach Kassel kamen um so umfangreicher wurden die Baustellen – Stop and go – teilweise bei Ampeln auch längere Aufenthalte, sodass von einer Zeitersparnis nicht mehr die Rede sein konnte. Der Treff sollte um 14 Uhr sein – die Zeit wurde knapp. Dann kamen wir endlich bei der Strasse an – Parkmöglichkeiten? An der Strasse gleich Null, aber wir fanden ganz nah ein Parkhaus und dann suchten wir die Hausnummer – fanden sie nicht. Liefen einige Strassen weiter – nichts. Auch ein Nachfragen in einem der ansässigen Geschäfte brachte uns keinen Erfolg. Und die Telefonnummer hatte Uwe auch nicht aufgeschrieben. Also zurück zum Auto ins Parkhaus, denn dort lag mein Smartphone. Ich hatte nicht gedacht, dass ich es brauchen könnte. Im Parkhaus gab es keine Internetverbindung, so mussten wir dieses verlassen um an einem anderen Stellplatz über das Internet die Telefonnummer heraus zu suchen. Ich beschrieb dem Herrn unsere Schwierigkeiten, sagte dass wir auf einigen Strassen herumirren und sein Geschäft einfach nicht finden können und er erklärte uns ganz genau wo sein Büro ist. Wieder zurück ins Parkhaus fahren, Auto abstellen – noch einmal die Strasse weiter laufen – und endlich sah Uwe das Geschäftslogo. Ein wenig versteckt, nicht so öffentlich sichtbar. Wir hatten schon fast die Lust am Suchen verloren…...
Wir wurden bereits erwartet und der Herr erklärte geduldig und beantwortete unsere Fragen ausführlich und zu unserer Zufriedenheit. Dann nach Abschluss des Geschäftsvorgangs liefen wir zum Parkhaus zurück – und feierten auf der Rückfahrt bei Rewe mit Kaffee und Kuchen den Erfolg. Die Rückfahrt legte Uwe jetzt aber anders an – die Autobahn mit den Behinderungen von Baustellen liessen wir „links liegen“ und fuhren eine landschaftlich sehr schöne Strecke wieder zurück. Das Wetter meinte es wirklich gut mit uns – die Wälder, Wiesen und auch die Aussicht über weite Strecken waren Balsam für die Augen. Saftiges grün der sonnenbeschienenen Wiesen und Wälder, von hell bis dunkel wechselte ab mit bereits abgemähten Wiesen auf denen Heuballen auf den Abstransport warteten.
Bei Uwe angekommen fragte er mich ob ich den westfälischen Himmel kenne. Dieser „Himmel“ sagte mir gar nichts – deswegen fuhr Uwe los um mir das zu zeigen. Wir hielten an einer Strasse – stiegen aus und liefen auf einem Weg zu einem Haus. Am Fenster war eine beleuchtete rote Schriftzeile „geöffnet“. Rebellisch dachte ich bei dieser roten Leuchtschrift: hier fehlt nur noch das Herzchen, das kann ja auch den Himmel bedeuten smile - auf der linken Seite eine grosse Tür – nach dem klingeln erschien der Besitzer. Wir betraten eine ehemalige Garage und da war er – der reale und wirkliche westfälische Himmel. Von der Decke hingen sehr viele Würste herab – alle in gleicher Grösse und gleicher Qualität. Der ganze grosse Raum roch nur nach guter Wurst……

Auf den westfälischen Bauernhöfen gab es früher eine besondere Art zu räuchern. Im Herbst wurden die von Hand gepökelten Schinken im Rauchfang des Herdfeuers, im sogenannten „Wiemen“, aufgehängt. Dieser Kaminhimmel mit Schinken wurde auch als „Westfälischer Himmel“ bezeichnet. Dort hingen sie mehrere Wochen im kühlen Rauch der Buchenholzscheite. Um ein besonderes Aroma zu erhalten, warfen die Bauern Reisigholz des Wacholders auf das offene Herdfeuer. Manche rieben die Schinken auch vor dem Räuchern mit zerquetschten Wacholderbeeren ein. Im Mai, wenn der Kuckuck rief, wurde der westfälische Schinken angeschnitten. So entstand die noch heute leckere Tradition, Spargel und Schinken zu kombinieren.
Der vielgerühmte westfälische Schinken wurde weit über Westfalen hinaus berühmt. Schon die Römer sollen den Schinken aus dem Münsterland importiert haben. Aus dem 11. Jahrhundert ist überliefert, dass westfälische Kaufleute bereits Schinkenhandel in Köln betrieben. Zum Ende des Mittelalters tauchte er auch auf dem Frankfurter Markt auf und wurden von Mainz sogar bis nach Frankreich verkauft.

Dieser Metzgermeister stellt diese Würste her, seine Existenzgrundlage von der er leben kann. Er war in einer Metzgerei beschäftigt wurde gekündigt – mietete sich einen Raum in welchem er die Möglichkeit hatte frisch geschlachtetes Muskelfleisch zu dieser nordhessischen Spezialität zu verarbeiten. Mittlerweile läuft sein „Laden“ gut, man kann jederzeit bei ihm klingeln und da er zweimal in der Woche die Würste frisch herstellt kann man bei der grossen Menge schon vermuten, dass er davon gut leben kann. Für Wurstliebhaber ist es wirklich ein Himmel, denn die Würste hängen dicht an dicht von der Decke herab….

Wieder ein Anlaufpunkt mehr bei welchem wir direkt ab Erzeuger unsere Lebensmittel kaufen können.
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