wer sich die Musik erkiest

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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wer sich die Musik erkiest

Beitrag von Johanna »

Wer sich die Musik erkiest, hat ein himmlisch Werk gewonnen,
weil die lieben Engelein selber Musikanten sein

diesen Spruch schrieb mir meine Lieblingscousine in die früher so beliebten Poesiealben -

Unser zweiter Besuch am Samstag galt Bad Blankenburg. Nicht geplant sondern spontan.
Das Brotmuseum war klein und übersichtlich. Es war noch genug Zeit, deswegen fuhren wir in den Harz und darüber hinaus.
In Bad Blankenburg erkundigten wir uns bei der Touristinformation über Sehenswürdigkeiten, die man auch mit dem Rollstuhl besuchen kann.
Das Kloster Michaelstein blieb von allen genannten Gebäuden übrig. Der Weg wurde uns auf einem Stadtplan erklärt und eingezeichnet. Übersehen hatte ich den Zusatz „Musikakademie“ sondern nur Museum gelesen.
Deshalb war die Überraschung für mich doppelt so groß als wir aus dem Fahrstuhl im 1. Stock kamen.
Ein Raum in welchem unzählige Geigen hinter Glas sofort ins Auge fielen. Ein Raum voll mit Instrumenten, voll mit imaginärer Musik – ein Raum der mich staunen machte.
Nicht nur Geigen hingen hier – auch die einzelnen Schritte des Geigenbaus wurden plastisch gezeigt. Violas, Bratschen, Zither, Flöten, ein besonderes Akkordeon, Violoncello und Cellos – ein Quinton. Ich war begeistert und konnte mich nicht satt sehen.
Eine Geige – neben ihr hing ein Notenblatt und die Erklärung der minütlichen (Takt)Vorgaben. Diese Geige wurde mit Beschreibungen von allen Seiten dargestellt. Bögen und Saiten, Schnecken, Griffbrett, Steg, Wirbel, der Hals – jedes Detail war aufgezeichnet und beschriftet.
Innerhalb der Saiteninstrumente bildeten sich um 1500 die Gambenfamilie und die Violinfamilie heraus. Während sich mit dem Streichen auf den zart klingenden Gamben wohlhabende Dilettanten die Zeit vertrieben, dienten die Violinen hauptsächlich professionellen Musikern zum Broterwerb.

Die Streichbogen wurden gezeigt und erklärt, dass es bis zur Hälfte des 18. Jahrhunderts vorrangig nur Steckfroschbogen gab. Bei diesen steckt man den Frosch in die Stange hinein und spannt dadurch das schmale Haarband.
Die Bogenstangen sind relativ kurz und fast gerade oder konvex, wie Jagdbogen nach außen gebogen. Die Art der Biegung beeinflusst sehr stark die Spieltechnik.

In einem anderen Raum waren Flöten ausgestellt. Bei Jedermann war die Querflöte allzeit beliebt. Die Spielhaltung quer vor dem Körper gab der Querflöte ihren Namen.
Der alte Fritz liebte dieses Instrument. Block und Querflöte, Rauschpfeifen, Vogelpfeifen, Okarinas, Panflöten, Altflöte – nichts kann unterschiedlicher sein. Doch alle haben eines gemeinsam: die Art der Tonerzeugung. Für das Spielen der Melodien befinden sich in der Röhre Tonlöcher, die mit den Fingern oder Klappen verschlossen oder geöffnet werden. „Klappe halten“ war oder ist hier also die Devise.

Blechblasinstrumente wie Horn oder Trompete usw. waren genauso zahlreich wie die diversen Klavierarten. Vom Hammerklavier über den Flügel, der Hakenharfe, Fußharfe war fast alles vertreten was es in der Musikszene an Instrumenten gibt. Nur das Spinett habe ich hier vermisst.

Auch die automatischen Musikgeräte, Walzenklaviere Drehorgel sind reichlich vorhanden. Die grossen gestanzten Platten mit denen die Musik erzeugt wurde, die Papierrollen die sich wie Lochstreifen um eine Walze legten – alles was in dieser Beziehung jemals erfunden wurde konnten wir hier bewundern.

In einem Raum nur wenige Instrumente, dafür Bilder von Musikgruppen an der Wand. Dazu auf Knopfdruck die Erklärung wen die Bilder darstellten, wem die Personen hier bei der Ausübung der Musik lauschten. Und dann ertönte ein Musikstück von Liszt – bei einem anderen Gemälde ein leichter Chopingenuß. Hier war fürstlicher Musikabend des Herzogs August von Braunschweig zu sehen und zu hören… Bei einem anderen Gemälde lauschte man dem Vortrag eines Dichters…..
Ganz besonders gefiel uns in einem separaten Raum eine Darstellung: Zwei Pauken, Flöten, Geigen und andere Instrumente waren zu sehen. Wir setzten dazu keine Kopfhörer auf, denn wir waren hier die einzigen Besucher und hörten uns ein Stück von Bach an. Zu der Musik wurden die jeweiligen Instrumente angestrahlt.
Ein Vergnügen der besonderen Art und dann ertönte das Forellenquintett – ich war ergriffen und lauschte hingebungsvoll – auch das Pipi in meinen Augen konnte und wollte ich nicht aufhalten.

Zum Abschluß dieser Besichtigung betraten wir die schlichte Klosterkirche.
Hier gibt es eine Orgel die 1850/51 von Friedrich Wilhelm Wäldner für die evangelische Kirche in Morl bei Halle/Saale gebaut wurde. In den 80-er Jahren war diese Orgel durch einstürzende Gebäude von der Vernichtung bedroht, deshalb wurde sie 1985/86 in das Kloster Michaelstein überführt und im Refektorium aufgebaut. Die Balganlage erhielt ihren Platz im Kalefaktorium.
Erst 2018 überholte eine Orgelbauwerkstatt aus Halberstadt das Instrument und versetzte die Bälge mit der historischen Tretanlage neben die Orgel.

Die Geschichte des Klosters geht auf das 9. Jahrhundert zurück. 956 übergab Otto I. das Gebiet und 1139 bestätigte Papst Innozenz II. die Schenkung. Von Beatrix von Quedlinburg wurde das Kloster 1146 gegründet ubnd 1152 an den heutigen Standort verlegt. Vom 13. bis 15. Jahrhundert erwirbt das Kloster unter anderem auch Besitztümer in Mecklenburg. 1533 wird die Klosteranlage weitgehend zerstört, wird später wieder aufgebaut und hat wechselnde Besitzer.
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