Bim-Bam war da

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
Antworten
Benutzeravatar
Johanna
Beiträge: 4224
Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
Wohnort: Nordhessen

Bim-Bam war da

Beitrag von Johanna »

Bim-Bam war da……

Ein Beitrag in einem anderen Forum regte bei mir eine Erinnerung an. Meine älteste Tochter war damals ca 2 Jahre alt. Es war Nikolausabend und der Nikolaus sollte kommen und die Kinder bescheren – wir sassen also bei Bekannten mit mehreren Kindern und warteten auf das was kommen sollte. Es klopfte und polterte und der Nikolaus stapfte ins Zimmer, schüttelte den Schnee von seinem roten Mantel, nahm den geschulterten Jutesack von seinem Rücken und stellte ihn vor sich hin und dann zog er aus seiner Manteltasche ein Buch heraus, blätterte kurz und rief denn ein Kind nach dem anderen zu sich. Hörte sich die Sprüche an, fragte und gab letztendlich jedem Kind eine gefüllte Tüte. Nur meine Tochter die auf meinem Schoss sass, wollte partout nicht zu diesem ihr unheimlichen Mann gehen. Sie versteckte ihren Kopf unter meinem Arm und weinte ….schaute zwar manchmal ob dieser fürchterliche Mann noch anwesend war, aber selbst die Tüte wollte sie nicht nehmen. Erst als der Nikolaus dann das Zimmer wieder verlassen hatte lebte sie auf und krähte immer wieder lauthals:“Bim Bam war da, Bim Bam war da……..“

Dies fiel mir ein, als wir gestern auf einem Weihnachtsmarkt waren. Wir holten früh morgens Uwes Onkel ab um ihn zu einem ganz besonderen kleinen Markt mit zu nehmen. Es war das nachträgliche Geburtstagsgeschenk, denn jedes Jahr unternehmen wir mit Uwes Onkel etwas anderes. Wir finden das gut so, denn was soll man einem 90-jährigen Mann schenken ….also schenken wir ihm Zeit – unsere Zeit!
Wir kamen bei der Burg Hanstein an. Hier sollte oben in der Burg der Weihnachtsmarkt stattfinden. Die Mitglieder der Ritterschaft hatten sich dazu auch einiges einfallen lassen.
Der Weg hinauf war uneben, Katzenkopfpflaster und andere Befestigungen für den Weg lösten sich ab. Der Aufstieg war mühsam. Am Kassenhäuschen vorbei – immer weiter steil nach oben.

Und dann stellten wir fest, dass wir fast etwas zu zeitig ankamen, denn die Händler bauten noch im Burggraben ihre Stände mit den Waren auf – nur im Burghof waren schon Tische und Bänke aufgebaut. Ein Kessel hing an einem Dreibein über einem grossen Holzfeuer und eine Linsensuppe verströmte ihren leckeren Duft, an einem Stand konnte man sich heissen Tee, Kaffe oder auch Kakao holen. Die Ritter waren alle nach der derzeitigen „Mode“ gekleidet, einer rührte im Kessel die Suppe um, ein anderer sorgte für das Nachlegen des Feuers und alle waren sehr beschäftigt.

Nach dem Genuss eines heissen Getränks schauten wir dann in die Burghalle hinein. Auf den Turm wollten wir nicht steigen – der Wind war kalt und blies heftig um das alte Gemäuer.
In der Burghalle prasselte ein grosses Feuer in einem offenen Kamin und einer der Ritter legte hier immer wieder dicke Holzstämme nach. Stühle waren aufgebaut, an einer Wand war eine Leinwand gespannt und ein Beamer stand auch bereit, denn es sollte später eine Künstlerin erscheinen die so einiges vorführen würde.
Hier waren Tische mit Glasbildern und wunderschönen Sprüchen – die Dankbarkeit an Mütter, Väter oder aber auch an Großeltern aussagten. Fröbelsterne aus diversen Materialien – bunte Karten. Schön waren auch die Gläser für Kerzen welche mit eingeritzten Bildern für schöne Schattenspiele sorgten.
Für Kinder war Märchenstunde vorgesehen – doch die wollten wir uns nicht anschauen oder anhören. Wir setzten uns zuerst vor den Kamin um uns aufzuwärmen. Dann erstiegen wir die Treppe zum ersten Stockwerk.
Hier gab es eine Krippenausstellung.
In dem grossen Saal stand mittendrin eine über 6 m hohe Tanne – geschmückt mit Lichtern, Strohsternen und Schleifen. Und auf allen Tischen ringsherum – an den Wänden, unter der Tanne und auch mittendrin standen Krippen. Grosse, Kleine, winzige, handgearbeitete – alle möglichen Arten. Krippen aus Treibholz, geschnitzte. Es waren so viele, dass man gar nicht wusste welche Krippe man sich zuerst genauer anschauen sollte.
Einer der Ritter erklärte dass es hundert Krippen sind, die aufgebaut werden müssen. Es waren 5 – 6 Ritter 2 Wochen lang täglich damit beschäftigt, alle Krippen mit den Krippenfiguren aufzubauen. Aber beim herausholen aus dem „Sommerlager“ mussten alle 15 Ritter mit helfen. Es gab Krippen bei denen die Figuren alle wie Stoffpuppen aussahen und auch handgemacht waren. Es gab geschnitzte Figuren aus den verschiedenen Hölzern – von ganz hell bis dunkel. Sehr viele Figuren wurden dann noch bunt angemalt. Es steckt sehr viel Liebe zum Detail in der ganzen Anlage.
Sämtliche Figuren wurden nach Beendigung der Krippenausstellung dann wieder in die jeweiligen Plastiktüten verpackt und zu den dazugehörigen Krippen gelegt, damit kein heilloses Durcheinander das wieder-aufbauen erschweren würde. Da würden dann wieder alle Ritter der Ritterschaft mithelfen.
Aus einem der dicken Mauernischen schaute ein schwarzer aus Holz gefertigter Teufelskopf auf die ganzen Krippen herunter. Ein verwurzelter grosser Baumstamm diente als „Etagere“ für mehrere kleine Krippen.
Und über allem schauten aus den gemalten Bildern die Porträts der ehemaligen Burgbesitzer auf das bunte Treiben hinab.
Dann setzte sich ein Nikolaus im roten Mantel, mit weissem (echtem) Rauschebart und einer Nikolausmütze am Rand auf einen Stuhl, packte einen gefüllten Sack auf den Stuhl neben sich und die Kinder, die sich schon in diesem Ausstellungsraum befanden stellten sich vor den Nikolaus auf und erhielten nach einigen Sätzen immer zwei Stück Süssigkeiten. Schokoladekringel oder ähnliches. Auf meine Frage wie viele Kinder er denn so beschenken würde, kam die Antwort dass am vorherigen Sonnabend ca 300 Kinder bei ihm waren und dass er am heutigen Sonntag mit viel mehr Kindern rechnen würde. Am Sonnabend waren immerhin über 900 Gäste auf der Burg aber heute am Sonntag würden es bestimmt viel mehr sein.
Durch diese Einnahmen der Eintrittskarten sind wenigstens einige Kosten des Unterhalts und der Arbeiten an der Burg gedeckt.

Zurück im Erdgeschoss sahen wir einen Holzschnitzer, der sich bei seiner Arbeit gern über die Schulter schauen liess. Er bearbeitete gerade Lindenholz für eine bestellte Arbeit. Daneben stand ein Tryptichon welches auch schon in Fulda ausgestellt war. Dieses Tryptichon erzählte in Teilen die biblische Geschichte.

Nachdem wir wieder am wärmenden Kaminfeuer Platz genommen hatten, holte uns Uwe eine der lecker duftenden Linsensuppen, die in tellerartigen Gefässen aus Palmblättern gefüllt wurden. Das Material war brennbar nach unserer Meinung deswegen liessen wir diese „Teller“ nach dem Essen am Kaminfeuer zum Verbrennen zurück.

Die angekündigte Künstlerin war eine Sandmalerin und zeigte den Zuschauern einiges von ihrem Können. Der Raum war voll besetzt um die Sandmalerin zu sehen. Sie „malte“ mit Sand zuerst eine Landschaft mit der Burg, dann kamen andere Bilder hinzu. Immer wieder verstreute sie Sand auf ihrem Arbeitspodest und zauberte mit ihren Händen und Fingern Frauengesichter, eine Menschenmenge die auf dem Weg in die Burg war oder aber auch Tannen und einen Abendhimmel. Das letzte von ihr gemalte Bild waren dann Wünsche für ein frohes Fest an alle Besucher.

Wieder draussen im Freien schob mich Uwe mit dem Rollstuhl durch den Burggraben zu den Ständen. Ein Schmied hatte hier seine Esse, Amboss und Handwerkszeug aufgebaut. An einem anderen Stand konnte man sich eine Bratwurst holen und auch Kuchen wurde angeboten, oder Brezeln und Brot. Schaffelle oder Lammfelle wurden genauso feilgeboten wie weihnachtliche
Dekorationsstücke. Doch wir wollten dann nur noch nach Hause – die Burg füllte sich zusehends mit Besuchern.
Benutzeravatar
Sternkeks
Moderator
Beiträge: 5196
Registriert: Donnerstag 5. Februar 2004, 20:35
Wohnort: Thüringen-glücklich seit 20 Jahren
Kontaktdaten:

Re: Bim-Bam war da

Beitrag von Sternkeks »

Wie immer so toll und anschaulich beshrieben, Johanna! Ich habe wirklich das Gefühl, dabei gewesen zu sein.
Übrigens, diese "Teller" aus Palmblättern gibt es schon ein paar Jahre. Wir hatten sie für Männes Geburtstag. Für ein Essen sind sie sehr gut haltbar, danach kein Abspülen, sondern verfeuern im Kamin. Finde ich eine gute Idee, die wir immer wieder gern aufgreifen, wenn es um die Bewirtung von vielen Gästen geht!
Danke für deinen "Reisebericht" und für die vielen weiteren, durch die ich mich aber erstmal durch"kämpfen" muss!
Liebe Grüße und gute Wünsche
für Mensch und Tier
von Sternkeks
Benutzeravatar
Dorle
Beiträge: 619
Registriert: Mittwoch 8. Dezember 2021, 13:54

Re: Bim-Bam war da

Beitrag von Dorle »

Toll, dass Uwes Onkel mit 90 noch so fit ist, und den steilen Aufstieg zur Burg geschafft hat!

Was ist denn ein "Tryptichon", Johanna? Du schreibst, das es die biblische Geschichte beschreibt.

Ja, auch ich finde es toll, hier im Forum wieder von dir zu lesen... :klatsch:
Benutzeravatar
Johanna
Beiträge: 4224
Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
Wohnort: Nordhessen

Re: Bim-Bam war da

Beitrag von Johanna »

Ein tryptichon ist ein dreigeteiltes Bild. Google kann dir das besser erklären wie ich dorle
Antworten

Zurück zu „ReiseBerichte“