Feuerzange

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Feuerzange

Beitrag von Johanna »

Feuerzange

Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht
(Schiller)

Wie bereits erwähnt bekam Uwe zum Geburtstag einen Messerschmiedekurs weil er sich das schon lange wünschte. Nach einigem Suchen im Internet fand ich in Geseke eine Schmiede – nicht das, was man sich gemeinhein unter einer Schmiede vorstellt, mit einem offenen Ofenfeuer – dunklem Raum mit russigen Wänden usw. Nein es war eine moderne Werkstatt.
Getränke und belegte Brötchen, sowie Schutzkleidung, Brillen usw. wurden gestellt. Uwe brauchte also nur festes Schuhwerk, Arbeitshose und T-Shirts mitbringen.
Wir kamen bei der Adresse an und fanden nur dank des roten Aufklebers „Feuerzange“ den Eingang neben einem Rolltor.
Zuerst wurde Uwe wurde Ofen und Werkstatt erklärt, wo alles zu finden ist. Danach wurden die obligatorischen Formulare ausgefüllt, damit die Betreiber im Fall eines Unfalls abgesichert sind.

Erst dann wurde gefrühstückt. Der Sohn des Betreibers war anwesend, servierte uns belegte Brötchen, Kaffee, Getränke nach Wunsch und dann ging es los. Schutzmaske, Schutzbrille und Lederschürze (gegen den Funkenflug beim schmieden) wurden bereitgelegt.
Die verschiedenen Metalle wurden zusammengestellt nachdem sich Uwe über Form und Art des Messers entschieden hatte. Es sollte ein Damaszenermesser Santoku sein. Diese Messerart kann sowohl für das hacken von Kräutern, das feine Schneiden von Fleisch und Fisch oder schneiden von Gemüse verwendet werden. Es ist für den täglichen Gebrauch.

Die Metalle wurden ausgesucht und zu einem Damastpaket zusammengeschweisst.
Die Lagen wurden ermittelt, zuerst 24 – dann 48 – dann 96 und im dritten Schritt 288 – d.h. es wurde geschmiedet, dann gefaltet und aufeinander gelegt (geknetet) dann wieder das gleiche und zum Schluss wurde dann gedrittelt und wieder ausgeschmiedet. Das Damastpaket muss sich immer wieder um gut zwei Drittel reduzieren. Das Stück wird ständig wieder im Ofen erhitzt – der Ofen wird mit Gas befeuert, da hier eine gleichmässige Temperatur gewährleistet ist. Mit Borax wird dann das erhitzte Metallpaket immer wieder bestreut. Borax ist ein Salz, das sich hervorragend für das Feuerschweißen eignet. Borax eignet sich hervorragend weil man damit Verunreinigungen entfernen kann. Dies war der erste Tag. Zwischendurch wurde das Arbeitsstück aber auch „abgelöscht“. Das schmieden wird zwar teilweise auch mit einer Presse gemacht, da man hier mit grösserer Kraft arbeiten kann, aber trotzdem ist das Ganze sehr anstrengend. Das Abkühlen geschieht nicht immer nur im Wasser – sondern auch in Öl.

Über Nacht musste dann das Werkstück im Ofen „ausruhen“ und langsam abkühlen. Beim Schmieden und pressen hatte Uwe eine Maske sowie eine Schutzbrille auf. Trotz der Schutzkleidung kamen so einige kleine Funken auf seine Arbeitshose – und auch im Netz erfährt man, dass man sich immer wieder kleine Brandblasen zuziehen kann.

Mit einem anderen Gerät wurde später die Härte des Werkstücks bestimmt. HRC = Härte nach Rockwell.
In einer der Schubladen fand ich Muster für verschiedene Messer aus Pappe – nach denen die Messer auch geformt werden. Und an der Wand waren Magnetleisten, an welchen fertige Messer zu sehen waren. Messer mit den verschiedensten Formen, Jagdmesser, Filetiermesser, Kochmesser, Santokumesser oder Nakirimesser.
Am zweiten Tag wurde meistens nur geschliffen – auch die endgültige Form des Messers wurde erarbeitet – das Schleifen war zum grossen Teil mit einer Maschine (Korund bzw. Diamant) und im zweiten Schritt dann mit viel Geduld Handarbeit. Und hier lernte ich am zweiten Tag auch dass es verschiedene Stärken des Schärfens gibt. Die meisten Messer sind mit einer Schärfe von 15° geschliffen, aber es gibt auch Sonderwünsche. Ein Kunde betrat die Feuerzange und holte sein Messer ab, welches mit einer Schärfe von 12° geschliffen wurde. Hier geht die Schneide durch Papier nur durch das eigene Gewicht des sehr leichten Messers. Dieser Kunde gibt Grill-Lehrgänge, kocht sehr gerne (was man ihm auch ansah) und kann auf eine Sammlung von ca. 60 Messern blicken – nach seinen eigenen Angaben.

Von 2,5 Kilo Ausgangspaket zum Schmieden bleiben ungefähr 175 bis 125 Gramm fertiges Material übrig.

Der Sohn des Betreibers machte immer wieder Fotos – damit Uwe dann später diese ausdrucken und als Erinnerung behalten kann.
Auch am dritten Tag ging es mit schleifen weiter.
Verschiedene Körnungen von ganz grob bis ganz fein kamen zum Einsatz. Zuerst fing Uwe mit der 400-er Körnung für den Vorschliff an. Körnungen bis 500 sind geeignet, um sehr stumpfe Messer vorzuschleifen , dann kam die nächste feinere Körnung dran. Das ging bis zu einer sehr hohen Körnung des Schleifmaterials.

Für die Verbindung zwischen Messer und Griff wurde von Uwe Wasserbüffelhorn ausgesucht und bearbeitet. Und für den Griff bestimmte Uwe ein dunkles Holz.
Der Griff wurde dann nach seiner Hand ausgearbeitet. Dafür kam aber wieder eine Maschine zum Einsatz, aussägen, schleifen, polieren.

Da ich in der Zwischenzeit aus Belgien einen nicht so guten Anruf erhielt, brachen wir am 3. Tag unseren Aufenthalt doch vorzeitig gegen Mittag ab – die letzten Arbeiten: Holzgriff fertig polieren, die Messerschneide schärfen und mit einer Nanoversiegelung versehen überliessen wir der Feuerzange. Da dieser Schutz des Messers 3 Tage aushärten sollte, wird Uwe sein geschmiedetes Messer erst in der nächsten Woche per Post erhalten.

Im Internet gibt es sehr viele kleine Filme, Fotos und Anregungen, aber das selbst arbeiten mit diesem Material ist doch für evtl. zukünftige Herstellungen von Messern wichtig. Auf jeden Fall kann Uwe an seinem Geburtstag jetzt den Kuchen mit seinem selbst geschmiedeten Damaszenermesser anschneiden.
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