Spender gesucht

 

Ob Urlaub oder Tagesausflug, wenn einer eine Reise tut, darf er uns davon erzählen
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Johanna
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 15:04
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Spender gesucht

Beitrag von Johanna »

Spender gesucht…...

Wir suchten beim Fremdenverkehrsverein nach einem Angebot, wir wollten irgend etwas unternehmen und wir fanden etwas ganz in unserer Nähe.
Die Orgel der Neustädter Kirche in Eschwege wurde vorgestellt. Man konnte sie auch von innen
ansehen. Also machten wir uns am Sonnabend nachmittag auf den Weg.
Vor der Kirche warteten wir und dachten schon dass wir uns in Tag und Zeit geirrt hatten, denn Niemand kam. 10 Minuten nach der offiziellen Öffnungszeit der Kirche fuhr der Kantor der Kirche vor, schloss uns die Tür auf und wir konnten uns vor dem kalten Wind in das innere des Baus retten.

Dann erschien Herr Batram, Spezialkantor und wir dachten immer noch dass Uwe und ich die einzigen Interessenten waren. Doch endlich erschien eine kleine Familie, Mann Frau und ein vielleicht 11 jähriger Sohn, zusätzlich kam eine junge Frau dazu die sich auch als Orgelspielerin vorstellte. Wir stiegen zur Empore hoch, Herr Batram stellte Stühle für uns bereit und dann fing der Vortrag über die Geschichte der Orgel an.

Die erste Orgel erhielt die Neustädter Kirche St. Katharina im Jahr 1678. Über ihre Geschichte ist allerdings kaum etwas bekannt. Die jetzige große Orgel wurde vom Eschweger Orgelbaumeister Eobanus Friedrich Krebaum erbaut. Ihr eigenartig symmetrisch schönes, neu-gotisches Gehäuse stellte der Meister am 3. Juli 1839 fertig.
Ein Orgelbaumeister muss viele Eigenschaften für diesen Beruf mitbringen – ein gutes Gehör gehört unbedingt dazu. Ausserdem sind handwerkliche Fähigkeiten sowie körperliche Fitness erforderlich. Das Orgelbauerhandwerk umfasst zusätzlich zu den künstlerischen und musikalischen Fähigkeiten noch viele Fertigkeiten aus anderen Berufen: Tischler, Metallbauer, Feinmechaniker, Elektrotechniker, Architekt und technischer Zeichner gehören z. B. dazu.
Eine Orgel in Meissen hat z.B. Pfeifen aus Porzellan – auch dazu braucht man genaue Kenntnisse um so etwas herzustellen. Bereits zu Zeiten August des Starken bemühte man sich in der Porzellanmanufaktur Meissen, klingende Orgelpfeifen aus Porzellan herzustellen. Erst im Jahr 2000 wurden die Versuche vom Erfolg gekrönt.
Zurück nach Eschwege…..
1930 folgte ein Neubau des Instrumentes hinter den historischen Prospekt durch die Firma Furtwängler und Hammer (Hannover) unter Verwendung vieler Pfeifen des Krebaum-Instrumentes.
1965 wurde durch die Orgelbaufirma Bosch die Spieltraktur elektrifiziert. Auch die Disposition der Orgel wurde verändert. Um dem neobarocken Geschmack der Zeit gerecht zu werden, wurden 8 Register erneuert. Die Orgel verlor ihre charakteristische Eigenständigkeit, das hochromantische Klangbild. Die Besonderheit dieses Neubaus war die Spieltraktur, eine pneumatisch gesteuerte Taschenlade (Windlade).
Hier kannte ich als Kind noch den Blasebalg, der getreten werden musste damit man die Orgel spielen konnte.
Es wurden uns dann Beispiele anhand der Klangfarben vorgeführt. Barockmusik klingt sehr viel gedämpfter und für meine Ohren angenehmer. Doch der Musikgeschmack der Zeit ändert sich immer wieder.

Dieses Klangbild – das hochromantische - soll durch eine Rückführung der Disposition wieder erklingen.
Die Orgel der Neustädter Kirche St. Katharina in Eschwege ist mit ihren ca. 2.000 Pfeifen in 31 Registern ein historisch und klanglich einzigartiges Instrument. Sie wird gebraucht und viel gespielt. Aber: Die Orgel klingt nicht so voll, wie sie konzipiert war. Und ihre technische Ausstattung genügt modernen Ansprüchen nicht mehr. Daher wurde ein Fundraising-Projekt gestartet. Man will Begeisterung für diese Orgel wecken, neue Freunde für sie finden und genügend Geld sammeln, um sie klanglich und technisch aufzufrischen. Im Mittelpunkt der Sanierung steht das Pfeifenwerk: es werden 348 neue Orgelpfeifen gebraucht. Große und Kleine, Tiefe und Hohe. So entstand die Sammlung „Wind und Klang“
Denn für jeden Euro der gesammelt wird um die Orgelpfeifen „aufzufrischen“ zahlt die Kirche noch einmal den gleichen Betrag dazu. Kein billiges Projekt.
Dann wurden die Pfeifen erklärt – das „Mundstück“ durch welches die Luft in die Pfeife gepresst wird – oder die „Rolle“ die dann auch noch dafür sorgt dass die Pfeife den für sie typischen Klang erzeugt – alles ist Millimeterarbeit. Denn jede Pfeife kann nur einen einzigen Ton erzeugen. Es gibt Lippenpfeifen (Tonerzeugung durch brechenden Luftstrom) und Lingualpfeifen (Zungenpfeifen, Tonerzeugung durch schwingende Metallzunge). Wenn man nun sieht wie viele Töne alleine eine Tonleiter hat kann man sich vorstellen wie viele Pfeifen man dafür benötigt. Und: eine Orgel ersetzt ein ganzes Orchester. Denn es gibt Orgelpfeifen die wie Trompeten klingen und andere sind wie Oboen, Flöten, Klarinetten, Posaunen usw.
Die grösste katholische Kirchenorgel Europas steht in Passau und hat 17.974 Pfeifen bei 233 Registern. So gross ist die Eschweger Kirche nicht, aber auch 2000 Pfeifen ergeben einen schönen Klang und bedürfen einer Restaurierung.
Neben der Orgel auf der Empore ist eine Tür zu sehen durch die man in die Orgel hineingehen kann. Hier sieht man dann die Orgelpfeifen , die alle unterschiedlich gross sind. Die kleinste Pfeife ist nur wenige Millimeter gross die längste/grösste Pfeife kann 10 Meter betragen. Wobei der Pfeifenfuß ja nicht gemessen wird, da er nicht zum Ton beiträgt. Um die Pfeifen besser sehen zu können muss man aber noch eine Hühnerleiter hinaufklettern.
Meine Neugier trieb mich die Hühnerleiter hinauf, allerdings nicht so weit, dass ich vollends oben auf der 3. Ebene stand. Aber Herr Batram war so nett und machte für mich einige Fotos.
Und zum Schluß fragte ich ob dieser Vortrag noch einmal wiederholt wird, denn alles was berichtet wurde konnte ich mir nicht merken.
Man kann bei dieser Sammlung, die zur Zeit für diese Orgel statt findet auch Pate einer Orgelpfeife werden – ein nützliches Geschenk für Interessierte. Denn eine Pfeife kostet zwischen 25,00 € und 1.000,00 € - man hat also die Wahl.
Den Abschluss bildete dann ein kurzer Ohrenschmaus den uns der 11-jährige Junge präsentierte. Wenn der so weitermacht wird er bestimmt der Nachfolger des Spezialkantors Batram. Denn eines wurde auch erwähnt – es gibt kaum Nachwuchs für diesen Beruf. Man kann jederzeit zum üben in die Kirche kommen – auch die Dame die sich als Orgelspielerin vorstellte hatte Unterricht bei Herrn Batram.
Aus der angekündigten Vortragszeit 45 Minuten wurde weit mehr wie eine und eine halbe Stunde, die Zeit verging wie im Flug. Und eins weiss ich, wenn es wieder so einen Vortrag gibt, dann sind wir wieder mit dabei.
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